TONSPUR (folgt) | HÄNGUNG
Das Leben spielt sich – wie der Name schon sagt – in „Lebensräumen“ ab. Vom kleinen Biotop bis zum großen, vielfältigen Grünraum: eine Vielfalt an Strukturen, Nischen und Nahrungsquellen sind für die Vielfalt der Arten besonders förderlich. Diese Lebensräume werden dann nicht nur von einigen wenigen, sondern idealerweise von vielen verschiedenen Arten bewohnt. Sie bilden miteinander das vielfältige Zusammenspiel der Organismen mit dem Biotop – das Ökosystem. Die gesamte Natur und ein jedes Ökosystem sind große Kreisläufe, ein ständiges Werden und Vergehen.
Das Wort „Zusammenspiel“ bedeutet dabei nicht, dass alle Bewohner:innen eines Biotops zusammenhelfen. Manche tun das – dann spricht man von Symbiosen, von denen es zahllose gibt. Andere Lebewesen sind sich gegenseitig relativ egal und nehmen nicht viel Kenntnis voneinander. Und alle sind eingebunden in das große Netz der Nahrungsbeziehungen, das große Fressen und Gefressen-Werden. Dabei kann sich das Blatt auch wenden, wie das Beispiel von Frosch und Libelle zeigt.
Welches Tier sehen sie hier eigentlich vor sich? Und worauf sitzt es? Edward Ehab hat hier eine Libelle portraitiert. Sie sitzt auf einem Grashalm. Sehen Sie, nach wem Sie schielt? Sie hat eine Grabwespe ins Auge gefasst. Sie soll ihre nächste Mahlzeit werden. Nicht ihre Lieblingsspeise, aber Gelegenheit macht Diebe. Hoffentlich wartet sie aber nicht zu lange. Denn auch sie selbst ist schon ins Visier eines anderen Jägers geraten – ein Frosch ist auf sie aufmerksam geworden und schaut aufmerksam herüber. Der wiederum hat Glück. Denn die Schlange rechts fokussiert sich auf die Wechselkröte und den Feldhamster gegenüber…
Zum Fressen gern!
In der Fachsprache Teil der „Energie- und Nährstoffkreisläufe eines Ökosystems“ können wir in der Vielfalt der Natur ein großes Fressen-und-Gefressen vorfinden. Wir deuten dieses in unserer Ausstellung mit bunten Linien auf dem Boden der Galerie an. Sie zeigen, dass sich hier einige der ausgestellten Tiere gegenseitig verspeisen. Auch das ist Natur. So funktionieren Ökosysteme. Im Frühling erwachen die Frösche aus ihrer Winterstarre und machen sich auf, um ihre Eier, den sogenannten Froschlaich, im Wasser abzulegen. Dieser Laich ist auch Nahrung für viele Wasserlebewesen. Dazu gehören die Larven der Libellen, die räuberisch im Wasser leben und sich von einer Vielzahl von kleinen Organismen ernähren – darunter auch Froschlaich und junge Kaulquappen. Auf diese Weise regulieren Libellenlarven die Population der späteren Frösche. Gleichzeitig können aber auch die Larven selbst zur Beute werden – beispielsweise von Fischen oder auch von Vögeln. Dass sich ein ausgewachsener Frosch hingegen eine Libellenlarve einverleibt, ist unwahrscheinlich – denn Frösche fressen nicht unter Wasser. Bewegt sich die Larve aber in seichtem Wasser, ist auch das nicht ausgeschlossen.
Die Libellen in ihrer ausgewachsenen Form (adultes Stadium) sind geschickte Jäger, die andere Insekten wie Mücken und Fliegen fangen. Aber sie leben trotz ihrer Flugfertigkeiten gefährlich, denn sie stehen auf dem Speiseplan zahlreicher Tiere – von Vögeln, Säugetieren und Fischen, aber auch von Amphibien wie eben der Frösche. Die Frösche selbst sind opportunistische Jäger und haben eine breite Palette an Beutetieren, von der sie sich ernähren – darunter auch Libellen. Da beide in der Nähe von Gewässern vorkommen, begegnen sie sich häufig. Kommt die Libelle also in die Reichweite der langen, klebrigen Zunge eines Frosches, wird sie schnell zur Beute. Sprünge mit seinen kräftigen Hinterbeinen helfen dem Frosch dabei, sie auch aus dem Flug heraus zu fangen.
Doch ob Larve, Libelle oder ausgewachsener Frosch – sie haben auch etwas gemeinsam, denn sie stehen allesamt auf dem Speiseplan der Vögel.
Dieses Beispiel mit nur wenigen Arten zeigt – in der Natur geht es ganz schön rund. Das geflügelte Wort vom “Fressen oder gefressen werden” bildet das Fundament der natürlichen Gleichgewichte. Kommt eine Art vermehrt vor, ohne dass sie durch Fressfeinde reguliert wird, kann so das ganze Ökosystem in Schieflage kommen.
All dies macht den Kreislauf der Natur erst aus. Diese Fressbeziehungen zeigen uns, wie sich das Leben in einem ständigen Kreislauf entfaltet. Jeder in diesem Netzwerk, sei es als Beute oder als Räuber, trägt dazu bei, das Gleichgewicht der Natur in einem Ökosystem zu wahren. Durch die vielfältigen Wechselwirkungen entsteht ein dynamisches System, in dem das Überleben einer Art oftmals die Grundlage für das Leben einer anderen ist. Diese komplexen Verflechtungen verdeutlichen, wie alle Lebewesen – vom winzigen Froschlaich bis zum fliegenden Vogel – untrennbar miteinander verbunden sind.
Text: René Hartinger; Fachlicher Input: Kai Kolodziej; Tonspur: Barbara Mithlinger