Totholz: Wertvolle Lebensraumstruktur
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Alles Leben in der Natur findet im Kreislauf statt. Das Absterben eines Lebewesens hat meist wenig von der Dramatik und Absolutheit, in der wir Menschen mit dem Ende eines Lebens umgehen. Es gehört eher zu den gewöhnlichen Dingen – und ist die Voraussetzung dafür, dass neues Leben entsteht. Ein fortlaufendes Werden und Vergehen – ein großer Kreislauf des Lebens.
Das Absterben eines Baumes beispielsweise kann auch stückweise vonstatten gehen. Vitale Bestandteile und absterbende Teile – beispielsweise abgebrochene oder kranke Äste, die nicht mehr versorgt werden und absterben – können auf ein und derselben Pflanze koexistieren.
Im abgestorbenen Holz kommt es zu Zersetzungsprozessen. Durch Austrocknung lösen sich die einzelnen Schichten voneinander (beispielsweise die Borke vom Holz) und die faserige Struktur löst sich auf – teilsweise bis in kleinste Einzelteile. Da die Bestandteile und Schichten von Holz unterschiedlich fest sind bleibt manches besser erhalten, anderes löst sich auf. Das Holz springt und reißt. Risse, Spalte, morsche Stellen – all das bietet ein Eldorado für viele Arten von kleinen und kleinsten Lebewesen.
Diese Bewohner des Totholzes ernähren sich davon, zersetzen es weiter und machen es wieder für den natürlichen Kreislauf verfügbar. Das Totholz ist also äußerst lebendig. Es wird von einer wahren Vielzahl an Insekten, Larven und Pilzen bevölkert.
Die Natur als Künstlerin | Sie sehen vor sich Totholz aus den Wäldern im Westen Wiens, die als Exponate dargeboten werden. Der Kontrast mit dem klaren Weiß der Galerieumgebung lässt sie wie Objekte wirken und uns genauer hinsehen. Zwei Fotografien von Kai Kolodziej (Specht und Hirschkäfer) und sowie eine Fotografie von Edward Ehab (Schleimpilze) zeigen typische Totholzbewohner. Eine Drahtskulptur von Gerti Hopf ergänzt ergänzt die Darbietung.
Für Hirschkäfer ist Totholz wichtig, denn seine Larven leben mehrere Jahre in morschem Holz, ehe sich adulte Tiere entwickeln. Auch die großen, schöne Holzbienen nisten – der Name ist Programm – im abgestorbenem Holz.
Das Leben im Totholz ist aber keine Freikarte für ein gefahrloses Dasein. Totholzbewohner stehen auf dem Speiseplan zahlreicher Tiere. Ein bekannter Jäger, der das Totholz liebt und braucht, ist der Specht. Er sucht vor allem in der Rinde und in höhergelegenen, morschen, abgestorbenen Bereichen großer alter Bäume nach Insekten, um diese herauszupicken und genüsslich zu verzehren.
Teilweise hält das Totholz aber auch als Baumaterial her. Wespen beispielsweise machen mit Altholzfasern einen Brei als Baumaterial für ihre Neste.
Also ist der Tod das Ende? Die Natur sagt: Nein.
Reflexionsfragen
Sie haben nun einiges über den hohen ökologischen Wert von Totholz erfahren. Sie sehen hier nun Totholz aus Wien. Die Exponate erlauben uns, unser ästhetisches Empfinden zu befragen:
- Wie wirkt das ausgestellte Totholz auf mich?
- Würde ich es aus meinem Garten wegräumen?
- Graust es mir vielleicht sogar?
- Erlebe und erkenne ich das Totholz als etwas Lebendiges?
Text: René Hartinger; Tonspur: Barbara Mithlinger
Zu Station 5
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Inspiration zum Titel: Nick Cave / Kylie Minogue „Death is not the end“