Land ohne Ärzte? – Diskussion sowie Forderungspapier des ÖSF Kärnten

Nachlese

Ökosoziales Forum Kärnten legt Forderungspapier vor – Politik, Ärztekammer und Krankenkassen sind gefordert!

Kärnten in der doppelten demographischen Falle: immer mehr älteren Menschen am Land steht eine Pensionierungswelle bei den Ärzten gegenüber.

25. November 2015

„Ohne wohnortnahe medizinische Versorgung stirbt der ländliche Raum. Die Zeit der Worte ist vorbei. Politik, Ärztekammer und Krankenkassen müssen jetzt handeln um den drohenden Landärztemangel abzuwenden!“ fordert der Präsident des Ökosozialen Forums ÖR Walfried Wutscher bei der Podiumsdiskussion „Land ohne Ärzte?“ zu dem der Verein Gesundheitslandesrätin Dr. Beate Prettner (vertreten durch LAbg. Ines Obex-Mischitz), Ärztekammerpräsident Dr. Josef Huber, Direktor der Kärntner Gebietskrankenkasse Dr. Johann Lintner und Landärztin Dr. Helene Domej aus St. Michael ob Bleiburg in das Bildungshaus Schloss Krastowitz eingeladen hat.

Unisono war sich das Podium einig, dass eine Schlüsselfrage gegen den Landärztemangel eine Novellierung des Apothekengesetzes sei um die Hausapotheken für die Landärzte zu sichern. Obex-Mischitz: „Hier ist die Politik gefordert.“ Der Präsident der Ärztekammer und der Direktor der Krankenkasse sind sich auch einig darüber, dass in den Kassenverträgen in Zukunft verstärkt Anreize für Landärzte festgeschrieben werden müssten. Landärztin Helene Domej plädiert dafür, bei den Reihungskriterien für die Nachbesetzung von Kassenplätzen verstärkt auch die Bereitschaft für Nachtdienste und Bereitschaftsdienste aufzunehmen.
Die anwesenden BürgermeisterInnen und GmeindevertreterInnen forderten die politischen Zuständigen am Podium auf, endlich beim Apothekengesetz aktiv zu werden. Auch die Primärversorgungszentren wurden von den Anwesenden kritisch beurteilt. „Was bringt der Bergbäuerin in Heiligenblut ein Primärversorgungszentrum in Spittal?“ fasste Ärztekammerpräsident Huber die Skepsis des Publikums prägnant zusammen.

Abschließend präsentierte Präsident Walfried Wutscher ein 5-Punkte Forderungspapier des Ökosozialen Forums gegen den Landärztemangel und für eine gesicherte medizinische Versorgung am Land, das den politischen Vertretern und der Ärztekammer und der Gebietskrankenkasse überreicht wurde:

  1. Einführung und Ausbau einer Erschwerniszulage für Landärzte in Kärnten wie in anderen Bundesländern (z.B. Steiermark) bereits üblich.
  2. Ausdehnung der Öffnungszeiten und Möglichkeit zur Teilung der Kassenverträge zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
  3. Änderung des Ärztegesetzes im Zusammenhang mit Gruppenpraxen: durch eine flexiblere Ausgestaltung soll die Zusammenarbeit von Ärztinnen möglich werden.
  4. Stärkung der Lehrpraxis: Ausbildungsreform mit verpflichtender, einjähriger Lehrpraxis und aufkommensneutrale Sicherstellung der Finanzierung derselben.
  5. Stärkung der Hausapotheken durch Novellierung des Apothekengesetzes (Erleichterung von Neugründungen, Schutz bei Übergabe von Ordinationen, Regelung geographischer Sonderfälle, etc.)

Hintergrundinformation:

Dem Land gehen die Ärzte aus!

Ein Ärztemangel kommt schleichend auf die ländlichen Regionen Kärntens zu. Nahezu die Hälfte der niedergelassenen Landärzte geht in den nächsten Jahren in Pension. umfassende Maßnahmen zum Erhalt der ärztlichen Versorgung am Land notwendig.
Laut Ärztekammer betreuen derzeit in Kärntens Landgemeinden ca. zehn Ärzte 20.000 Einwohner. Laut Prognosen würden aber in zehn Jahren nur noch drei Landärzte für 20.000 Einwohner zuständig sein. Kärnten steuert damit in den ländlichen Gebieten leeren Arztpraxen entgegen. Die Alterspyramide bei den Ärzten steht auf dem Kopf und Nachwuchs mit Jungärzten ist oft nicht in Sicht. Die Ärztekammer spricht in diesem Zusammenhang bereits von einer Gefährdung der die Gesundheitsversorgung in den ländlichen Gemeinden Kärntens. Die Gründe für den absehbaren Ärztemangel sind vielschichtig. Einerseits zeichnet sich seit Jahren ein Mangel an Turnusärzten ab. Es kommen immer weniger Ärzte von den Universitäten nach. Hier wirken die Zugangsbeschränkungen zum Medizinstudium ebenso negativ, wie die Tatsache dass viele Medizinstudenten in Österreich aus Deutschland kommen und nach der Ausbildung auch wieder in ihr Heimatland zurückkehren.

Darüber hinaus werden die Rahmenbedingungen für die Landärzte immer schwieriger – und der Job somit unattraktiv. Die Arbeitsbelastung ist hoch und erreicht oft 70 Wochenstunden oder mehr, weil neben den Öffnungszeiten der Ordination viele Hausbesuche zu absolvieren sind. Für Medizinerinnen ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nur schwer möglich, da für freiberufliche Medizinerinnen kein Anspruch auf Karenz oder Wochengeld besteht.
Natürlich spielen auch die Einkommensaussichten für Jungärzte eine große Rolle. Mit der derzeitigen Abrechnung pro Patient rechnen sich stark frequentierte Stadt-Praxen mehr als Land-Praxen. Darüber hinaus schwelt seit Jahren ein Streit um die Führung der Hausapotheke durch die Ärzte, welche eine Zuverdienst-Möglichkeit darstellt. Seit der Novellierung des Apothekengesetzes im Jahr 2006 ist vorgesehen, dass Jungärzte keine Medikamente mehr verkaufen dürfen, wenn die nächste Apotheke weniger als 6km entfernt ist. Dadurch wird den Jungärzten die Perspektive genommen, nach einer Übernahme die Praxis mit ähnlichen finanziellen Einkünften wie der Vorgänger weiter zu führen.

„Sowohl im Arbeitsüberkeinkommen der Bundesregierung als auch im Regierungsprogramm der Kärntner Landesregierung wird die dezentrale, wohnortnahe medizinische Versorgung als Ziel definiert. Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene wurden bisher jedoch kaum gesetzt. Die Politik ist nun rasch gefordert durch geeignete Maßnahmen ein „Landärzte-Sterben“ zu vermeiden“ so der Präsident des Ökosozialen Forums Kärnten ÖR Walfried Wutscher. „Eine wohnortnahe ärztliche Versorgung ist Grundlage für die Lebensqualität am Land. Ohne eine flächendeckende medizinische Versorgung wird die Abwanderung beschleunigt und der ländliche Raum weiter ausgedünnt.“ so der Präsident weiter.


Rückfragehinweis:
DI Mag. Bernhard Rebernig, Geschäftsführer Ökosoziales Forum Kärnten (kaernten@oekosozial.at; 0676/ 83 555 347)