Veranstaltungsnachlese „Fleisch aus dem Labor: Bauern oder Konzerne – wer ernährt die Welt?“

Allgemein Nachlese Veranstaltungen

Am 7. Februar 2024 hat das Ökosoziale Forum Kärnten gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer Kärnten und den Kärntner Bäuerinnen in das Bildungshaus Schloss Krastowitz zu einer Diskussion zum Thema Laborfleisch eingeladen. Rund 100 Teilnehmer:innen haben die Veranstaltung vor Ort mitverfolgt und knapp 300 Teilnehmer:innen online via Zoom.

DI Mag. Bernhard Rebernig und Landesbäuerin Astrid Brunner – Begrüßung

Bernhard Rebernig, Präsident des Ökosozialen Forum Kärnten, hält bei seiner Begrüßung klar fest, das Laborfleisch dem Ökosozialen Forum Kärnten, der Landwirtschaftskammer Kärnten und den Kärntner Bäuerinnen nicht schmeckt. Es bringt die bäuerliche Landwirtschaft in Gefahr und die Lebensmittelversorgung in die Abhängigkeit großer Konzerne. Deshalb haben die drei Veranstalter mit einem gemeinsamen Brief den Kärntner Landtag dazu aufgefordert sich – auch gegenüber der Bundesregierung – gegen Laborfleisch zu positionieren.

Landesbäuerin Astrid Brunner hielt in ihren Grußworten fest, dass es nicht dazu kommen darf, dass wir unsere Versorgungssicherheit von bäuerlichen Betrieben an multinationale Konzerne übergeben. In Kärnten betreiben rund 7.000 der 10.000 Betriebe Rinderhaltung und verwandeln dabei Grünland in hochwertige Lebensmittel. Ohne bäuerliche Viehhaltung würden die Bergregionen binnen weniger Jahre mit Wald zu zuwachsen. Zum Erhalt der Grünland- und Bergwirtschaft hat die Landwirtschafskammer Kärnten daher letztes Jahr eine Resolution für das Verbot von Laborfleisch verabschiedet. Es liegt aber auch in der Verantwortung der Konsument:innen, die mit ihrem Kaufverhalten entscheiden, wie die Landwirtschaft und Landschaft in Zukunft aussieht.


Dr. Aleksandra Fuchs – Kultiviertes Fleisch – Herstellung & aktuelle Entwicklungen

Zu Beginn ihres Vortrags weist Dr. Aleksandra Fuchs darauf hin, dass der in der Wissenschaft gängige Betriff für Laborfleisch „künstliches Fleisch“ ist. Sie sieht die benötigte Fläche als zentralen limitierenden Faktor der klassischen Fleischproduktion, da der globale Fleischkonsum bis 2050 um weitere 40% steigen wird, aber schon heute fast die Hälfte der weltweiten Agrarflächen benötigt. Der Blick in die Vergangenheit zeigt, dass es immer bevor sich die Weltbevölkerung erhöht hat eine technologische Revolution gegeben hat. Eine solche technologische Revolution braucht es auch heute. Da Rinder im Vergleich zu Schweine und Geflügel, so Fuchs, am meisten Platz und Wasser verbrauchen, habt kultiviertes Rindfleisch das größte Potenzial. Zur Herstellung von Laborfleisch werden aus Muskelproben von lebendigen oder toten Tieren Muskelstammzellen hergestellt, welche im Nährmedium in einem Bioreaktor zu Muskelfasern heranwachsen. Somit kann aus einer Heidelbeer-großen Muskelprobe bis zu 200 kg kultiviertes Fleisch entstehen. In Verbindung mit ebenfalls kultivierten Fettzellen könnte mittels 3D-Drucker ein Steak gedruckt werden, welches jedoch in der Konsistenz mit einem echten Steak noch nicht vergleichbar ist. Zum zeitnahen Ersatz von fetalem Kälberserum (aus dem schlagenden Herz eines ungeborenen Kälberfötus gewonnen) wird an Nährmedien auf Basis von Salzen und Aminosäuren geforscht. Eine weitere Herausforderung ist derzeit noch der Energiebedarf, da u.a. viel Wärme entsteht, weshalb der Bioreaktor laufend gekühlt werden muss. Fuchs zeichnet ihre Zukunftsvision wo Landwirt:innen Rinder als Muskelstammzellenspender halten, am Acker Komponenten für das Nährmedium produzieren und auf dem Stalldach PV-Anlagen betrieben, um die darin befindlichen Bioreaktoren zu betreiben. Das ACIB-Institut der Universität Graz sucht derzeit Landwirt:innen, welche an einem EU-weiten Projekt zu sozioökonomischen Auswirkungen von kultiviertem Fleisch mitwirken wollen.


Dr. Christian Dürnberger – Laborfleisch aus der Sicht der Tierethik

Dr. Christan Dürnberger ging in seinem Vortrag gesellschaftlichen und ethischen Fragen rund um das Thema Laborfleisch nach. Wird man künftig auf Produkten den Schriftzug „Kärntner Schmankerl aus deinem Labor vor Ort“ lesen? Der Blick in die Zukunft ist noch sehr vage, aber klar ist, dass Konsumentinnen und Konsumenten mit ihrem Kaufverhalten maßgeblich mitentscheiden werden was und wie in Zukunft produziert wird. Doch wie entscheiden wir als Individuen und Gesellschaft überhaupt was wir essen und trinken? Es geht hierbei, so Dürnberger, zuallererst um Werte. Insgesamt geht er auf 12 Kriterien ein, welche aus philosophischer Sicht in der Diskussion rund um Laborfleisch zu beachten sind. Ein zentrales Kriterium ist die „Gewohnheit“, da wir essen was wir kenn. Daher kommt uns in Österreich das Schwein am Teller als etwas Normales vor, während es uns vor Insekten ekelt. Ebenso nicht zu unterschätzen ist der „Status“ des Essens. Wird Laborfleisch künftig ein Statussymbol, ein Essen für die Elite werden, oder das Essen für arme Bevölkerungsschichten, da diese sich das „echte“ Fleisch nicht mehr leisten werden können? Der Blick auf das Kriterium „Gesundheit“ zeigt, dass die Wissenschaft seit 24 Jahren sagt, dass Gentechnik keine Gesundheitsrisiken für Menschen mit sich bringt. Dennoch schätzen bis zu 70% der Österreicher:innen gentechnisch modifizierte Lebensmittel als Gefahr für die eigene Gesundheit ein. In Bezug auf das Kriterium „Natürlichkeit“ führt Dürnberger aus, dass das was natürlich wahrgenommen wird, einem als „normal“, „vertraut“ bzw. „besser“ vorkommt. Doch was ist natürlich? Mais und Kartoffeln, obwohl noch keine 500 Jahren Teil des Landschaftsbilds in Europa? Die Beispiele zeigen, dass Natürlichkeit nicht in Stein gemeißelt ist und sich innerhalb weniger Generation ändern kann. Das Kriterium „Tierwohl“ steht immer öfter im Mittelpunkt der gesellschaftlichen Erwartungen an die Landwirtschaft, wo die tierethische Komponente dominiert. Während tierethische Strömungen, die sagen, dass Nutztierhaltung per se unmoralisch ist, Laborfleisch wohl begrüßen werden, werden tierethische Strömungen, die sagen, dass es besser ist bis zur Schlachtung ein gutes Leben zu leben, als gar nicht existiert zu haben, Laborfleisch wohl eher ablehnen.


DDr. Dietmar Rösler – Convenience Food – Zeitgewinn oder Wertverlust?

DDr. Dietmar Rösler gibt zu bedenken, dass unserer Gesellschaft von Übergewicht und Fettleibigkeit, vor allem bei männlichen erwerbsfähigen Personen, geprägt ist, aber gleichzeitig bei immer mehr Menschen ein Mangel an Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen vorliegt. Dieser Mangel bereitet oft erst im fortgeschrittenen Alter zunehmende Probleme.. Als Ursache für diese Mängel an Mikronährstoffen vermutet Rösler den immer stärker zunehmenden Anteil an (hoch-)verarbeiteten Lebensmitteln. So weisen Fertig-Kartoffelpüree aus dem Packerl oder Toastbrot beispielsweise um bis zu 80% weniger Minieralien und Spurenelementen auf, als wenn man diese selbst zubereiten würde. Fertig-Kartoffelpüree – so Rösler – sollte eigentlich entmineralisierte Kartoffelstärke heißen. Auch Fertig-Tomatensuppen enthalten nur noch ein Minimum an Folsäure und Beta-Carotin in Vergleich zu frischen Tomaten. Wir leiden an Mangel im Überfluss, da Convenience-Produkte zwar hochkalorisch, aber fast ohne Spurenelemente sind. Außerdem brach Rösler eine Lanze für Rindfleisch, welches, wenn auf der Weide gehalten, extrem nährstoffreich, auch an Mineralen und Spurenelementen, ist. pauschalen Behauptung „rotes Fleisch ist ungesund“ kann er daher wenig abgewinnen. Die Herkunft und das Leben des Tieres sind entscheiden, nicht die Farbe vom Fleisch. In Bezug auf Laborfleisch ist Rösler skeptisch, ob das Nährmedium das ganze Bouquet an Spurenelementen, Mineralien und Vitaminen enthält, welches ein Rind auf der Weide zu sich nimmt. Derzeit scheint es eine schwache Kopie von echtem Fleisch zu sein. Auch in Bezug auf die zugeführten Wachstumsfaktoren äußert sich Rösler kritisch, da diese nach dem Konsum ungeplante Wachstumsprozesse im Menschen auslösen könnten. Also planetary health auf Kosten von individual health? Die bisherige Lebensmittelforschung zeigt jedenfalls, dass mit zunehmenden menschlichen Eingriff in Lebensmittel deren Nährwertigkeit abnimmt.


Diskussion

Die einleitende Umfrage unter den Online-Teilnehmer:innen zeigt, dass rund 80% für ein Verbot von Laborfleisch sind, 15% für eine Zulassung und 5% haben sich noch keine abschließende Meinung gebildet.

Fuchs zeigt sich in der Diskussion wenig überrascht, dass die Vorbehalte gegenüber Laborfleisch groß sind. Die Forderung aus dem Publikum nach einem Markenschutz für das Wort „Fleisch“ als vom geschlachteten Tier kommend und nicht aus dem Bioreaktor sieht sie als Frage der Politik und nicht der Wissenschaft. Derzeit fokussiert sich die Forschung auf die Suche nach Komponenten für das Nährmedium, welche nicht in Konkurrenz zur menschlichen Ernährung stehen. Laborfleisch soll aus ihrer Sicht die klassische Landwirtschaft nicht ersetzten, sondern ergänzen, sofern die Kosten für Laborfleisch entsprechend konkurrenzfähig werden. Fuchs ist jedoch überzeugt, dass aufgrund der Rohstoffbereitstellung für das Nährmedium ein zusätzliches Standbein für die Landwirtschaft darstellen kann. Bei jedem technologischen Fortschritt waren die Vorbehalte anfangs groß, auch als die ersten Traktoren aufkamen.

Brunner unterstreicht, dass mit Laborfleisch kein Klimaproblem gelöst wird, da in Österreich und in Kärnten die Rindfleischproduktion schon heute den geringsten CO2-Fußabdruck der EU verursacht.

Josef Fradler, Obmann von Kärntner Fleisch, streicht hervor, dass bei einem Grünlandanteil von über 50% in Österreich die Rinderhaltung auch in Zukunft unabkömmlich ist, da nur Wiederkäuer es schaffen aus dieser nicht verzehrbaren Biomasse hochwertige Nährstoffe und mineralienreiches Eiweiß für den menschlichen Verzehr herzustellen. Eine Weiterentwicklung in der Landwirtschaft ist nie verkehrt, aber es darf die Landwirtschaft durch Weiterentwicklung nicht abgeschafft werden. Außerdem bedarf es einer transparenten Information an die Konsument:innen, denn schlussendlich entscheiden diese was und wie in Zukunft produziert wird.

Rösler gibt zu bedenken, dass Pflanzen, von welchen die Bestandteile des Nährmediums gewonnen werden, Energie ganz anders produzieren als Tiere, was sich auch auf die Zusammensetzung an Vitamine, Minerale und Spurenelemente auswirkt. Diese dann nachträglich in das Laborfleisch zu impfen schätzt er als höchst kostspielig an.