Hier können Sie das Webinar nachsehen:
http://www.facebook.com/oekosozialesforumooe
https://vimeo.com/manage/videos/670317675/6b85b199b8
Von Fast bis Fair Fashion: Welche Mode ist tragbar?
Das Ökosoziale Forum OÖ lud am vergangenen Dienstag, 25. Jänner 2022, zur Online-Veranstaltung „Von Fast bis Fair Fashion: Welche Mode ist tragbar?“ Vier Referentinnen motivierten in ihren eindrucksvollen Vorträgen die Zuseherinnen und Zuseher, die eigene Garderobe auf Nachhaltigkeit umzukrempeln. Sie erklärten aufrüttelnd, welche Auswüchse unser Kleiderkonsumwahn hat und welche unterschiedlichen Auswege es aus diesem Dilemma gibt.
Die Veranstaltung zeigte: Die Konsumentinnen und Konsumenten haben schon jetzt viele verschiedene Möglichkeiten, auch bei ihrer Garderobe einen nachhaltigen Lebensweg einzuschlagen und sich mit ökologisch verträglicher und sozial gerechter Kleidung auszustatten. Aber auch die Politik ist gefordert, entsprechende Gesetze und Rahmenbedingungen zu schaffen.
- Die Veranstaltung ist über die Facebookseite des Ökosozialen Forums OÖ nachzusehen:
www.facebook.com/oekosozialesforumooe
Dem Ökosozialen Forum geht es um das Zusammenspiel von Ökologie, Ökonomie und Sozialem. Ein Konzept, das auf viele Themen umlegbar ist – auch auf die Bekleidungsbranche. Dort scheint allerdings alles auf Wirtschaft und Profit ausgelegt zu sein. Immer mehr Kleidungsstücke werden immer billiger produziert und weniger lange getragen. Auf der Strecke bleiben Nachhaltigkeit, Transparenz, Umweltschutz und Arbeitsrechte. Deshalb hat sich das Ökosoziale Forum OÖ diesem Thema in einer Vortrags- und Diskussionsrunde gewidmet. „Auch beim Thema Kleidung zeigt sich: Total liberalisierte globale Märkte schaffen sehr viele Verlierer und nur wenige Gewinner“, so der Obmann des Ökosozialen Forums OÖ Landtagspräsident Max Hiegelsberger: „Mit den im Ökosozialen Forum OÖ gesetzten Themen wollen wir Lösungswege zeigen, wie unser Lebensstil nachhaltiger wird und wir damit ökologische und soziale Standards mitentwickeln können.“
Lisa Panhuber, Konsumexpertin bei Greenpeace: „Es braucht ein Lieferkettengesetz“
Lisa Panhuber, Konsumexpertin bei Greenpeace, rüttelte in ihrem Referat die Zuseherinnen und Zuseher zunächst einmal mit Zahlen auf:
- Die Textilproduktion ist für bis zu 10 % der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich.
- Die Textil-Verkaufszahlen haben sich von 2002 bis 2015 fast verdoppelt. Wir kaufen heute 60 Prozent mehr Kleidungsstücke und tragen sie halb so lange wie vor 15 Jahren.
- Der Ultra Fast Fashion Konzern Shein bringt jeden Tag 5000 neue Kleidungsstücke in den Shop.
- 60 % der Kleidung wird aus synthetischen Fasern (Plastik) hergestellt.
- Die Alttextilien pro Kopf haben sich in AT in den letzten 20 Jahren verfünffacht.
- Fast die Hälfte der Kleidungsstücke, die auf afrikanischen Second Hand Märkten landen sind unbrauchbar.
- Rund ein Drittel der gebrauchten Kleidung wird in Österreich downgecycelt und nur ein Prozent wird wirklich recycelt.
Panhuber zeigte aber auch Lösungswege aus diesem Dilemma auf: „Die Lösung ist, dass wir versuchen, das Modell zirkulärer aufzubauen. Das heißt, dass wir Dinge viel länger verwenden müssen und sie erst ganz am Ende, wenn wir sie schon lange genutzt haben, recycelt werden.“ Greenpeace fordert aber vor allem auch die Politik auf, tätig zu werden: „Es ist nicht zielführend, wenn wir nur die Konsumentinnen und Konsumenten in die Verantwortung nehmen. Für diese ist es oft gar nicht so einfach, nachhaltig produzierte Kleidung zu erkennen. Die Politik muss endlich tätig werden: Es braucht ein Lieferkettengesetz – auf EU-Ebene.“ Dieses müsse regeln, dass Unternehmen für ihre Umweltvergehen und sozialen Vergehen in der Lieferkette zur Verantwortung gezogen werden. Produkte, die aus Kinderarbeit oder durch Sklaverei entstehen, dürften gar nicht in den Regalen sein. Zudem brauche es, so Panhuber, Förderungen für neue Modelle in der Bekleidungsbranche, noch mehr Gesetze gegen Chemikalienverwendung und ein Verbot von Warenvernichtung.
Panhubers Tipp für die Konsumentinnen und Konsumenten für den Kleiderkauf: „Weniger, langlebig, ökologisch und fair produziert und Greenwashing erkennen.“
Caroline Ledl, Head of Product Management Textiles, Lenzing AG: „Neue Stoffe im Stoff: Fasern aus Holz statt Erdöl“
Die oberösterreichische Firma Lenzing AG produziert Fasern aus Holz – unter den Markennamen „Tencel Lyocell“ und „Tencel Modal“. Diese sind die bessere Alternative zu Kunstfasern, also zB Polyester, für dessen Erzeugung Erdöl, also ein nicht erneuerbarer Energieträger, gebraucht wird. (Anmerkung zum Fasermarkt: ca. 65 % Kunstfasern (Polyester, …), ca. 26 % pflanzenbasierte Fasern (Baumwolle, …), ca. 6 % holzbasierte Zellulosefasern (Viskose, Lyocell, Tencel, …)). Das Unternehmen ist weltweit vernetzt und präsent.
„Wir nutzen Holz als Rohstoff. Das alleine reicht uns aber nicht. Unsere Verantwortung geht natürlich weiter: D.h. für das von uns genutzte Holz haben wir Zertifikate und es wird kein Regenwald abgeholzt. Wir schauen uns an, woher wir die Energie für unsere Produktion nehmen und auch beim Thema Chemikalien wollen wir natürlich immer besser werden. Die Kreislaufwirtschaft ist für uns ein sehr wichtiges Thema. Unsere Produkte sind biologisch abbaubar“, so Caroline Ledl.
Michaela Gahleitner, Head of Design, Modelabel „Vresh“, Linz:
Michaela Gahleitner ist Mitbegründerin des Unternehmens „Vresh“. Dessen Ziel ist, die Textilproduktion zurück nach Europa zu holen. Das Motto ihres Modelabels ist, nachhaltige, schlichte Mode fair produziert und leistbar anzubieten. „Je schlichter das Design, desto weniger schnell kommt es aus der Mode und wird damit länger gebraucht“, so Gahleitner. Neben „Vresh“ wurde auch das Unternehmen „Das Merch“ gegründet, mit dem Firmen, Vereine, Bands, … mit Mitarbeiter- bzw. Vereinskleidung ausgestattet werden. „Wir wollen den Textilien mehr Wert geben. Wenn man weiß, wieviel Zeit und Ausdauer hinter einem T-Shirt stecken, ist es unverständlich, dass ein T-Shirt im Verkauf unter fünf Euro kostet“, so Gahleitner.
Die Motivation, in der Bekleidungsindustrie Fuß zu fassen, war das Faktum, „dass zuviele Hände im Modebereich mitverdienen und in der Produktion viel zu wenig bleibt“, sagt Gahleitner. Gemeinsam mit ihren Kollegen wollten sie etwas anders machen, wobei Gahleitner aber nicht verschweigt, dass es auch viele Herausforderungen gab und gibt, was zB die Lieferzeiten oder den Zertifikate-Erwerb betrifft.
Produziert wird nun in Portugal, die Produktionskette besteht aus lauter Familienbetrieben im Umkreis von 50 Kilometern. Die Arbeiterinnen und Arbeiter werden fair bezahlt und es gibt immer einen direkten Kontakt. Etwas, das Gahleitners Unternehmen auszeichnet, ist, dass nichts „auf Lager“ produziert wird. „Bei Merch wird mit den Firmen gemeinsam das Design besprochen und dann erst produziert. Das bedeutet aber auch acht bis zehn Wochen Lieferzeit. Bei Vresh wird bei der Implementierung neuer Produkte nur eine kleine Testmenge produziert. Kommt das Produkt gut an, wird nachproduziert“, so Gahleitner. Sie sieht sich mit ihren Unternehmen noch lange nicht am „Ende der Reise“, aber sie versuche „einen Schritt in die richtige Richtung zu tun“ und hofft, „dass viele mitziehen“.
Ingrid Gumpelmaier-Grandl, Gründerin und Kopf des Modelabels Fairytale Eferding: „Nachhaltige Fairänderung braucht Globale Fairness – Entwicklungszusammenarbeit in der Textilproduktion am Beispiel Nepals“
Ingrid Gumpelmaier-Grandl verfolgt mit „Fairytale“ ein anderes Konzept: Die Produktion wird in den klassischen Produktionsländern, im konkreten Fall in Nepal, belassen und dort versucht, soziale und Umweltstandards zu etablieren, um den Menschen vor Ort zu helfen. „Die Produktion in den klassischen Produktionsländern in Asien hat einen schlechten Ruf – Umweltverschmutzung und Arbeitsrechtsverletzung stehen an der Tagesordnung. Für uns ist es aber ganz wichtig, dass man die Menschen in den klassischen Produktionsländern nicht alleine lässt, sondern sie auf ihrem Weg in eine nachhaltige Zukunft begleitet“, so Gumpelmaier-Grandl in ihrem Plädoyer für eine globale Fairness.
„In Nepal begegnet man einfach purer Armut“, sagt Gumpelmaier-Grandl und erklärt mit anschaulichen Bildern, wie in den kleinen Manufakturen Kleidung produziert wird. Gemeinsam will sie die Manufakturen Stück für Stück modernisieren und mit fairem Handel „Einkommen sichern, die Menschen zukunftsfit machen und so auch Krisen meistern.“ Es geht also auch um Entwicklungszusammenarbeit, was zum Beispiel mit dem Bau einer Photovoltaikanlage in den Produktionsstätten ersichtlich wird oder damit „dass wir den Frauen ein Karenzgeld zahlen oder den Zulieferern lernen, wie man giftfrei färbt“, erzählt Gumpelmaier-Grandl.
Auch in der anschließenden Diskussion wurden mit den Referentinnen weitere wichtige Themen erläutert sowie Fragen aus dem Online-Publikum beantwortet: Wie man es zB schafft, gerade junge Menschen für ökologisch verträglich und sozial gerecht hergestellte Kleidung zu sensibilisieren (Bildung in den Schulen!), wie nachhaltige Mode in die breite Masse kommen soll und welche Rolle das Preisargument spielt.