Der Spielraum für Wirtschaftspolitik wird enger. Unternehmen und KonsumentInnen brauchen eine stärkere Berechenbarkeit der Rahmenbedingungen. Eine langfristige wirtschaftspolitische Vision – abseits von Wahlzyklen und Wahlzuckerln – könnte einen wichtigen Beitrag liefern. Zumindest diese Botschaft dürfte auf politischer Ebene angekommen sein.
Manchmal scheint die Wirtschaft wie ein Flipper-Spiel. Kaum ist die Kugel aus der Gefahrenzone hinausgeschossen, nimmt sie kurz Fahrt auf und rollt dann schon wieder zurück. Österreich hat die Wirtschaftskrise anfänglich recht gut überstanden, scheint jedoch immer mehr an positiver Dynamik einzubüßen. Während die Deutschen aktuell die geringste Arbeitslosigkeit seit der Deutschen Wiedervereinigung vermelden und auch europaweit die Arbeitslosenzahlen sinken, verzeichnet Österreich einen Anstieg. Auch wenn Österreich immer noch eine der niedrigsten Arbeitslosenraten in der EU aufweist, die Entwicklung fügt sich in ein insgesamt nicht unbedingt optimistisches Bild. Die österreichische Wirtschaft – so der Befund der Wirtschaftsforscher – kommt momentan nicht so recht vom Fleck. Im Jahresabstand schrumpfte die heimische Wirtschaftsleistung im 4. Quartal 2014 real um 0,2 Prozent.
Hauptschuld daran hat, so die Analyse des WIFO, die flaue Konsumnachfrage. Die Entwicklung der Realeinkommen lässt privaten Haushalten wenig Spielraum für mehr Konsumausgaben. Die Reallöhne stagnieren. Seit 1998 sind die Einkommen der unselbstständig Erwerbstätigen inflationsbereinigt um vier Prozent gesunken – wobei jene der Niedrigverdiener noch weit stärker zurückgingen. Also jene Bevölkerungsgruppe, die Einkommensgewinne am ehesten in den Konsum investiert.
Nicht nur die KonsumentInnen geben weniger Geld aus, auch die heimischen Unternehmen halten sich mit Investitionen derzeit zurück. 2014 gaben die Bruttoanlageinvestitionen gegenüber dem Vorjahr um 1,5 Prozent nach. Der Bank Austria Purchasing Managers’ Index sieht diese Entwicklung auch noch zu Beginn des laufenden Jahres anhalten.
Investitionen und Berechenbarkeit
Für WIFO und IHS hat die Konjunkturschwäche in Österreich auch hausgemachte Ursachen. Die Empfehlungen sind klar: Es braucht Investitionsanreize und eine langfristige Berechenbarkeit der Rahmenbedingungen. Die Regierung hat – so der Befund – versäumt, wachstums- und standortsichernde Reformen umzusetzen. Anreize, damit Unternehmen in grüne Technologien investieren, sind dabei ebenso wichtig wie eine Entlastung des Faktors Arbeit. Auch die OECD konstatiert einen Reformstau. Und gerade angesichts der schwindenden fiskalischen Spielräume sind Strukturreformen Voraussetzung für ein nachhaltigeres Wachstum.
Das Problembewusstsein und die Botschaft der Ökonomen sind nun offensichtlich auf politischer Ebene angekommen. Mit der nun geplanten Steuerreform steht den österreichischen ArbeitnehmerInnen ab 2016 mehr Geld zur Verfügung. Ob der Plan einer Konjunkturankurbelung durch Konsum tatsächlich aufgehen wird, hängt vor allem auch von der wirtschaftspolitischen Grundstimmung ab. Optimismus ist notwendig, selbst wenn dieser nicht unbedingt als klassische österreichische Eigenschaft gilt.
Optimismus setzt Vertrauen in die Zukunft voraus. Für Investitionen von Unternehmen in neue, innovative Technologien – gerade diese sind in Hochlohnländern wie Österreich nötig, um die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu erhalten – wird in der Regel ein Zeithorizont von mehr als zehn Jahren angenommen. Der Mut, größere Investitionen zu tätigen, wird durch berechenbare Rahmenbedingungen gefördert – doch diese sind rar. Darin liegt auch ein Grund, warum viele Unternehmen derzeit „auf Sicht fahren“ und Zukunfts-Investitionen aufschieben. Darüber hinaus haben die Basel-III-Vorschriften die Kreditvergabe aufgrund der strikten Bonitätsprüfungen dramatisch eingeschränkt. Daher werden diese heute teilweise als Hemmschuh für eine schnelle wirtschaftliche Erholung gesehen. Ein politisch verlässliches und glaubwürdiges Bekenntnis zu einem längerfristigen Reformpfad wäre hilfreich – für die Wirtschaft, aber auch für die Banken. Die politischen Entscheidungsträger sollten sich zumindest ansatzweise auf eine gemeinsame Vision verständigen und diese – wenn auch mit unterschiedlichen politischen Akzentuierungen – über eine Legislaturperiode hinaus glaubhaft kommunizieren und politisch durchhalten.
Arbeitsplätze schaffen
Die EU will solche Anreize setzen: Die Investitionsoffensive von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker soll in den nächsten drei Jahren Investitionsmittel in Höhe von rund 300 Milliarden Euro für die Belebung der Investitionstätigkeit in Europa zur Verfügung stellen, um auf diese Weise neue Arbeitsplätze zu schaffen. Private und öffentliche Mittel sollen vorrangig in Infrastrukturmaßnahmen, in die Bildung, Forschung und Innovation und in die Förderung der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz fließen. Es gilt – so der Plan – in großem Maßstab Geld für die Realwirtschaft zu mobilisieren und damit Arbeitsplätze für die junge Generation zu schaffen.
Wenn diese Pläne aufgehen und mit weiteren Reformen und Initiativen langfristige Signale gesetzt werden, könnte ein positiver Schwung entstehen. Zentral dafür ist, dass die Beteiligten auch daran glauben. Denn wie in der Wirtschaft, so auch beim Flippern ist die Überzeugung wichtig, die Kugel im Spiel halten zu können.