Bodenverluste nehmen weltweit zu. Trotz Bewusstseinswandel schreitet die Entwicklung ungebremst fort. Ein Trend, der die Nahrungsmittelversorgung weiter an ihre Grenzen bringen könnte.

Die Oberfläche unserer Erde umfasst 510 Millionen Quadratkilometer. Weniger als ein Drittel davon entfällt auf Landfläche und lediglich zwölf Prozent der Erdoberfläche sind landwirtschaftlich nutzbar. Und täglich wird die Fläche, die eine stetig wachsende Weltbevölkerung ernähren soll, weniger. Laut Klaus Töpfer, dem Chef des Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam, gehen weltweit pro Jahr 20 Milliarden Tonnen Boden verloren. Jahr für Jahr zerstört die Menschheit weltweit Ackerund Weideflächen in der Größe von Österreich und zusätzlich noch einmal Niederösterreich.

Die Problematik dringt langsam an die Öffentlichkeit. Seit 2002 gibt es den Internationalen Tag des Bodens, seit 2012 die Global Soil Week und das Jahr 2015 wurde zum Internationalen Jahr des Bodens proklamiert. Doch trotz verschiedener nationaler und internationaler Bekenntnisse zum Bodensparen bzw. zur Begrenzung des Flächenverlusts verliert die Menschheit nach wie vor an fruchtbarem Boden. Die Ursachen sind vielfältig und reichen von Verbauung über Wassermangel bis zu falscher Bodenbearbeitung.

Bodenverlust weltweites Problem

169 Länder sind – nach eigenen Angaben – von Bodendegradation betroffen, sagt Monique Barbut, Chefin des UN-Wüstensekretariats. Nach unterschiedlichen Schätzungen sind zumindest ein Drittel bis die Hälfte aller landwirtschaftlich genutzten Böden weltweit bereits geschädigt. Wenn Böden unfruchtbar werden und nicht mehr die Grundlagen für menschliches Leben bereitstellen können, sind Menschen zur Abwanderung gezwungen. Die direkten Zusammenhänge zwischen Desertifikation und Migration sind erst kürzlich auf dem Radar der zuständigen Instanzen aufgetaucht. Das UN-Wüstensekretariat rechnet bis zum Jahr 2050 mit 50 bis fast 700 Millionen Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen, weil ein Leben dort nicht mehr möglich ist. Bodenverlust ist nicht nur ein Umweltproblem, es wird zunehmend auch immer mehr zum sozialen Sprengstoff. Vergleicht man eine Karte mit den Regionen, die besonders von Desertifikation betroffen sind, und eine mit den Hochburgen der Terrororganisationen Islamischer Staat und Boko Haram, fallen die Überschneidungen im Nahen Osten und Afrika ins Auge.

Teufelskreis Bodenverlust-Klimawandel

Böden ernähren nicht nur die Menschheit, sie sind darüber hinaus – nach den Ozeanen – der größte Kohlenstoffspeicher. Gleichzeitig trägt die Bodennutzung durch Treibhausgase zum Klimawandel bei. Beim geplanten UN-Klimaabkommen, das Ende des Jahres in Paris verabschiedet werden soll, wie auch in den nachhaltigen Entwicklungszielen, die – so der Plan – im Oktober in New York beschlossen werden, sollen Bodennutzung und Bodenschutz eine wichtige Rolle spielen.

Denn immer weniger der fruchtbaren Flächen müssen die Bedürfnisse von immer mehr Menschen stillen: Rein statistisch stehen jedem Menschen derzeit nur noch 0,22 Hektar Ackerland für die Ernährung zur Verfügung. 1960 war es noch mehr als doppelt so viel. Mit wachsender Weltbevölkerung und fortschreitenden Bodenverlusten wird sich die Situation verschärfen.

Probleme nicht nur in Trockengebieten

Während in Afrika oder China fruchtbarer Boden durch Überweidung, Erosion sowie die durch den Klimawandel verstärkte Wüstenbildung verloren geht, sind die Hauptursachen für die Verluste in Europa Flächenversiegelung, Bodenverdichtung oder falsche Landbewirtschaftung. Der jährliche Bodenverbrauch der EU entspricht mit rund 1.000 Quadratkilometern fast der Fläche aller österreichischen Landeshauptstädte zusammen. Dabei gehört Österreich zu den am stärksten zersiedelten Ländern Europas, der Flächenverbrauch pro Kopf ist bei uns doppelt so hoch wie in Deutschland. Die tägliche Flächeninanspruchnahme in Österreich betrug im Durchschnitt von 2012 bis 2014 rund 19 Hektar am Tag (laut Umweltbundesamt) und liegt damit fast auf dem Achtfachen des angepeilten Werts; die Nachhaltigkeitsstrategie würde eine Begrenzung auf täglich 2,5 Hektar vorsehen. Allein für Bau- und Verkehrsflächen wurden im vergangenen Jahr in Österreich 27 Quadratkilometer verbraucht. Für die Lebensmittelproduktion, als CO2 -Speicher oder Lebensraum stehen diese Flächen jedenfalls nicht mehr zur Verfügung.

Eine Eigenversorgung mit Nahrungsmitteln ist in Österreich unter den aktuellen Rahmenbedingungen nicht möglich, da die Ackerflächen einfach nicht ausreichen, fasst Matthias Zessner von der TU Wien das Problem zusammen (Grünlandflächen für die Viehwirtschaft sind noch ausreichend vorhanden). Wir benötigen also in hohem Maß Flächen außerhalb unseres Landes für unsere Versorgung. Zum Teil in Ländern, die Landwirtschaft unter schwierigeren bzw. sozial und ökologisch strittigen Bedingungen betreiben.