WT Sujetbild Schweinehaltung

Mittwoch, 2. Februar 2022 – 13:30 bis 15:45 Uhr
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Die Schweinehaltung befindet sich nicht erst seit der Corona-Pandemie im Umbruch. Sie hat mit einer zunehmend intensiver geführten Tierwohldebatte, niedrigen Preisen und einer schwierigen Marktsituation zu kämpfen. Die Expertinnen und Experten diskutierten am Fachtag Schweinehaltung der Wintertagung 2022 daher Möglichkeiten und Chancen sowie Lösungsansätze für mehr Tierwohl. Sie kamen überein, dass es eine Herkunfts- und Tierwohlkennzeichnung, Unterstützung und Anreize durch politische Programme und Initiativen sowie ein ganzheitliches Denken braucht. Die Beiträge in der Mediathek beleuchten Aspekte der Herkunfts- und Tierwohlkennzeichnung sowie der Tiergesundheit.

Pernkopf: Herkunftskennzeichnung fördert Tierwohl-Ausbau 

Der Präsident des Ökosozialen Forums Österreich & Europa, Stephan Pernkopf, betonte, dass die Schweinbranche mit einer Vielzahl an Herausforderungen zu kämpfen hatte und hat: „Steigende Betriebsmittelpreise, die öffentliche Tierwohl-Diskussion, die Marktpreise und die häufig fehlende Wertschätzung für die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern setzen der Branche immens zu. Neben einer Unterstützung der bäuerlichen Betriebe braucht es daher auch eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung. Wir ermöglichen damit, dass die Konsumentinnen und Konsumenten bewusst zu regionalen Tierwohl-Produkten greifen können. Nur wenn sie wissen, wo ein Produkt herkommt, wissen sie, wie es produziert wurde. Gleichzeitig bringt das Wertschöpfung, die in den Tierwohl-Ausbau investiert werden kann. Ich sage daher ganz klar: Ohne Herkunft gibt es keine Zukunft.“

Köstinger: Müssen Schweinebranche in herausfordernder Zeit unterstützen 

„Ein ganzes Schwein aus Deutschland ist aktuell um 50 Euro günstiger als eines aus Österreich. Das führt dazu, dass der Markt mit billigem Importfleisch überschwemmt wird und unsere schweinehaltenden Betriebe seit Monaten nicht mehr kostendeckend produzieren können. Jeder Handgriff im Stall bedeutet ein Minus am Konto. Diese Situation setzt unsere Bäuerinnen und Bauern unter Druck“, unterstrich die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, Elisabeth Köstinger. „Mit dem ‚Verlustersatz für indirekt Betroffene in der Landwirtschaft‘ für den Schweinebereich stehen zusätzlich 20 Millionen Euro zur Verfügung, die über die AMA abgewickelt werden. Gemeinsam mit den Erzeugerorganisationen haben wir damit eine Maßnahme geschaffen, um den betroffenen Betrieben zumindest einen Teil des Einkommensverlustes abgelten zu können und die angespannte Situation etwas zu entlasten.“

Windisch: Nur ganzheitliches Denken bringt bioökonomisch sinnvolle Lösungen 

Wilhelm Windisch, Ordinarius für Tierernährung an der Technischen Universität München und Vorsitzender des agrar- und forstwissenschaftlichen Beirats des Ökosozialen Forums, verwies eingangs seines Beitrags auf den aktuellen Diskurs über Nutztiere, der durch Verkürzungen bestimmt wird: „Es wird etwa behauptet, dass Nutztiere Nahrungsmittelkonkurrenten des Menschen sind. Der Pflanzenbau erzeugt aber überwiegend nicht essbare Biomasse. Bei der Produktion von 1 kg veganen Lebensmitteln werden 4 kg nicht essbare Biomasse in Form von Nebenprodukten wie Stroh oder Zwischenfrüchten erzeugt. Das ist ein enormes Kapitalvolumen, das wir im Kreislauf halten müssen. Auch die entzogenen Nährstoffe sollten wieder zurückgeführt werden. Alles zurück auf das Feld zu geben, ist nicht effizient. Eine Vergärung zu Biogas bringt Gärreste, die als Dünger verwendet werden können. Oder man verfüttert an Nutztiere. Sie fördern damit die Pflanzenproduktion und erzeugen zusätzliche Lebensmittel ohne Nahrungskonkurrenz. Es ist also genau umgekehrt. Nutztiere sind ein Booster der Lebensmittelproduktion – und zwar tierisch und vegan. Die Kombination der Produktion veganer Produkte mit der Verfütterung der Nebenprodukte an Nutztiere erzeugt ein Maximum an Lebensmitteln aus derselben Biomasse bei weitgehend unveränderten Emissionen. Denn Umweltwirkungen durch die Nutztierhaltung entstehen erst beim gezielten Anbau von zusätzlichem Futter oder durch die Umwidmung von essbaren Pflanzenkulturen zu Tierfutter.“

 Schlederer: Braucht wirtschaftliche Anreize und Bewerbung für Programme 

Johann Schlederer, Geschäftsführer des Verbands landwirtschaftlicher Veredelungsproduzenten und der Österreichischen Schweinebörse, ging in seinem Beitrag auf den Preisdruck ein, der durch die hohen Preise bei der Erzeugung und den Import von Billigfleisch vorgegeben ist. „Die EU beobachtet die Entwicklungen am Schweinemarkt und die unterschiedlichen Tierwohlprogramme seit geraumer Zeit. Man hat erkannt, dass es den Wunsch nach mehr Tierwohl gibt. Daher will die EU im Rahmen der Farm-to-Fork-Strategie in den nächsten Jahren einen Plan entwickeln, das Animal Welfare Labeling, das die gesamte Produktion umfassen soll. Aber das ist ein komplexer Prozess, eine Struktur für alle Länder zu schaffen, da es in einzelnen Ländern schon schwierig ist. Hinzu kommt, dass das Thema Tierwohl nicht in allen Ländern ernstgenommen wird. Das wird also alles seine Zeit brauchen.“ Für Österreich sieht er Chancen in einer sauberen Differenzierung, die „in den letzten Jahren auch gelungen ist. Es wurde ein Plan mit mehreren Stufen im AMA-Gütesiegel-System entwickelt. Das Ziel ist, bis 2032 einen Marktanteil von 20 bis 25 Prozent der obersten drei der insgesamt fünf Stufen zu erreichen. Es braucht neben einer einheitlichen Kennzeichnung aber auch eine entsprechende Bewerbung, damit die Konsumentinnen und Konsumenten Vertrauen zu den Programmen aufbauen.“

Deblitz: Müssen Standards stufenweise anheben, um Ziele zu erreichen 

Claus Deblitz, stellvertretender Institutsleiter Betriebswirtschaft am Thünen-Institut in Braunschweig, sprach in seinem Vortrag über den „Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland: Analyse der Vorschläge des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung (KNW)“: „Die Diskussion um Tierwohl ist eine zentrale Herausforderung für die Schweinebranche. Lösungsansätze dafür gibt es im Ordnungsrecht, durch den Markt und durch staatliche Programme. Ansätze im Ordnungsrecht führen dazu, dass die Produktion abwandert und Produkte mit niedrigen Standards und Probleme importiert werden. Marktlösungen – z.B. Labels wie Neuland oder der Initiative Tierwohl – haben eine geringe Marktabdeckung und entschärfen die Diskussion für die Schweinebäuerinnen und -bauern nicht. Bei den staatlichen Programmen gibt es das KNW, das freiwillig ist, drei Tierwohlstufen vorsieht und bei dem die entstehenden Mehrkosten bei der Umstellung kompensiert werden. Ein mögliches Szenario nach den Empfehlungen der Borchert-Kommission sieht vor, den Standard in den deutschen Schweineställen stufenweise zu erhöhen. Bis 2040 sollen dann 70 Prozent Stufe 2 sowie jeweils 15 Prozent Stufe 3 oder Öko sein. Das soll erreicht werden, indem Investitionen ab sofort möglichst nur noch in den Tierwohlstufen 2 und 3 getätigt werden. Stufe 1 soll nur eine vorübergehende Anpassung sein. Als Druckinstrument soll das Ordnungsrecht verschärft werden. Als Soginstrument sollen Investitionen gefördert werden und es soll eine Tierwohlprämie und eine Kennzeichnung geben, um einen bewussten Konsum zu erreichen. Die Kernziele sind allerdings auch ohne Kennzeichnung erreichbar.“


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