Eröffnungstag der 70. Wintertagung des Ökosozialen Forums: Transformation angehen hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft auf Basis von Innovation und Wissenstransfer, die für junge Menschen attraktiv ist.
Wien: Am Eröffnungstag der Wintertagung 2023 des Ökosozialen Forums Österreich & Europa widmeten sich die Expertinnen und Experten traditionell der Agrarpolitik. Zum Thema „Stabilität und Verlässlichkeit in Zeiten der Krise – Leistungsfähigkeit der Land- und Forstwirtschaft“ diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Perspektiven für die Bäuerinnen und Bauern. Sie waren sich einig, dass es angesichts einer wachsenden Bevölkerung eine steigende Produktion braucht, aber unter Berücksichtigung ökologischer Aspekte, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen sind die Landwirtinnen und Landwirte auf Innovation und Technologie, einen umfassenden Wissenstransfer sowie Unterstützung der breiten Bevölkerung angewiesen. Damit wird die Landwirtschaft für junge Menschen wieder attraktiver, was die Transformation zusätzlich fördert.
Frick: Global diversifizierte Landwirtschaft fördern
Für Martin Frick, Direktor des Büros des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen für Deutschland, Österreich und Liechtenstein, ist Hunger das „größte lösbare Problem der Welt“. Aber seit 2019 steigt die Zahl an hungernden Menschen wieder an, wobei bewaffnete Konflikte mit 60 Prozent der größte Faktor sind. Auch die Auswirkungen der Pandemie sind weiterhin zu spüren und sorgen für steigende Preise von Lebensmitteln. Besonders zu spüren bekommen dies ärmere Regionen, in denen Hyperinflation, Hunger und Unruhen ganze Volkswirtschaften zerstört und destabilisiert haben. Als weiteren bedeutenden Faktor sieht Frick den Klimawandel: „Alle wissenschaftlichen Vorhersagen der letzten Jahre sind eingetreten, großteils noch schlimmer als vorhergesagt. Auch wenn Mitteleuropa von den Auswirkungen des Klimawandels bisher sehr milde getroffen wurde, müssen wir uns an die geänderten Begebenheiten anpassen.“ Als mögliche Lösung identifiziert Frick eine diversifizierte und regional angepasste Landwirtschaft sowie „eine höhere Anerkennung von Bäuerinnen und Bauern, die mit ihrer Arbeit die Erde und die Menschen am Leben erhalten“.
Berninger: Anreize für Klimaziele setzen
Für Matthias Berninger, Senior Vice President Public Affairs, Science & Sustainability bei der Bayer AG, ist klar, dass die Versorgung von 8 Milliarden Menschen in Zeiten des Klimawandels keine Selbstverständlichkeit ist. Es braucht eine steigende Produktion unter Berücksichtigung von Umweltaspekten. Die Forschung orientiert sich dabei daran, Emissionen in der Landwirtschaft zu reduzieren sowie CO2 aus der Atmosphäre zu nehmen und langfristig im Boden zu speichern. Zu diesen Zielen besteht mittlerweile globaler Konsens. Ein Problem sieht Berninger aber in der Erreichung dieser Ziele auf europäischer Ebene: „Brüssel ist das Silicon Valley der Regulierungen. Die Amerikaner versuchen es mit Anreizen und nicht mit dem Stock. Auch die EU muss versuchen, Anreize und Reglementierungen besser zu kombinieren.“
Burtscher: Quadratur des Kreises braucht Attraktivierung und Innovation
Der Generaldirektor für Landwirtschaft und Ländliche Entwicklung in der EU-Kommission, Wolfgang Burtscher, betont, dass trotz der rückläufigen Erntezahlen in Europa die Versorgungssicherheit hierzulande nicht gefährdet ist. „Aus geopolitischen und humanitären Gründen dürfen wir uns aber nicht mit der europäischen Versorgungssicherheit begnügen, sondern müssen einen Beitrag zur globalen Ernährungssicherheit leisten.“ Wie diese „Quadratur des Kreises“ der steigenden Produktion bei höherer Nachhaltigkeit gelingen kann, liegt für Burtscher in der Attraktivierung landwirtschaftlicher Berufe, denn „es braucht junge und gut ausgebildete Landwirtinnen und Landwirte“. Eine solche Attraktivierung kostet Geld, denn schon jetzt sind 25 Prozent des Einkommens in der Landwirtschaft aus der öffentlichen Hand subventioniert. Weiters braucht es Offenheit gegenüber Pilotprojekten, denn „neue Praktiken, Innovation und Forschung sind unabdingbar, wenn die Quadratur des Kreises gelingen soll“, so Burtscher.
Tanner: Bereiten Bevölkerung auf etwaigen Black-out vor
Die Österreichische Bundesministerin für Landesverteidigung, Klaudia Tanner,
verweist auf den permanenten Austausch und die Erarbeitung von relevanten Krisenszenarien, um im Ernstfall besser darauf reagieren zu können. Vor allem Resilienz und die Energieversorgung stehen im Mittelpunkt: „Mögliche Szenarien, etwa ein Blackout, sollen keinesfalls Panikmache sein, sondern sollen die Bevölkerung darauf einstellen, sich gedanklich auf Krisen vorzubereiten.“ Um den Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten, soll in Zukunft eine ganzheitliche Landesverteidigung im Mittelpunkt des Tuns stehen. „Das ist ein gesamtstaatlicher Ansatz, bei dem es neben militärischem und wirtschaftlichem Schutz auch um den Schutz unserer Werte geht. Darum sind alle Organisationen aufgefordert, Vorkehrungen zu treffen und sich auf Szenarien vorzubereiten, die vor einigen Jahren noch als undenkbar angesehen wurden“, so Tanner. Diese umfassende Verteidigung beginnt bei der Information der Bevölkerung, um Maßnahmen für eine funktionierende Landesverteidigung aufzuzeigen.
70. Wintertagung: vor Ort oder online mitdiskutieren
Die Wintertagung des Ökosozialen Forums findet 2023 erstmals als hybride Veranstaltung statt. Damit können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor Ort und online mitdiskutieren. Die Videos der Vorträge und Diskussionen sind zudem im Anschluss in der Wintertagungs-Mediathek abrufbar. Die Expertinnen und Experten analysieren dabei den Status quo, stellen Lösungsansätze vor und erörtern gemeinsam Wege für eine zukunftsgerichtete Kreislaufwirtschaft in der Land- und Forstwirtschaft, dem Ernährungssystem sowie im Energiebereich.
Ausblick Fachtag Kommunikation: Herausforderung Kreislaufwirtschaft
Der 18. Jänner steht bei der Wintertagung 2023 ganz im Zeichen der Kommunikation. Der Fachtag wird in Form eines Live-Webinars aus dem Wintertagungs-Studio abgehalten. Dabei gehen die Expertinnen und Experten der Frage nach, wie man Kreislaufwirtschaft erfolgreich kommunizieren kann. Im zweiten Block stehen Anspruch und Wirklichkeit der Kommunikation über ESG und Werte im Fokus. Der Fachtag wirft dabei einen Blick auf die Chancen und Risiken von Nachhaltigkeitsthemen in der Kommunikation und holt praktische Beispiele vor den Vorhang.