Wintertagung 2023: Probleme exportieren verbessert globale Klimabilanz nicht

Presseaussendung

Fachtag Ackerbau der 70. Wintertagung des Ökosozialen Forums: Statt rigider Verbote Betriebsmittel sinnvoll im Sinne der Nachhaltigkeit einsetzen. Kreislaufwirtschaft als wichtiger Beitrag zur Selbstversorgung bei Rohstoffen. 

Am Fachtag Ackerbau der Wintertagung 2023 des Ökosozialen Forums Österreich & Europa gingen die Expertinnen und Experten der Frage nach, „Neue politische Rahmenbedingungen, Energie-Krise und Co. – Ist die Versorgung gesichert?“. Sie betonten, dass die EU zunehmend gefordert ist, wichtige Güter zu bevorraten und die Eigenversorgung auf einem hohen Niveau zu halten, um Abhängigkeiten zu vermeiden. Dazu sollen Betriebsmittel effizient und im Sinne der Nachhaltigkeit eingesetzt werden, statt Verbote und rigide Einschränkungen auszusprechen. Sie fordern aber auch einen Ausbau der Kreislaufwirtschaft, um den Bedarf an Primärrohstoffen zu senken, den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren und Wertschöpfung in den Regionen zu halten. Nur wenn die Lösung der Herausforderungen in Europa gelingt, trägt man auch zur Verbesserung der Klimabilanz bei. 

Pernkopf: Selbst produzieren, unabhängig bleiben 

Der Präsident des Ökosozialen Forums Österreich & Europa, Stephan Pernkopf, betont, dass Österreich die Krisen der letzten Jahre gut überstanden hat. Er lehnt die neuen Regelungen aus Brüssel ab, die zum Ziel haben, die Produktion zu verringern: „Seit 2019 steigt die Zahl hungernder Menschen und Europa hat eine Verantwortung, daran mitzuwirken, den weltweiten Hunger zu stillen. Europa muss daher seine Lebensmittel selbst und ausreichend produzieren, um den eigenen Bedarf zu decken. Die Bäuerinnen und Bauern können das auch – wir müssen sie nur lassen. Zweitens, müssen wir weg von der aktuellen Fließband- und hin zu einer Kreislaufwirtschaft. Drittens, muss die Bevorratung notwendiger Güter wie Lebensmittel und Medikamente nach dem Vorbild der Schweiz ausgebaut werden, um nicht in Abhängigkeiten zu gelangen. Mit dem Krisensicherheitsgesetz hat die Regierung die Chance, das gesetzlich zu verankern. Und die heimischen Lebensmittel sind am besten, weil sie ökologischer produziert werden, unsere Versorgung sichern, Arbeitsplätze schaffen und die Wertschöpfung in unserem Land halten.“ 

Schmuckenschlager: CO2-Bilanz wird durch Problemexport nicht positiv 

Der Präsident der Landwirtschaftskammer Niederösterreich, Johannes Schmuckenschlager, sieht bei der GAP zwei wesentliche Stoßrichtungen, nämlich die Nachhaltigkeit und die Biodiversität, die das bisherige primäre Ziel der Versorgungssicherheit ergänzen. Um diese Punkte zu vereinen, sieht er drei Möglichkeiten: 

1.) Ressourcen müssen schon aufgrund der steigenden Preise, aber auch aus ökologischen Erwägungsgründen effizienter eingesetzt werden. Rigide Regime etwa bei Pflanzenschutz- und Düngemitteln sind nicht immer zielführend. 

2.) Kreisläufe schaffen: Die Bioökonomie greift immer stärker und die die entwickelten Produkte werden immer besser. Die Ernährungsgewohnheiten müssen sich verändern, aber es wird weiterhin eine landwirtschaftliche Produktion brauchen. 

3.) Umweltzertifikate sind vor allem in Bereichen gefragt, die eine positive Klimawirkung bringen. Vorrangig geht es in der Diskussion um Humusaufbau, der aber das Risiko des schnellen Verlustes etwa durch Extremwetterereignisse birgt. 

„Es werden immer mehr Rohstoffe aus der Produktion und Leistungen verlangt, während der Input verringert wird. Wir dürfen bei der Zieldefinition nicht an Ideologien festhalten, sondern müssen uns an Fakten orientieren, sonst exportieren wir künftig Probleme in andere Länder mit einem höheren CO2-Impact. Das wird nicht funktionieren“, so Schmuckenschlager. 

Bernhuber: Klimaneutralität ja, aber mit sinnvollen Zielen 

Alexander Bernhuber, Abgeordneter zum EU-Parlament, reflektiert die Vor- und Nachteile des Green Deals und seiner legislativen Umsetzung. „Wir alle unterstützen das Ziel, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen, aber es gibt in den Programmen und Initiativen viele kritische Punkte, die einer Verbesserung bedürfen.“ Er nennt vor allem den Vorschlag für die Verordnung zum nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln: 

▪ „Die Datengrundlage ist vage, weil viele Länder keine aussagekräftigen Zahlen zur Verfügung haben. Auf dieser Basis lassen sich keine verbindlichen Ziele formulieren. 

▪ Es gibt rechtsverbindliche Reduktionsziele und der Einsatz in sensiblen Gebieten wird künftig verboten. Das betrifft in Österreich viele Weinbauregionen. Daher will die EU-Kommission biologische Pflanzenschutzmittel ausnehmen. Aber welchen Sinn macht das unter dem Aspekt des Boden- und Umweltschutzes, denn im Weinbau sind das vor allem Kupfer-basierte Präparate. 

▪ Eine Folgenabschätzung der EU-Kommission hat gezeigt, dass die Kosten in der Landwirtschaft und Lebensmittelpreise sowie die Abhängigkeit steigen. Die EU-Kommission argumentiert das mit dem Hinweis der Klimaziele weg. 

▪ Das Ziel des verpflichtenden integrierten Pflanzenschutzes bedeutet einen erheblichen bürokratischen Mehraufwand für die Betriebe. Nicht beantwortet ist jedoch die Frage, was mit den Daten passieren soll und wie ein ausreichender Datenschutz gewährleistet wird“, so Bernhuber. 

Harringer: Kreislaufwirtschaft trägt zur Lösung der Teller-Trog-Tank-Debatte bei 

Norbert Harringer, Vorstandsmitglied und Chief Technical Officer der AGRANA Beteiligungs-AG, stellt das holistische Nachhaltigkeitsverständnis der AGRANA vor. „Wir verwerten 100 Prozent der eingesetzten Rohstoffe und nutzen emissionsarme Technologien. Damit wollen wir bis 2040 bei den selbst verursachten Emissionen CO2-neutral sein.“ Als Beispiel nennt er die Bioraffinerie Pischelsdorf für die Bioethanol-Produktion: „Der Standort wurde kontinuierlich ausgebaut, um Rohstoffe und Reststoffe möglichst gut nutzen zu können. Es wurden Weizenstärkeanlagen errichtet, um Wertstoffe wie Weizenstärke und Vitalgluten vor der Fermentation zu extrahieren und der Industrie zur Verfügung zu stellen. Hier werden alle Bestandteile des Getreides im Sinne der Bioökonomie und Kreislaufwirtschaft verwertet. Wir produzieren am Standort für Teller, Trog und Tank.“ Die Hauptdampfversorgung passiert mithilfe einer Dampfleitung von der nahegelegenen Müllverbrennungsanlage, was einen hohen Gesamtwirkungsgrad des Anlagenverbunds ermöglicht. 

Metzker: Gemeinsam die Zukunft der heimischen Landwirtschaft sichern 

Christoph Metzker, Vorstandsdirektor der RWA Raiffeisen Ware Austria, gibt einen Ausblick ins Agrarjahr 2023. Demnach sind ausreichend Düngemittel, Pflanzenschutzmittel und Saatgut verfügbar. Bei den Futtermitteln gab es globale Ernteschwankungen mit Rekordernten in Australien und Indien sowie Einschränkungen in wichtigen Anbaugebieten wie Russland und der Ukraine, aber die Mischfutterwerke sind ausreichend mit Rohstoffen versorgt, so Metzker. Er kritisiert bei den landwirtschaftlichen Erzeugnissen, dass China etwa 100 Prozent des Weizenbedarfs im Inland auf Lager hat, während es in Europa nur 10 Prozent sind. Metzker betont: „Die Herausforderungen für die Landwirtschaft werden künftig ein Risikomanagement sowie der Trend hin zu Digitalisierung und Automatisierung sein. Wir müssen neue innovative Lösungen in den Markt bringen und darauf achten, dass wir ein feines und gutes Agrarland bleiben, das im internationalen Wettbewerb mit Qualität punktet. Dazu wird es aber die notwendigen Betriebsmittel und einen schonenden Umgang mit Ressourcen wie Wasser und Boden brauchen.“ 

70. Wintertagung: vor Ort oder online mitdiskutieren 

Die Wintertagung des Ökosozialen Forums findet 2023 erstmals als hybride Veranstaltung statt. Damit können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor Ort und online mitdiskutieren. Die Videos der Vorträge und Diskussionen sind zudem im Anschluss in der Wintertagungs-Mediathek abrufbar. Die Expertinnen und Experten analysieren dabei den Status quo, stellen Lösungsansätze vor und erörtern gemeinsam Wege für eine zukunftsgerichtete Kreislaufwirtschaft in der Land- und Forstwirtschaft, dem Ernährungssystem sowie im Energiebereich. 

Ausblick Fachtag Gemüse-, Obst- und Gartenbau: Entwicklung, Trends und Energie 

Am 25. Jänner findet in der HBLFA Schönbrunn der Fachtag Gemüse-, Obst- und Gartenbau der Wintertagung 2023 statt. Hier werden Branchentrends diskutiert und die Auswirkungen der globalen Entwicklung auf österreichische Betriebe beleuchtet. Zudem wird der Blick auf Innovationen geworfen, wie Spot Spraying, Robotik oder Market Gardening. Mit Praxisbeispielen aus Agri-Photovoltaik über Obstkulturen und Tiefenbohrung steht auch bei diesem Fachtag das Thema Energie im Fokus. 

Ausblick Fachtag Schweinehaltung: Gesundheit für Mensch und Tier am Bauernhof 

Themen des Fachtags Schweinehaltung am 25.01. in der HLBLA St. Florian sind die Tierschutz-Reform in Österreich mit dem neuen Tierschutzgesetz und deren Bedeutung für die Versorgung mit österreichischem Schweinefleisch sowie die Auswirkungen auf Landwirtschaft, Fleischmarkt und Konsumenten. Zudem werden der Nährstoffkreislauf in der Schweinehaltung und die Nutzung von Nebenprodukten der Fütterung diskutiert. Abgerundet wird der Fachtag mit Vorträgen zu Gesundheit von Tier und Mensch in der Schweinehaltung.