Fachtag Gemüse-, Obst- und Gartenbau der 70. Wintertagung (v.l.n.r.): Lukas Gach von der Statistik Austria, LGV-Sonnengemüse-Vorstand Josef Peck, Tanja Dietrich-Hübner, Bereichsleiterin Nachhaltigkeit bei REWE, Christian Zeiler vom Zeiler Gemüsevertrieb Manfred Kohlfürst, Präsident des Bundesobstbauverbandes, WIFO-Forschungsbereichskoordinator Franz Sinabell und Moderatorin Verena Scherfranz von der BOKU.

Wintertagung 2023: Gesamte Lebensmittelkette muss zusammenarbeiten 

Presseaussendung

Fachtag Obst-, Gemüse- und Gartenbau der 70. Wintertagung des Ökosozialen Forums: Alle Unternehmen haben mit Preissteigerungen zu kämpfen, daher braucht es kontinuierliche partnerschaftliche Abstimmung. Mehrwert heimischer Produkte muss besser vermittelt werden.  

Am Fachtag Obst-, Gemüse- und Gartenbau der Wintertagung 2023 des Ökosozialen Forums Österreich & Europa diskutierten die Expertinnen und Experten über Entwicklungen, Trends und Innovationen in der Branche. Sie betonen, dass alle Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette mit Kostensteigerungen bei Energie, Personal u. a. zu kämpfen haben, weshalb nicht alle die Mehrkosten direkt weitergeben können. Es braucht vielmehr eine kontinuierliche Abstimmung über die Kette hinweg, damit Lebensmittel für die Konsumentinnen und Konsumenten leistbar bleiben und die Unternehmen wirtschaftlich überleben können. Um mehr Bewusstsein für die Qualität und den Wert heimischer Lebensmittel zu schaffen, muss deren Mehrwert besser und stärker vermittelt werden.  

Pernkopf: Obst-, Gemüse- und Gartenbaubetriebe wirtschaften lassen 

„Seit 2019 steigt die Zahl hungernder Menschen weltweit wieder an. Europa muss daher seine Verantwortung wahrnehmen und seine Lebensmittel selbst produzieren“, so der Präsident des Ökosozialen Forums Österreich & Europa, Stephan Pernkopf. „Ich lehne daher neue Regelungen aus Brüssel ab, die eine Verringerung der Produktion zum Ziel haben, denn die Bäuerinnen und Bauern können den Lebensmittelbedarf decken – wir müssen sie nur lassen. Wir sollten zudem künftig notwendige Güter wie Lebensmittel und Medikamente bevorraten, um nicht in Abhängigkeiten zu gelangen. Die Österreichische Bundesregierung hat mit dem Krisensicherheitsgesetz die Chance, das gesetzlich zu verankern und so zur Versorgungssicherheit beizutragen. Und ich appelliere an alle, zu heimischen Lebensmitteln zu greifen, denn sie haben den geringsten CO2-Fußabdruck und unsere regionalen Betriebe sichern unsere Versorgung, schaffen Arbeitsplätze und halten die Wertschöpfung im Land.“ 

Dietrich-Hübner: Kundinnen und Kunden wollen Bio und leistbare Lebensmittel 

„Die Bio-Landwirtschaft wurde lange als Nische gesehen, aber man darf sie heute nicht mehr marginalisieren: In den letzten 10 Jahren hat sich der Umsatz verdoppelt und die Mengen stiegen um 12,9 Prozent. Den Kundinnen und Kunden in Österreich ist das Bio-Segment wichtig“, so Tanja Dietrich-Hübner, Vorstandsvorsitzende von Blühendes Österreich und Leiterin des Bereichs Nachhaltigkeit bei der REWE International AG. Sie verweist zudem auf ein verändertes Kundenverhalten durch die Corona-Pandemie. Die Konsumentinnen und Konsumenten haben in dieser Zeit vermehrt zu frischen Lebensmitteln gegriffen. Durch die Inflation ist der Preis jedoch wieder in den Vordergrund gerückt.  

Diskussion: Herausforderungen als Partner entlang der Kette lösen 

„Der Obstbau in Österreich hat die Herausforderungen der letzten Jahre gemeistert. Dazu zählen Frost und Witterungsverwirrungen sowie hohe Energie-, Lohn- und Sozialkosten. Es braucht für die heimische Produktion aber künftig mehr vom Kuchen, denn wir erfüllen hohe Standards und die Konsumentinnen und Konsumenten müssen bereit sein, dafür auch mehr zu bezahlen. Wenn wir nicht umdenken und es schaffen, dass Nachhaltigkeit wichtig ist und dadurch ein höheres Preisbewusstsein erreichen, dann werden wir die Wende nicht schaffen“, so Manfred Kohlfürst, der Präsident des Bundesobstbauverbands. Er betont, dass es dazu gute Partnerschaften mit dem Lebensmitteleinzelhandel brauchen wird.  

Josef Peck, Vorstand der LGV Sonnengemüse, sieht zwar ebenfalls den Handel gefordert, aber auch eigene Hausaufgaben, die erledigt werden müssen: „Die Energiekosten sind enorm gestiegen, daher müssen wir Wege finden, die Produktionskosten so niedrig wie möglich zu halten und mit Aufschlägen nicht zu übertreiben. Das gilt für den Handel aber ebenso. Wir haben eine Delle durch die steigenden Kosten, die wir gemeinsam lösen müssen.“ Durch die hohe Nachfrage nach Bio- und regionalen Produkten blickt er positiv in die Zukunft. Aber: „Wir müssen unsere Produkte so aufladen, dass sie nachgefragt werden. Wenn wir besser produzieren als andere Länder und die Menschen das auch wissen, wählen sie unsere Produkte.“  

Tanja Dietrich-Hübner betont, dass die Preissteigerungen „in der gesamten Wertschöpfungskette eine Herausforderung sind und die Konsumentinnen und Konsumenten aufgrund der Inflation weniger Geld zur Verfügung haben. Da wird es eine Balance entlang der Kette brauchen, über die wir uns immer wieder neu einigen müssen. Es braucht eine Versorgungssicherheit aus Österreich.“  

Betriebe kämpfen mit Preissteigerungen 

„Die Veränderungen am Energiemarkt, bei den Betriebsmitteln und in der Logistik haben zu Mehrkosten geführt, die der Handel nicht decken wollte. Daher haben wir seit 15 Jahren erstmals nicht über den Winter produziert haben“, so Christian Zeiler von der Zeiler Gemüsevertrieb GmbH. „Wir sollten zusammenrücken, um die österreichische Produktion wieder zu stärken. Preisdumping über Eigenmarken und Billigimporte sind eine Entwicklung, die nicht gesund ist und die in Österreich keinem entlang der Kette hilft. Denn wir können aufgrund der hohen Standards sowie der Qualität, die uns von anderen Ländern unterscheiden, kaum billiger produzieren. Für die aktuellen Herausforderungen braucht es gemeinsame Lösungen.“  

Lukas Gach von der Direktion Raumwirtschaft der Bundesanstalt Statistik Austria streicht hervor, dass Krisen immer Betriebsschließungen nach sich ziehen – vor allem in der Landwirtschaft. Franz Sinabell, Forschungsbereichskoordinator für Umwelt, Landwirtschaft und Energie am WIFO, sieht Österreich dennoch als resilientesten Agrarsektor, da der Strukturwandel im Vergleich zu anderen Ländern besser gebremst werden konnte: „Das ist möglich, weil die Bevölkerung wächst, es Nachfrage vor der Haustür gibt und die Betriebe Innovationen aufgreifen und sich weiterentwickeln. Das System Österreich funktioniert.“  

70. Wintertagung: vor Ort oder online mitdiskutieren 

Die Wintertagung des Ökosozialen Forums findet 2023 erstmals als hybride Veranstaltung statt. Damit können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor Ort und online mitdiskutieren. Die Videos der Vorträge und Diskussionen sind zudem im Anschluss in der Wintertagungs-Mediathek abrufbar. Die Expertinnen und Experten analysieren dabei den Status quo, stellen Lösungsansätze vor und erörtern gemeinsam Wege für eine zukunftsgerichtete Kreislaufwirtschaft in der Land- und Forstwirtschaft, dem Ernährungssystem sowie im Energiebereich. 

Ausblick Fachtag Grünland- & Viehwirtschaft: Green Deal und Kreislaufwirtschaft 

Am 26. Jänner findet in der HBLFA Raumberg-Gumpenstein mit Grünland- & Viehwirtschaft der letzte Fachtag der Wintertagung 2023 statt. Diskutiert werden Milch- und Fleischmärkte im Spannungsfeld von Krisen, dem European Green Deal und Tierwohl sowie Potenziale und Herausforderungen der Branche im Zusammenhang mit dem Ausbau der Kreislaufwirtschaft. Zudem werden praxisnahe Beispiele gezeigt, wie es gelingen kann, die Kreisläufe in der Grünland- und Viehwirtschaft erfolgreich zu schließen.