Podium beim Fachtag Berg & Wirtschaft (v.l.n.r.): Agrarsoziologe Markus Schermer, Theresa Mitterer-Leitner com MCI Management Center, Sektionschef Hannes Fankhauser, Lisa Doppelbauer von der Bio Forschung Austria, LH-Stv. Josef Geisler und Moderator Peter Raggl, Direktor des Tiroler Bauernbunds.

Wintertagung 2023: Flächen im Alpenland effizient und abgestimmt nutzen 

Presseaussendung

Fachtag Berg & Wirtschaft der 70. Wintertagung des Ökosozialen Forums: Interessenausgleich zwischen Land- und Forstwirtschaft, Energiebereich und Tourismus schaffen sowie neue Wege und innovative Ideen suchen. 

 Am Fachtag Berg & Wirtschaft der Wintertagung 2023 des Ökosozialen Forums Österreich & Europa diskutierten die Expertinnen und Experten über die „Kreislaufwirtschaft im Alpenraum“. Sie betonten, dass aufgrund der knappen zur Verfügung stehenden Flächen und der unterschiedlichen Interessen ein umfassender Austausch aller Stakeholder notwendig ist. Nur dann sind eine effiziente Flächennutzung und eine sinnvolle und nachhaltige Kreislaufwirtschaft möglich, von der alle Seiten profitieren: die Land- und Forstwirtschaft, der Energiebereich und der Tourismus. Dabei müssen alle Möglichkeiten wie etwa Agrar-Photovoltaik und regionale Zusammenarbeit der Betriebe genützt werden. Dann können die Land- und Forstwirtschaft ihre Leistungen wie den Erhalt einer hohen Biodiversität, Natur- und Klimaschutz sowie das Erhalten eines hohen Selbstversorgungsgrads mit Lebensmitteln auch künftig optimal erbringen.   

Pernkopf: heimische Produkte zur Steigerung von Unabhängigkeit und Kreisläufen 

Der Präsident des Ökosozialen Forums Österreich & Europa, Stephan Pernkopf, betont, dass Österreich die Krisen der letzten Jahre gut überstanden hat. Er lehnt die neuen Regelungen aus Brüssel ab, die zum Ziel haben, die Produktion zu verringern: „Wir müssen ausreichend Lebensmittel produzieren, um unseren Bedarf decken zu können. Dabei müssen wir weg von der aktuellen Fließband- und hin zu einer Kreislaufwirtschaft. Und die Bevorratung notwendiger Güter wie Lebensmittel und Medikamente muss ausgebaut werden, um nicht in Abhängigkeiten zu gelangen. Mit dem Krisensicherheitsgesetz hat die Regierung nun die Chance, die dafür nötigen Schritte zu setzen und auch gesetzlich zu verankern.“ Er appelliert zudem, heimische Lebensmittel zu kaufen: „Österreich produziert im internationalen Vergleich emissionsärmer und heimische Produkte sichern unsere Versorgung, schaffen Arbeitsplätze und halten die Wertschöpfung in unserem Land“. 

Geisler: stärkere Wertschätzung für gesteigerte Wertschöpfung 

Josef Geisler, Landeshauptmann-Stellvertreter von Tirol, verweist auf die Vorteile einer Kreislaufwirtschaft und das Potenzial der Tiroler Landwirtschaft: „In Tirol wird großer Wert auf eine Qualitätsproduktion gelegt, bei der Tierwohl im Mittelpunkt steht. Aufgrund der eher erschwerten Lage im Alpenraum sind Nebenerwerbe und auch die Förderung der öffentlichen Hand von zentraler Bedeutung. Damit die Wertschöpfung regional gelingen kann, ist aber eine Infrastruktur zur Verarbeitung und zur Belieferung notwendig. Dienstleistungen wie die Energieversorgung sind eine wichtige Stellschraube für die Nachhaltigkeit, hierbei ist darauf zu achten, dass nur wenige Flächen zur Verfügung stehen. Photovoltaikanlagen auf Dächern oder Anlagen, die eine Doppelnutzung der landwirtschaftlichen Fläche ermöglichen, können aber Lösungen sein.“  

Fankhauser: Gemeinsame Lösungsansätze bei Nutzungskonflikten suchen 

Johannes Fankhauser, Sektionschef „Landwirtschaft und ländliche Entwicklung“ im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft, sieht künftig aufgrund der klimatischen Änderungen und einem steigenden Interesse am Alpenraum unterschiedliche Nutzungsinteressen. „Die Debatte über den Konflikt von Weidevieh und Wanderern zeigt, dass es klare Regeln braucht. Eine solche Grundlage kann aber nur gelingen, wenn sich alle Betroffenen an einen Tisch setzen. Die produktive Landwirtschaft ist Grundlage für den Wirtschaftsraum, aber auch der Tourismus benötigt Flächen. Hinzu kommt die Gewinnung von Energie durch Photovoltaikanlagen. Hier gilt es gegen die Bodenversiegelung vorzugehen, Dächer zu nutzen und die ohnehin geringen landwirtschaftlich nutzbaren Flächen nach Möglichkeit zu erhalten.“  

Doppelbauer: Braucht neue Wege zum Ausbau der Kreislaufwirtschaft 

Lisa Doppelbauer, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Bio Forschung Austria, kritisiert, dass in der EU aufgrund des linearen Wirtschaftsmodells jährlich 2,5 Milliarden Tonnen Abfall anfallen. Sie plädiert daher für eine Kreislaufwirtschaft als neues System. „Die Landwirtschaft hat enormes Potenzial, denn die Produkte sind per se nachhaltig und die Inhaltsstoffe müssen nicht aufwändig recycelt werden. Dennoch gibt es Ansatzpunkte, denn in den meisten Betrieben werden Futtermittel und Einstreu zugekauft und oftmals importiert.“ Um den Verbrauch fossiler Stoffe möglichst gering zu halten, braucht es alternative Möglichkeiten und eine stärkere regionale Zusammenarbeit der Betriebe, so Doppelbauer: „Das Nutzen von regionalen Pflanzen als Einstreu oder zur Fütterung sowie die Vernetzung und gegenseitige Hilfe tragen dazu bei, die Umwelt zu schützen und Wertschöpfung in der Region zu behalten. Erhalten wir den Kreislauf vor unserer Haustür.“ 

70. Wintertagung: vor Ort oder online mitdiskutieren 

Die Wintertagung des Ökosozialen Forums findet 2023 erstmals als hybride Veranstaltung statt. Damit können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor Ort und online mitdiskutieren. Die Videos der Vorträge und Diskussionen sind zudem im Anschluss in der Wintertagungs-Mediathek abrufbar. Die Expertinnen und Experten analysieren dabei den Status quo, stellen Lösungsansätze vor und erörtern gemeinsam Wege für eine zukunftsgerichtete Kreislaufwirtschaft in der Land- und Forstwirtschaft, dem Ernährungssystem sowie im Energiebereich. 

Ausblick Fachtag Ackerbau: Versorgungssicherheit und Ressourceneffizienz  

Am 24. Jänner findet im Rahmen der Wintertagung 2023 der Fachtag Ackerbau im Universitäts- und Forschungszentrum in Tulln statt. Thematisiert werden neue politische Rahmenbedingungen in Bezug auf Versorgungssicherheit, ressourceneffiziente Bewirtschaftung sowie Innovation und Digitalisierung in der Landbewirtschaftung. Besonders im Fokus stehen dabei Möglichkeiten zur Energiegewinnung in der Landwirtschaft und der Beitrag der Branche zur Versorgungssicherheit im Energiebereich. 

Ausblick Fachtag Geflügelhaltung: Herausforderungen der Branche  

Im Kultursaal in Hatzendorf wird am 24. Jänner der Fachtag Geflügelhaltung der Wintertagung 2023 abgehalten. Der Bogen spannt sich von den Auswirkungen der Energiekrise auf die Geflügelbranche und die Leistungen derselben für die Versorgungssicherheit über Trends und Innovationen für eine nachhaltige und tierwohlgerechte Geflügelhaltung bis hin zum Spannungsfeld zwischen Tiergesundheit und Kreislaufwirtschaft. Die Expertinnen und Experten zeigen dabei Perspektiven für die Branche und Chancen der Kreislaufwirtschaft auf.