Gemüse in einem Korb

Wintertagung 2021: Trend zu Regionalität und Solidarität nützen & verstärken

Presseaussendung

Experten am Fachtag Gemüse-, Obst- und Gartenbau der 68. Wintertagung des Ökosozialen Forums: Versorgungssicherheit ist nicht selbstverständlich, daher Lehren der Corona-Krise in GAP einbringen.

Am heutigen Fachtag Gemüse-, Obst- und Gartenbau diskutierte das Ökosoziale Forum im Rahmen der Wintertagung 2021 zum Thema „Was wir aus der COVID-Krise lernen – und was nicht“ die Sicherheit und Stabilität unseres Ernährungssystems. Durch die aktuelle COVID-Krise, aber auch durch den Klimawandel werden bisher noch kaum beachtete Anfälligkeiten entlang unserer Lebensmittel-Wertschöpfungskette offensichtlich, wie zum Beispiel Abhängigkeiten in der Nahrungsmittelversorgung und mögliche Versorgungsengpässe. Insgesamt waren heute rund 550 Teilnehmerinnen und Teilnehmer via Livestream dabei, die mit den Expertinnen und Experten Lehren aus den Krisen und mögliche Lösungen und Chancen erörterten. Dazu zählen etwa eine stärkere gemeinsame Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette und eine entsprechende Vorbereitung auf künftige globale Entwicklungen. 

Pernkopf: Wollen in Europa produzieren und Importe vermeiden 

Der Präsident des Ökosozialen Forums, Stephan Pernkopf, formulierte eingangs des Fachtags einen Leitgedanken für die anschließenden Vorträge und die Diskussion: „Wir sind für die Zukunft gut aufgestellt, müssen aber dafür sorgen, dass es in Europa künftig nicht weniger, sondern mehr Produktion gibt, da die Weltbevölkerung wächst. Ich bin daher nicht dafür, dass der Green Deal und seine Strategien ein Generalangriff auf die Landwirtschaft sind, bei dem am Schluss weniger Produktion rauskommt. Dann gibt es zwar Blühstreifen von Spanien bis Lettland, aber auch mehr Kondensstreifen, weil die Produkte aus anderen Ländern eingeflogen werden. Das wollen wir nicht. Wir wollen eine starke Eigenversorgung in Europa auf Basis einer „nachhaltigen Intensivierung“. Das heißt: Lebensmittel werden in Europa unter höchsten Standards und Auflagen regional produziert. Denn es ist besser, eine Selbstversorgung aus einer nachhaltigen heimischen Landwirtschaft sicherzustellen, statt von anderen Kontinenten Produkte mit fragwürdigen Umwelt- und Sozialstandards zu importieren.“ 

Reiner: Müssen internationale Entwicklungen antizipieren und Ableitungen treffen 

In seinem Vortrag zum Thema „Wovor sollen wir uns fürchten und wovor nicht?“ beleuchtete Stephan Reiner, Oberst und Forscher am Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement an der Landesverteidigungsakademie, internationale Abhängigkeiten und den volatilen Weltmarkt sowie seine Auswirkungen auf die globale Lebensmittelversorgung. „China ist mittlerweile eine der größten globalen Mächte, die jeden Tag Auswirkungen auf Europa hat. Wenn sie etwa den Verlauf der Seidenstraße mit aktuellen Krisenregionen hinterlegen, dann ist zu sehen, dass die europäischen Staaten und jene des Nahen Ostens ursächlich davon betroffen sind. China ist zudem kein agrarisch strukturiertes Land mehr. Mehr als die Hälfte der 1,3 Milliarden Menschen in China lebt mittlerweile in Städten und der Schweinefleischkonsum hat sich in den letzten zehn Jahren verachtfacht. Das hat Auswirkungen auf den Sojapreis und damit letztendlich auch auf Österreich und seine Lebensmittelversorgung.“ 

„Ein Kleinstaat benötigt Resilienz. Das heißt, eine wirtschaftliche Verschränkung, wie wir sie heute vorfinden und wie sie unsere Wirtschaft betrifft, benötigt natürlich eine Kooperation. Das bedeutet aber auch, dass die „Just in time“-Wirtschaft – mit einer Lagerung am LKW zur sofortigen Verfügbarkeit zum erwünschten Zeitpunkt – besonders anfällig für Krisen ist. Hinzu kommt: Färbt man auf einer Weltkarte Länder mit Konflikten, Unruhen und bewaffneten Konflikten rot ein, dann sind viele Länder um Österreich rot. Aber Furcht ist trotzdem nicht angebracht. Es reicht, Ableitungen zu treffen für klar erkennbare Entwicklungen auf diesem Planeten.“ 

Fankhauser: Werden Lehren der Krise in GAP einbringen 

Johannes Fankhauser, Leiter der Sektion II – Landwirtschaft und ländliche Entwicklung des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (BMLRT), sprach über die Lehren aus der Krise und betonte, dass die Landwirtschaft systemrelevant und überlebensnotwendig ist. „Die Lebensmittelwirtschaft und Landwirtschaft haben in Österreich eine enorme Bedeutung. Entlang der Wertschöpfungskette sind rund 420.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tätig. Das sind rund 9 Prozent Anteil an allen Erwerbstätigen in Österreich. Dieser Anteil ist je nach Region jedoch unterschiedlich und geht in einzelnen Regionen bis zu 15 Prozent. Das zeigt die enorme Bedeutung der Lebensmittelwirtschaft.“ 

„Viele Essensgewohnheiten haben sich während des ersten Lockdowns radikal verändert. Umfragen zeigen, dass diese neuen Gewohnheiten auch nach der Krise bleiben. Die Direktvermarktung ist enorm gestiegen. Wir haben 2020 an Mengen und neuen Wegen in der Direktvermarktung ein Plus von 40 Prozent. Das zeigt, wie stark die Sehnsucht war, die heimische Lebensmittelwirtschaft zu unterstützen und zu wissen, wo das Produkt herkommt.“ 

„Während des ersten Lockdowns und der Corona-Krise war die Versorgung der Österreicherinnen und Österreicher mit Lebensmitteln zu keinem Zeitpunkt gefährdet, aber nur deshalb, weil es eine enorm gute Zusammenarbeit mit unseren Partnern gegeben hat. Österreich ist dadurch sehr gut durch die Krise gekommen. Die Lebensmittelversorgung ist aber keine Selbstverständlichkeit. Das BMLRT hat daher eine Studie zu den Lehren aus der Corona-Krise mit Ergebnissen bis Frühsommer 2021 initiiert und wird diese auch in die Gemeinsame Agrarpolitik einarbeiten.“ 

Wintertagung 2021 in neuem Format 

Bei der 68. Wintertagung macht sich das Ökosoziale Forum von 21. bis 28. Jänner 2021 mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf die Suche nach Lösungsansätzen für eine nachhaltige, zukunftsfitte und resiliente Wertschöpfungskette bei Lebensmitteln. Unter dem Motto „Gemeinsam is(s)t man besser: Gemeinsam aus der Krise lernen. Gemeinsam zukunftsfit werden.“ werden Wege und Perspektiven für die Landwirtschaft erörtert. Dabei sind jede und jeder gefordert, mitzudiskutieren und mitzumachen – das neue, digitale Gesicht der Wintertagung 2021 macht es möglich: Alle neun Fachtage stehen online und kostenfrei als Live-Webinare zur Verfügung und werden durch Beiträge in der Mediathek erweitert und ergänzt! 

Ausblick: Fachtag Kommunikation erörtert Lösungen für krisenfeste Versorgung 

Am diesjährigen Fachtag Kommunikation am 25. Jänner im Rahmen der Wintertagung 2021 des Ökosozialen Forums diskutieren Vertreterinnen und Vertreter von Wissenschaft, Medien und der landwirtschaftlichen Praxis mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern über die Versorgungssicherheit mit Informationen. Sie beleuchten in Vorträgen und einer Diskussion das Spannungsfeld zwischen aktuellen Inhalten in der Agrarkommunikation und dem, was sich die Konsumentinnen und Konsumenten erwarten. In der Mediathek widmen sich die Beiträge und Praxisbeispiele zudem der Frage, wie man die Konsumentinnen und Konsumenten mit landwirtschaftlichen Themen erreichen kann. 

Detaillierte Informationen zur Wintertagung 2021 sowie die Mediathek finden Sie unter https://oekosozial.at/unsere-themen/landwirtschaft/wintertagung-2021-2/wintertagungs-mediathek/