Bauer in modernem Traktor

Wintertagung 2021: Technologie trägt zu Umweltschutz bei und macht Landwirtschaft zukunftsfit

Presseaussendung

Experten am Fachtag Landtechnik der 68. Wintertagung des Ökosozialen Forums: Technologien sind wichtiger Teil einer nachhaltigen Intensivierung, Landwirtinnen und Landwirte brauchen Investitionsanreize.

Dem Biodiversitätsverlust entgegensteuern, die Klimakrise meistern oder eine stets stabile Versorgung mit regionalen Lebensmitteln garantieren – die Herausforderungen für die Landwirtschaft sind groß. Und auch die Landtechnik ist gefordert, verlässliche, ökonomische und ökologische Lösungen dafür zu finden. Diese diskutierten die Expertinnen und Experten am heutigen Fachtag Landtechnik der Wintertagung 2021 des Ökosozialen Forums Österreich & Europa. Im Zentrum standen dabei die Chancen und Möglichkeiten einer teilflächenspezifischen Bewirtschaftung für eine nachhaltige Intensivierung, zum Schutz von Ökosystemen und zur Erhaltung der Versorgungssicherheit in Europa. Insgesamt waren heute ca. 700 Teilnehmerinnen und Teilnehmer via Livestream dabei.

Mayrhofer: Technologie ist wichtigstes Tool für zukunftsfitte Landwirtschaft

Der Generalsekretär des Ökosozialen Forums, Hans Mayrhofer, unterstrich eingangs des Fachtags Landtechnik: „Zukunftsfit werden wir nur mit einem wichtigen Tool und das ist Technologie. Sie ist aus der Landwirtschaft kaum noch wegzudenken. Wir Landwirtinnen und Landwirte werden künftig gefordert werden, mehr, besser und schneller garantiert produzieren zu können. Und wir werden gefordert sein, die Wertschöpfungskette von den Produzentinnen und Produzenten bis hin zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern transparent zu gestalten. Die teilflächenspezifische Bewirtschaftung wird für die Bäuerinnen und Bauern in der nächsten GAP-Periode eine große Herausforderung, aber auch eine enorme Chance.“

Bernhuber: Konflikte in Green Deal mit Hausverstand lösen

Alexander Bernhuber, Mitglied des Europäischen Parlaments, präsentierte umfassende Hintergrundinformationen zur internationalen und nationalen agrarpolitischen Ausgangssituation – etwa dem Green Deal – und gab einen Ausblick auf mögliche Veränderungen für die österreichische Landwirtschaft. „Bis 2050 soll Europa der erste klimaneutrale Kontinent werden. Den Green Deal der EU-Kommission mit seinen Einzelstrategien muss man daher als ganzheitliche Strategie sehen: Bei der Farm to Fork-Strategie geht es darum, welche Schritte gesetzt werden müssen, um die Versorgung Europas mit erschwinglichen und nachhaltigen Lebensmitteln sowie mehr Fairness und Transparenz im Lebensmittelhandel zu gewährleisten. Bei der Biodiversitäts-Strategie geht es um den Schutz der Land- und Meerfläche in Europa. Dazu zählt auch die Verringerung des Einsatzes von Düngemitteln um mindestens 20 Prozent. Hier leistet die teilflächenspezifische Bewirtschaftung einen zentralen Beitrag.“

„Bei den Einzelstrategien und vor allem hinsichtlich der Gemeinsamen Agrarpolitik ergeben sich zahlreiche Konflikte: Die Erhöhung der Biofläche auf 25 Prozent steht in einem großen Konflikt zu 8 Prozent Biokonsum – ein Anstieg schafft damit zahlreiche Probleme für die heimischen Landwirtinnen und Landwirte. Bei der Reduktion von Pflanzenschutz- und Düngemitteln stellt sich die Frage, wie sich das auf die Versorgungssicherheit auswirkt. Europa ist zwar ein Vorreiter, aber es stellt sich die Frage, wieviel Schaden wir auf anderen Kontinenten anrichten, wenn wir nicht mehr ausreichend selbst produzieren können. Das bringt mich zum Freihandel, bei dem sich die Frage stellt, wie die Farm to Fork-Strategie und Mercosur zusammenpassen sollen. Bei all diesen Punkten gibt es noch keine fertigen Lösungen und findet auf europäischer Ebene gerade ein Kräftemessen statt.“

„Europa kann Vorreiter werden, wenn es darum geht, nachhaltig Lebensmittel zu produzieren. Aber man muss auch auf die Landwirtinnen und Landwirte achten, denn nur wenn man Europas Landwirtschaft gemeinsam gestaltet, können wir diese Ziele erreichen: Landwirtschaft erhalten, Lebensmittelversorgung sicherstellen und Europa zu einem grünen Kontinent machen.“

Meyer-Aurich: Technologie kann automatisiert Ökosysteme schützen

Zu den Vor- und Nachteilen der teilflächenspezifischen Bewirtschaftung insbesondere im Hinblick auf ökologische Aspekte sprach Andreas Meyer-Aurich, Wissenschaftler der Abteilung Technikbewertung und Stoffkreisläufe am Leibniz Institut für Agrartechnik und Bioökonomie. Er gab einen Einblick in neueste Erkenntnisse aus der Wissenschaft und skizzierte den Beitrag zu einer nachhaltigen Intensivierung. „Heute ist der Einsatz von Geopositions- und Sensoren-Systemen im Alltag und in der Landwirtschaft selbstverständlich. In der Praxis ist der Einsatz jedoch nicht immer so weit implementiert, wie er es könnte. Es gibt bei den Untersuchungen zur teilflächenspezifischen Bewirtschaftung unterschiedliche Ergebnisse, die viele Landwirtinnen und Landwirte verunsichern.“

„Als Schlussfolgerung ist zu sagen: Erstens, die teilflächenspezifische Bewirtschaftung hat sich etabliert und die Technik funktioniert, seien es Sensoren- oder Fernerkundungs-Systeme. Die Spurführung und intelligente Technik wird, zweitens, weiter Einzug halten und die Landwirtschaft effizienter und umweltgerechter machen. Drittens bedarf es, um Ansprüchen der Natur und Umwelt sowie dem Schutz benachbarter Ökosysteme gerecht zu werden, spezifischer Einstellungen bei der Steuerung und den Systemen, denn Technik kann mittlerweile automatisiert Ökosysteme schützen. Zur Versorgungssicherheit ist zu sagen, dass wir mit teilflächenspezifischer Bewirtschaftung vielfach effizienter wirtschaften und auch einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten können, aber die Welternährung wird letztendlich wenig davon abhängen.“

Prankl: Teilflächen-Bewirtschaftung erleichtert bedarfsgerechte Pflanzenernährung

Peter Prankl, Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Josephinum Research der HBLFA Francisco Josephinum, betonte, wie wichtig es ist, das Pflanzenwachstum im Auge zu haben und entsprechend zu antizipieren. „Große Herausforderungen gibt es sowohl bei der ökonomischen als auch bei der ökologischen Effizienzsteigerung. Dazu kann eine Teilfläche einiges beitragen. Ziel ist es weniger Überversorgung und weniger Unterversorgung auf einem Feld zu haben. Wir versuchen dabei auch auf unterschiedliches Pflanzenwachstum zu reagieren, sind aber noch nicht bei einer Effizienzsteigerung angekommen. Als Schlussfolgerung kann man allerdings sagen: Ein variabler standortangepasster Betriebsmitteleinsatz führt zu einer höheren Effizienz und einer bedarfsgerechteren Pflanzenernährung. Es ist wichtig, dass man Farm-Managementsysteme anbindet, damit sie letztendlich beim Landwirt ankommen.“

Lossie: Umwelt profitiert von Technologie aktuell noch stärker als Betrieb

Ulrich Lossie, Experte für den Bereich Agrartechnik, Pflanzenproduktion und Neue Energien bei DEULA-Nienburg, beleuchtete anschließend technische Aspekte der teilflächenspezifischen Bewirtschaftung. „Nach 25 bis 30 Jahren zieht die Technik auf vielen Betrieben ein. Lohnt sich also eine Differenzierung bei einzelnen Flächen im Bereich Bodenbearbeitung, Saat, Düngung und Pflanzenschutz? Im Bereich Umwelt gibt es ein klares Ja meinerseits. Deutschland hat 30 Prozent rote Gebiete mit zusätzlichen Auflagen, die man umsetzen muss. Manche Schläge haben einen anderen Grundnährbedarf als andere. Also es ist gang und gäbe teilflächenspezifisch zu wirtschaften. Aktuell bewegen wir uns zwischen einem Ein-Hektar-Raster und Ein-Quadratmeter-Flächen. Im Laufe der Zeit werden wir uns allerdings auf noch kleinere Flächen hin entwickeln. Lohnt es sich bei landwirtschaftlichen Unternehmen? Da stehen immer noch Fragezeichen. Zurzeit kommen viele Unternehmen auf Landwirtinnen und Landwirte zu, das macht es schwer, sich zu entscheiden. Diese neuen Technologien könnte man aber gemeinschaftlich oder in Dienstleistung nutzen, was es für Landwirtinnen und Landwirte wirtschaftlicher macht.“

Anken: Bodenmanagement gewinnt durch politischen Druck an Bedeutung 

Thomas Anken, Leiter der Arbeitsgruppe Digitale Produktion bei Agroscope, ging in seinem Vortrag auf Bodeninformationen für die ortsspezifische Stickstoffdüngung ein. Das sei angesichts eines wachsenden politischen Drucks zur Reduktion von Düngemitteln eine gute Chance, effizienter und bedarfsgerecht zu düngen. Herausforderungen sieht er vor allem bei der Gewinnung dieser Informationen. „Nitrat lässt sich bis jetzt nur über Bodenproben oder Bodenwasserproben analysieren. Das heißt, man braucht ein Laborgerät und es ist alles nicht so einfach bzw. sind Nitratsensoren eine empfindliche Lücke. Generell können Spektralsensoren aber bei entsprechender Eichung für die Messung des Humusgehalts des Bodens verwendet werden.“

„International sind verschiedenste Projekte zur Erstellung von Bodenkarten im Gange. Dabei ist die Einteilung in Managementzonen wichtig. Bodenproben sind hier ein wichtiges Hilfsmittel und Luftbilder sowie Deichkurven kommen ebenfalls zum Tragen und helfen, das Management zu verbessern.“

Wintertagung 2021 in neuem Format

Bei der 68. Wintertagung macht sich das Ökosoziale Forum von 21. bis 28. Jänner 2021 mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf die Suche nach Lösungsansätzen für eine nachhaltige, zukunftsfitte und resiliente Wertschöpfungskette bei Lebensmitteln. Unter dem Motto „Gemeinsam is(s)t man besser: Gemeinsam aus der Krise lernen. Gemeinsam zukunftsfit werden.“ werden Wege und Perspektiven für die Landwirtschaft erörtert. Dabei sind jede und jeder gefordert, mitzudiskutieren und mitzumachen – das neue, digitale Gesicht der Wintertagung 2021 macht es möglich: Alle neun Fachtage stehen online und kostenfrei als Live-Webinare zur Verfügung und werden durch Beiträge in der Mediathek erweitert und ergänzt!

Ausblick: Fachtage Geflügelhaltung und Ackerbau

Am diesjährigen Fachtag Geflügelhaltung am 26. Jänner im Rahmen der Wintertagung 2021 des Ökosozialen Forums steht die Wertschöpfungskette im Fokus. Diese hat sich in den vergangenen Jahrzehnten von einer Wertschöpfung, die nahezu ausschließlich am Hof stattgefunden hat, zu einem vielgliedrigen Prozess von der Aufzucht über die Futterproduktion bis hin zu Lieferwegen und Verkauf gewandelt. Das hat zwar einige Vorteile, aber eben auch – wie gerade in der COVID-Krise spürbar wurde – Nachteile. Die Expertinnen und Experten präsentieren und diskutieren dazu Herausforderungen und Chancen entlang der Wertschöpfungskette. In der Mediathek stehen Beiträge zur Gesundheit von Tieren als Voraussetzung für gesunde Lebensmittel sowie Maßnahmen zur Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten bereit.

Beim Fachtag Ackerbau erörtern die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Auswirkungen der COVID-Krise, die auch in Österreichs Landwirtschaft deutlich spürbar sind. Sie gehen zudem der Frage nach, welche Erfahrungen wir in der Krise sammeln konnten und wie wir unsere Wertschöpfungskette vorbereiten müssen, damit wir auch morgen gut versorgt sind? In der Mediathek sind zudem Vorträge von Expertinnen und Experten abrufbar, die sich der Versorgungssicherheit der Landwirtinnen und Landwirte mit Betriebsmitteln sowie dem Spagat zwischen Versorgungssicherheit und Umweltschutz widmen.

Detaillierte Informationen zur Wintertagung 2021 sowie die Mediathek finden Sie unter https://oekosozial.at/unsere-themen/landwirtschaft/wintertagung-2021-2/wintertagungs-mediathek/