Fachtag Ackerbau der 68. Wintertagung des Ökosozialen Forums: Umwelt unabhängig von Bewirtschaftungsweise in den Fokus rücken und hohe Standards von Drittstaaten einfordern. Learnings aus Krise in GAP einbringen.
Am diesjährigen Fachtag Ackerbau im Rahmen der Wintertagung 2021 des Ökosozialen Forums Österreich & Europa diskutieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Auswirkungen der COVID-Krise, die in Österreichs Landwirtschaft aber auch am Weltmarkt deutlich spürbar sind. Sie zeigten auf, dass Versorgungssicherheit mehr als nur ein theoretisches Konzept ist und welchen Aspekten man sich in der Praxis besonders widmen muss. Insgesamt waren rund 830 Teilnehmerinnen und Teilnehmer via Livestream dabei. In der Mediathek sind zudem Vorträge von Expertinnen und Experten abrufbar, die sich der Versorgungssicherheit der Landwirtinnen und Landwirte mit Betriebsmitteln sowie dem Spagat zwischen Versorgungssicherheit und Umweltschutz widmen.
Pernkopf: Wollen hohe Eigenversorgung aus regionaler Landwirtschaft
Der Präsident des Ökosozialen Forums Österreich & Europa, Stephan Pernkopf, betonte in seinem Eingangsstatement zum Fachtag Ackerbau, dass die Corona-Pandemie spezielle Herausforderungen für die Landwirtinnen und Landwirte mit sich brachte. „Wir sind für die Zukunft gut aufgestellt, müssen aber dafür sorgen, dass es in Europa vor dem Hintergrund des Bevölkerungswachstums mehr landwirtschaftliche Produktion und eine hohe Selbstversorgung aus einer regionalen Landwirtschaft braucht. Der Green Deal darf nicht zum Vorwand für einen Generalangriff auf die Landwirtschaft werden. Wir wollen eine „nachhaltige Intensivierung“ der Landwirtschaft, also eine Produktion mit höchsten Standards vor der eigenen Haustür. Nur so können wir sicherstellen, dass keine Produkte, die unter fragwürdigen Standards hergestellt wurden, den Weg in unsere Regale finden.“
Burtscher: Müssen europäische Standards auch von Drittstaaten einfordern
Wolfgang Burtscher, Generaldirektor für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung in der EU-Kommission (DG AGRI), beleuchtete vor dem Hintergrund des Green Deals internationale Herausforderungen und Lösungsansätze der Agrarpolitik: „Durch die Corona-Krise wurden die Rufe nach Versorgungssicherheit – also nationaler Selbstversorgung der Mitgliedsstaaten – zweifelsfrei lauter. Auch auf EU-Ebene ist die strategische Autonomie ein zunehmend wichtigeres Thema. Der Ansatz ist, Vorteile des offenen Handelssystems zu kombinieren mit der Notwendigkeit, die Abhängigkeit von internationalen Lieferketten zu reduzieren, um die Versorgungssicherheit zu stärken. Oder anders gesagt: Chancen nützen, aber die Abhängigkeit in heiklen Sektoren reduzieren.“
„Europa ist bei der Lebensmittelversorgung sehr erfolgreich. Eine gute und kontinuierliche Gemeinsame Agrarpolitik hat dazu beigetragen, einen Binnenmarkt aufzubauen, der wesentlich war, um eine hohe Lebensmittelsicherheit – das heißt eine permanente Versorgung mit ausreichend Lebensmitteln – sicherzustellen. Die EU hat insgesamt einen hohen Selbstversorgungsgrad bei nahezu allen agrarischen und tierischen Produkten.
Mängel in einzelnen Staaten werden durch innergemeinschaftlichen Handel abgedeckt. Aber bei Futtermitteln werden 25 Prozent im Ausland produziert und auch bei mineralischen Düngemitteln sind wir auf Import angewiesen. Wir brauchen daher eine vernünftige Kombination aller Handelsströme: Kürzere Ketten auf regionaler Ebene, ohne dem Binnenmarkt zu schaden, aber dennoch auch weltweiten Handel.“
„Freihandelsabkommen bedeuten zwar grundsätzlich eine Liberalisierung und auch Vorteile für Europa, aber die heimischen Landwirte sorgen sich, dass sie hohe Standards erfüllen müssen und Drittstaaten nicht. Das führt unweigerlich zu Wettbewerbsverzerrungen. Zwei Punkte sind deshalb wichtig: Erstens, Europa muss bei Handelsabkommen stärker darauf achten, dass Drittstaaten ähnliche Vorgaben einzuhalten haben. Zweitens, wenn es zur Einfuhr kommt, darf es keine Kompromisse bei Gesundheitsstandards geben.“
Fankhauser: Landwirtinnen und Landwirten Flexibilität ermöglichen
Die Lehren aus der Corona-Pandemie, die dazu in Auftrag gegebene Studie sowie Chancen der aktuellen Krisen präsentierte Johannes Fankhauser, Leiter der Sektion II – Landwirtschaft und ländliche Entwicklung im Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (BMLRT). „Die Krise hat gezeigt, dass die Landwirtschaft krisenfest ist, aber dass es auch Grenzen gibt. Bei Mehl und Teigwaren war die Nachfrage immens, aber die heimischen Mühlen haben gut reagiert und die Produktion hochgefahren. Insgesamt muss festgehalten werden, dass die Lebensmittelversorgung und die gesamte Wertschöpfungskette von der Landwirtschaft über die Verarbeitung bis zum Teller große Auswirkungen auf die Beschäftigung in Österreich haben. Gleichzeitig gibt es eine große Abhängigkeit der Landwirtschaft und der Lebensmittelbranche von ausländischen Arbeitskräften.“
„Wir stehen zu den internationalen Handelsbeziehungen und sind klar exportorientiert, aber auch der inländische Markt muss vor dem Hintergrund der steigenden Direktvermarktung berücksichtigt werden. Das BMLRT will daher die gesamte Wertschöpfungskette beleuchten und gemeinsam mit der Lebensmittelbranche an Lösungen zu folgenden Themen arbeiten: Produktionskette, Arbeitseinsatz, Absatzmarkt, Preisdruck und Fördermittel. Wir wollen das auch in die GAP einbringen, um die Lebensmittelversorgung krisenfester zu machen sowie Herausforderungen wie Klimawandel und Biodiversität bestmöglich zu lösen. Es geht dabei weniger um die Unterscheidung zwischen biologischer und konventioneller Landwirtschaft, sondern darum, Leistungen für Klima und Umwelt herauszustreichen und dabei den Landwirtinnen und Landwirten Flexibilität anzubieten. Wir haben dazu gemeinsam mit Partnern aus der Saatgutwirtschaft ein Projekt auf den Weg gebracht, um überregional klimaresistente Sorten zu züchten. Damit können wir den Landwirtinnen und Landwirten in Österreich auch künftig standortgerechte Sorten anbieten.“
Wintertagung 2021 in neuem Format
Bei der 68. Wintertagung macht sich das Ökosoziale Forum von 21. bis 28. Jänner 2021 mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf die Suche nach Lösungsansätzen für eine nachhaltige, zukunftsfitte und resiliente Wertschöpfungskette bei Lebensmitteln. Unter dem Motto „Gemeinsam is(s)t man besser: Gemeinsam aus der Krise lernen. Gemeinsam zukunftsfit werden.“ werden Wege und Perspektiven für die Landwirtschaft erörtert. Dabei sind jede und jeder gefordert, mitzudiskutieren und mitzumachen – das neue, digitale Gesicht der Wintertagung 2021 macht es möglich: Alle neun Fachtage stehen online und kostenfrei als Live-Webinare zur Verfügung und werden durch Beiträge in der Mediathek erweitert und ergänzt!
Ausblick: Fachtage Schweinehaltung und Berg & Wirtschaft
Zukunftsorientiert – das ist das Motto des kommenden Fachtages Schweinehaltung am 27. Jänner der Wintertagung 2021 des Ökosozialen Forums. Schweinefleisch ist nach wie vor das beliebteste Fleisch der Österreicherinnen und Österreicher und aus vielen Küchen nicht wegzudenken. Zudem ist es ein Exportschlager bis nach Asien. Doch mit der COVID-Krise kamen zahlreiche neue Herausforderungen. Die Expertinnen und Experten gehen daher der Frage nach, wie sich die Branche besser auf die nächste Krise vorbereiten kann und wirtschaftlich erfolgreich bleibt. Antworten darauf, wie die Schweinebranche Anforderungen wie Umwelt- und Klimaschutz sowie Regionalität unter einen Hut bekommen können, finden sich in der Wintertagungs-Mediathek. Sie widmen sich zudem der Frage, wie wir sicherstellen können, dass das Lieblingsfleisch der Österreicherinnen und Österreicher trotz Krisen in der nachgefragten Menge auf den Teller kommt.
Kuhurteil, große Beutegreifer, Vermüllung und Mountainbiker: Konfliktpotenzial gibt es auf den Almen genug. Jede Nutzungsgruppe – ob Landwirtschaft, Tourismus- und Freizeitwirtschaft oder Umweltschutz – sieht in der Regel die eigenen Ansprüche als berechtigt an und blendet jene von anderen Gruppen gerne aus. Beim Fachtag Berg&Wirtschaft am 27. Jänner im Rahmen der Wintertagung 2021 des Ökosozialen Forums wollen die Expertinnen und Experten die verschiedenen Ansprüche unter einen Hut bringen. Sie zeigen zudem Synergien auf und stellen ihre Ideen vor, um unsere Almen krisenfest zu machen. Der Best-Practice-Teil steht ihnen online in der Wintertagungs-Mediathek zur Verfügung. Dort werden innovative Initiativen und alternative Vermarktungsmöglichkeiten von Almwirtschaftsprodukten vorgestellt. Diese sollen die Bäuerinnen und Bauern dazu ermutigen, aus den üblichen Bahnen auszubrechen und etwas Neues zu versuchen.
Detaillierte Informationen zur Wintertagung 2021 sowie die Mediathek finden Sie unter https://oekosozial.at/unsere-themen/landwirtschaft/wintertagung-2021-2/wintertagungs-mediathek/