Experten am Fachtag Kommunikation der 68. Wintertagung des Ökosozialen Forums: Landwirtschaft wird v.a. über Agrarpolitik erzählt und zu wenig über Lebenswelt der Bäuerinnen und Bauern.
Das Ökosoziale Forum diskutierte heute beim Fachtag Kommunikation im Rahmen der Wintertagung 2021 mit Vertreterinnen und Vertretern von Wissenschaft, Medien und der landwirtschaftlichen Praxis zum Thema „Versorgungssicherheit mit Informationen“. Im Fokus stand dabei das Spannungsfeld zwischen aktuellen Inhalten in der Agrarkommunikation und dem, was sich die Konsumentinnen und Konsumenten erwarten. Insgesamt waren heute rund 900 Teilnehmerinnen und Teilnehmer via Livestream dabei. In der Mediathek finden sich zudem Beiträge zu Best Practice-Beispielen aus unterschiedlichen Kanälen sowie zu den präsentierten Inhalten.
Pernkopf: Bäuerinnen und Bauern Mut machen, selbst zu kommunizieren
Der Präsident des Ökosozialen Forums, Stephan Pernkopf, betonte eingangs des Fachtags Kommunikation den eigenen Anspruch, Dialogforen zur Verfügung zu stellen. „Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig eine gute Kommunikation ist. Gerade in der Landwirtschaft stehen wir in einem Kommunikations-Spannungsfeld zwischen den Produzentinnen und Produzenten, dazwischen geschalteten Sendern und den unterschiedlichsten Empfängerinnen und Empfängern. Es ist daher nicht leicht, seine Informationen an die Frau und den Mann zu bringen. Da muss sich die Landwirtschaft gut aufstellen und es ist auch ein Kernanliegen des Ökosozialen Forums, für eine klare Kommunikation zu sorgen und unterschiedliche Player zusammenzubringen. Jeder hat ein Recht auf eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten. Wir wollen aber auch den Bäuerinnen und Bauern Mut machen, selbst zu kommunizieren, denn das ist am authentischsten und glaubwürdigsten. Das sieht man auch daran, dass die Abhof-Vermarktung durch Corona um 41 Prozent gestiegen ist.“
Konzett: Geht zu selten um Lebenswelten der Bäuerinnen und Bauern
Eva Konzett, Redakteurin beim Falter, sprach in ihrem Vortrag zum Thema „Was wollen die Menschen hören?“ über das Grunddilemma der Agrarkommunikation: „Die Bäuerinnen und Bauern stehen selbst zu wenig in Kontakt mit den Konsumentinnen und Konsumenten und sprechen sie auch zu wenig an. Die Bäuerinnen und Bauern haben aber eigentlich viel zu erzählen und es würde die Menschen auch interessieren. Nur wird die Landwirtschaft oft falsch positioniert, von den falschen Leuten vorgetragen und sie erzählt die Geschichten falsch. Es kommt zu einer künstlichen Verkitschung mit Bilderbuchgeschichten und es geht zu selten um die Bäuerinnen und Bauern und deren tatsächlichen Lebenswelten.“
„Wenn ich über Agrarpolitik und den Green Deal lese, dann lese ich ganz selten von Bäuerinnen und Bauern, sondern nur von Vertreterinnen und Vertretern der Agrarpolitik. Das kommt bei kritischen Konsumentinnen und Konsumenten nicht an. Es sind zu viele Zahlen, es sind zu hohe Mauern, es ist zu wenig Narratives. Informationen werden am besten aufgenommen, wenn sie über Menschen erzählt werden. Wir benötigen also echte Bäuerinnen und Bauern, und zwar nicht nur als Stafette für eine glorifizierte Vergangenheit, sondern als aktuelle Akteurinnen und Akteure. Wir brauchen einen anderen Blickwinkel, neue Formate und gutes Storytelling. Wir brauchen die Geschichten besser erzählt.“
Dietrich: Lebenswelten und Interessen der Zielgruppe kennen
Nicola Dietrich, Mitglied der Geschäftsleitung von Styria digital one, ging eingangs ihres Vortrags auf Mediennutzungstrends durch die Corona-Krise ein. „Die Menschen verbringen die meiste Zeit ihrer Mediennutzung digital und vor allem auf dem mobilen Endgerät – mobil ist also trotz Corona enorm gestiegen. Social Media ist zwar immer noch beliebt, aber den Nachrichten- und Qualitätsmedien schenken die Menschen eher Aufmerksamkeit – sie sind Profiteure von Corona. Auch Podcasts und Streaming-Dienste werden stärker genutzt und der Gaming-Sektor ist ebenfalls gewachsen, weil den Leuten langweilig geworden ist. Wer hat verloren? Lineares Fernsehen war am Beginn der Corona-Krise ein Profiteur, der Boom hat aber abgenommen und ist jetzt auf Vorkrisenniveau, ebenso wie Radio und Youtube.“
„Wie geht man jetzt vor? Dazu muss man sich mehrere Faktoren anschauen. Es geht um die richtige Zielgruppe, den Kanal und den Zeitpunkt sowie natürlich den richtigen Content. Wenn man ein Thema hat, muss man sich überlegen: Hat das wirklich in allen Zielgruppen die gleiche Bedeutung und wie kann ich das Thema für die Zielgruppe spannend inszenieren? Themen müssen in den einzelnen Interessengruppen Spannung erzielen. Auch die Customer Journey ist wichtig. Die beginnt bei einem Menschen, der ein Produkt noch nicht kennt, in der sogenannten Awareness-Phase. Dann recherchieren er oder sie über das Produkt, entscheiden sich für oder gegen den Kauf und im Idealfall kaufen sie es wiederholt. Beim Fleisch kann es eine kurze Entscheidungsphase sein, beim Auto eine längere. Die Inhalte müssen auf die unterschiedlichen Punkte dieser Customer Journey und auf die Interessen der Menschen abgestimmt sein.“
Wintertagung 2021 in neuem Format
Bei der 68. Wintertagung macht sich das Ökosoziale Forum von 21. bis 28. Jänner 2021 mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf die Suche nach Lösungsansätzen für eine nachhaltige, zukunftsfitte und resiliente Wertschöpfungskette bei Lebensmitteln. Unter dem Motto „Gemeinsam is(s)t man besser: Gemeinsam aus der Krise lernen. Gemeinsam zukunftsfit werden.“ werden Wege und Perspektiven für die Landwirtschaft erörtert. Dabei sind jede und jeder gefordert, mitzudiskutieren und mitzumachen – das neue, digitale Gesicht der Wintertagung 2021 macht es möglich: Alle neun Fachtage stehen online und kostenfrei als Live-Webinare zur Verfügung und werden durch Beiträge in der Mediathek erweitert und ergänzt!
Ausblick: Fachtage Geflügelhaltung und Ackerbau
Am diesjährigen Fachtag Geflügelhaltung am 26. Jänner im Rahmen der Wintertagung 2021 des Ökosozialen Forums steht die Wertschöpfungskette im Fokus. Diese hat sich in den vergangenen Jahrzehnten von einer Wertschöpfung, die nahezu ausschließlich am Hof stattgefunden hat, zu einem vielgliedrigen Prozess von der Aufzucht über die Futterproduktion bis hin zu Lieferwegen und Verkauf gewandelt. Das hat zwar einige Vorteile, aber eben auch – wie gerade in der Corona-Krise spürbar wurde – Nachteile. Die Expertinnen und Experten präsentieren und diskutieren dazu Herausforderungen und Chancen entlang der Wertschöpfungskette. In der Mediathek stehen Beiträge zur Gesundheit von Tieren als Voraussetzung für gesunde Lebensmittel sowie Maßnahmen zur Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten bereit.
Beim Fachtag Ackerbau erörtern die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Auswirkungen der Corona-Krise, die auch in Österreichs Landwirtschaft deutlich spürbar sind. Sie gehen zudem der Frage nach, welche Erfahrungen wir in der Krise sammeln konnten und wie wir unsere Wertschöpfungskette vorbereiten müssen, damit wir auch morgen gut versorgt sind? In der Mediathek sind zudem Vorträge von Expertinnen und Experten abrufbar, die sich der Versorgungssicherheit der Landwirtinnen und Landwirte mit Betriebsmitteln sowie dem Spagat zwischen Versorgungssicherheit und Umweltschutz widmen.
Detaillierte Informationen zur Wintertagung 2021 sowie die Mediathek finden Sie unter https://oekosozial.at/unsere-themen/landwirtschaft/wintertagung-2021-2/wintertagungs-mediathek/