Demokratie ist die Grundlage für das politische System in Österreich. Doch Demokratie ist mehr als Mehrheitsentscheide. Und manchmal entscheidet auch nicht einmal die Mehrheit.

Österreich besetzt in diesen Wochen das Präsidentenamt neu. Dies geschieht in einer Wahl, bei der die über 16 Jahre alten StaatsbürgerInnen aus ursprünglich sechs KandidatInnen das künftige Staatsoberhaupt auswählen können. Das allgemeine, unmittelbare, gleiche, freie und geheime Wahlrecht ist ein Grundelement der Demokratie. Aber nicht das einzige. Auch in nicht-demokratischen Systemen gibt es Wahlen. Auch wenn die Bevölkerung eigentlich keine Wahl hat, werden formell Wahlen abgehalten, stellen diese doch eine wichtige Legitimation von Regierungen oder Entscheidungen dar. Neben Wahlen braucht Demokratie auch Rahmenbedingungen wie Grundund Menschenrechte, Gewaltenteilung, einen Rechtsstaat und Ähnliches.

Der Politologe David Campell geht in seiner Bewertung der weltweiten Demokratien über den klassischen Katalog politischer und Freiheitsrechte noch hinaus. Diesem Ranking liegen – wenn auch weniger gewichtet als Pressefreiheit, friedliche Regierungswechsel und das Fehlen von Korruption – ebenso ökologische, ökonomische und soziale Kriterien zugrunde.

Im Global Democracy Ranking, in der die Qualität der Demokratie in 113 Ländern bewertet und verglichen wird, liegt Österreich derzeit auf dem elften Platz (die Topplätze machen regelmäßig die Skandinavier und Schweizer unter sich aus). Bei Gesundheit und Wirtschaft schneidet Österreich dabei sehr gut ab, bei Bildung und politischen Rechten recht gut. Bei der Gleichstellung der Geschlechter gibt es wohl noch Verbesserungspotenzial und bei der Umwelt liegt Österreich (wie die meisten Industrieländer) weniger gut.

Demokratie heißt, sich in die eigenen Angelegenheiten einzumischen. Dieser bekannte Kalenderspruch stammt vom Schriftsteller Max Frisch. Doch nicht jeder und jede, die in Österreich lebt, darf mitbestimmen. Aktiv wahlberechtigt für die Teilnahme an sämtlichen Wahlen ist eine Österreicherin oder ein Österreicher, wenn sie oder er das 16. Lebensjahr vollendet hat. Kinder haben also noch keine Stimme. Auch Menschen, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, sind bei Wahlen stimmlos (lediglich EU-Bürger sind bei Gemeinderatswahlen bzw. in Wien bei Bezirksvertretungswahlen sowie bei Europawahlen stimmberechtigt).

Wer entscheidet?

24. April wahlberechtigt. Nicht wahlberechtigt waren die etwa 1,1 Millionen in Österreich lebenden ausländischen Staatsangehörigen und die rund 1,1 Millionen Personen unter 16 Jahren. Doch auch nicht alle, die ihre Stimme abgeben dürfen, nahmen an der Wahl teil. Die Wahlbeteiligung geht seit 1945 tendenziell zurück. 31,5 Prozent der Wahlberechtigten gaben bei der ersten Runde der Bundespräsidentenwahl keine Stimme ab – entweder, weil sie ihre Stimme als nicht wahlentscheidend ansahen, aus Desinteresse, Protest oder aufgrund einer Verhinderung. Der Nichtwähler oder die Nichtwählerin ist kein klar fassbarer Typ. Dennoch legen Untersuchungen der deutschen Bertelsmann Stiftung nahe, dass bestimmte soziale oder ökonomische Gruppen weniger häufig an Wahlen teilnehmen als andere. Kurz: Je prekärer die Lebensverhältnisse, desto weniger Menschen gehen wählen. Daraus leiten die Autoren den Schluss ab, dass die soziale Ungleichheit der Wahlbeteiligung steigt und das Wahlergebnis der deutschen Bundestagswahl 2013 sozial nicht mehr repräsentativ ist.

Partizipation beschränkt sich nicht nur auf das Wählen von VertreterInnen. Viele sehen die direkte Demokratie als die „bessere, weil demokratischere“ Beteiligung. Einerseits besteht bei Volksbefragungen oder Volksabstimmungen die Möglichkeit, direkt über eine konkrete Frage zu entscheiden. Andererseits kann bei Ja-Nein-Abstimmungen kein Kompromiss ausgehandelt werden. Gerade bei geringer Beteiligung und knappen Ergebnissen kann dies auch problematisch sein.

Kompromisse und das Abwägen von Standpunkten sind Charakteristika demokratischer Aushandelsprozesse. Genau dies vermittelt manchmal den Eindruck, dass sich nichts bewegt und Entscheidungen lange dauern. Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt brachte das mit der Aussage auf den Punkt: „Das Schneckentempo ist das normale Tempo jeder Demokratie.” Und doch wirkt der vermeintliche Stillstand als Hauptgrund für das (partei-)politische Desinteresse.

Gesellschaftliche Beteiligungsformen gehen weit über das klassische politische Feld hinaus. Demokratie – so der Anspruch – sollte in vielen gesellschaftlichen Bereichen wirken: Familie, Schule, Hauseigentümergemeinschaften, Genossenschaften oder Vereinen. Gerade in diesen Bereichen wird deutlich, dass es nicht nur um eine Abstimmung geht, sondern um einen Diskussionsprozess und die Einigung auf eine für möglichst alle Beteiligten gute oder zumindest akzeptable Lösung.