Mehr als 60 Jahre nach der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl steht die Energiepolitik wieder ganz oben auf der politischen Agenda der EU. Ursprünglich sollte sie den Frieden in Europa garantieren. Heute hat sie weitreichendere Aufgaben: sie soll die Selbstbestimmtheit der Union gewährleisten, den Kampf gegen den Klimawandel forcieren und Arbeitsplätze in einer nachhaltigen Energie- und Wirtschaftslandschaft schaffen.
Die Energieimportabhängigkeit der Union ist seit ihrem Bestehen immens gestiegen. 53% der Energie werden mittlerweile aus dem EU-Ausland importiert. Bei Gas sind es 67% und bei Öl sogar 85%. Dabei spielt Russland eine große Rolle, weil es knapp ein Drittel dieser beiden fossilen Energieträger liefert. Darüber hinaus ist die bestehende Energieinfrastruktur teilweise veraltet und der gemeinsame EU-Energiebinnenmarkt derzeit noch von seiner vollständigen Realisierung entfernt. Außerdem ist nicht absehbar, wie lange sich der aktuelle Tiefstand des Ölpreises auf diesem Niveau halten wird und ob er nicht bald wieder steigt.
Die Energiepolitik der Union hat aber im Zusammenspiel mit der Wirtschaftskrise auch dazu geführt, dass der Energieverbrauch 2013 auf den tiefsten Stand seit 1995 gesunken ist und die erneuerbaren Energien mit 14% den höchsten Anteil in der Geschichte der EU erreicht haben. Manche Mitgliedsstaaten wie Finnland, Schweden, aber auch Österreich sind bei erneuerbaren Energien Vorreiter. Um diese Erfahrungswerte zu nutzen, den europäischen Energiemarkt auf mehrere Standbeine zu stellen und so die Abhängigkeit von wenigen oder sogar nur einem Lieferanten sukzessive zu reduzieren, ist es wichtig und notwendig, die gesamte Union auf einen gemeinsamen, koordinierten Energiepfad einzuschwören.
Gleichzeitig müssen die erneuerbaren Energien sowie die dafür notwendigen Netze weiter ausgebaut werden. Außerdem sollte die Forschung an neuen Technologien (wie z.B. leistungsstarken Batterien aus heimischen Rohstoffen) vorangetrieben und wirtschaftlich sowie umwelttechnisch nicht nachhaltige Energiequellen wie die Atomenergie langsam zurückgefahren werden. Gerade in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit kann eine koordinierte, europäische Energieinfrastrukturpolitik für die nötigen Impulse sorgen, um nicht nur kurzfristig, sondern auch auf lange Sicht die Wertschöpfung im Energiebereich im Inland bzw. in Europa zu halten. Warum sollen wir Devisen ins Ausland transferieren, wenn wir mittlerweile in der Lage sind, Strom wirtschaftlich effizient zu produzieren, klimaschonend und mit lokalen Arbeitsplätzen, die langfristig gesichert sind. Das ist regionale Wertschöpfung mit globalem Impact.
Die wichtigsten Zahlen und Fakten zu den Bereichen Strom, Wärme und Kälte, Verkehr und Mobilität sowie Energieeffizienz in Europa finden Sie in der Publikation Europäische Energiewende, hg. v. Ökosozialen Forum Europa, Februar 2015