Seit Beginn des globalen Wirtschaftswachstums mit der industriellen Revolution hat sich die Welt umfassend verändert. Durch Wirtschaftswachstum wurde Wohlstand für breite gesellschaftliche Schichten möglich. Angesichts ökologischer Grenzen in Hinblick auf Ressourcen und Senken, welche die Grundvoraussetzung menschlicher Existenz und damit auch unserer Wirtschaft darstellen, bringt ein fortwährendes quantitatives Wachstum aber auch Gefahren mit sich. Wachstum ist nicht nur ein Problemlöser, sondern auch Problemverursacher bzw. Problemverstärker, beispielsweise bei Klimawandel, der Versauerung der Ozeane, Biodiversitätsverlust oder Umweltverschmutzung.

Dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ein ungenügender Indikator für eine ganzheitliche positive gesellschaftliche Entwicklung darstellt, ist weithin anerkannt. Das ist nicht zuletzt deshalb der Fall, weil die Beseitigung der Schäden von Umweltkatastrophen oft einen positiven Effekt auf das BIP hat: Jede zusätzliche marktliche Aktivität steigert das BIP – auch wenn es sich aus Wohlstandssicht um defensive Tätigkeiten handelt, die besser vermieden werden sollten. Ein eindimensionaler Indikator wie das BIP kann die Komplexität des Ziels
„gesellschaftlicher Wohlstand“ schlicht nicht ausreichend abbilden. Mangels besserer Alternativen wird dennoch immer wieder das BIP als Bezugspunkt für wirtschaftspolitische Zielsetzungen verwendet.

Umso wichtiger ist es daher, das Primat des quantitativen Wirtschaftswachstums in Frage zu stellen, nach Alternativen und geeigneteren Indikatoren zu suchen und das BIP immer zusammen mit anderen Indikatoren zu verwenden, um eine ganzheitliche Sichtweise zu fördern und damit ein qualitatives und inklusives Wachstum zu ermöglichen. Diese breitere Sicht sollte dann in den gesellschaftlichen Diskurs eingebracht werden. Unsere Wirtschaftsordnung und Entscheidungen darüber, was produziert wird, würden von aussagekräftigeren Indikatoren profitieren.

Der technische Fortschritt verändert unsere Gesellschaft kontinuierlich. Besonders betroffen sind dabei unsere Arbeitswelt, die Produktion, die Mobilität und die Kommunikation. Während der technologische Wandel durchaus im Dienste der Umwelt wirken kann, können Rebound-Effekte auch erzielte Verbesserungen (über-)kompensieren – zum Beispiel wenn Kosteneinsparungen zu Konsumerhöhungen führen, die am Ende ökologisch kontraproduktiv sind. Insofern muss eine tatsächliche und dauerhafte Entkoppelung von Wirtschaftsleistung und Umweltbelastung gelingen.

Sicher ist, dass die Relevanz ökologischer Wachstumsgrenzen politisch mehr Berücksichtigung finden muss, wenn eine Ökosoziale Marktwirtschaft erreicht werden soll. Selbst wenn mit einer ökosozialen Steuerreform ein fundamentaler Schritt in Richtung Nachhaltigkeit gesetzt wird und die Preise die „ökologische Wahrheit“ sagen, bleibt die Expansionstendenz marktwirtschaftlicher Systeme in einer begrenzten Umwelt ein wichtiges Problem. Hier ist politische Phantasie gefordert, die über etablierte Vorstellungen von Wachstum und Wohlstand hinausgeht. So wäre die Erkenntnis, dass Wirtschaftswachstum durchaus unwirtschaftlich sein kann – wenn seine negativen Folgen seinen Nutzen übersteigen –, ein Beitrag zu einem reflektierten Diskurs über Wachstum und andere wirtschaftspolitische Zielsetzungen. Das Konzept der Ökosozialen Marktwirtschaft versteht sich als Beitrag zu diesem gesellschaftlichen Such- und Lernprozess.