Weltweit ziehen Menschen vom ländlichen Raum in die Städte. Auch wenn die Gründe vielschichtig und die Probleme in verschiedenen Regionen der Welt höchst unterschiedlich sind, bedeuten Landflucht und Verstädterung eine grundlegende Herausforderung für Infrastruktur und Raumplanung sowie die Versorgungssicherheit. Die unterschiedliche Bevölkerungsentwicklung zu moderieren und auch mit ökologischen Zielen in Einklang zu bringen ist eine der großen Herausforderungen, auf die eine zeitgemäße Raumordnung innovative Antworten geben muss.

Auch in Österreich nimmt die ländliche Bevölkerung insbesondere in peripheren Gebieten ab, während Städte und städtische Räume weiter wachsen. Städtische Räume bieten – auch in Österreich – häufig attraktivere Lebensbedingungen als ländliche Räume. Von ganz besonderer Bedeutung sind dabei die vielfach vor allem in urbanen Räumen angebotenen und für die dortige Bevölkerung leicht erreichbaren Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten. Darüber hinaus ist im städtischen Raum auch der Zugang zu Kultur und medizinischer Versorgung einfacher. Im ländlichen Raum ist dagegen das Wohnen im Allgemeinen günstiger und wird oft auch aufgrund landschaftlicher Attraktivität und größerer Ruhe sehr geschätzt.

Verstädterung ist insbesondere im Umland der Städte und entlang wichtiger Verkehrsachsen ein großes Problem. Gerade in solchen Gebieten ist Wohnraum noch vergleichsweise günstig und bietet auch die Vorteile eines Lebens in der Nähe zu urbanen Zentren. Gleichzeitig sind solche Räume aber auch sehr attraktiv für Gewerbeansiedlungen, da aufgrund der Stadtnähe auch die Märkte nah und schnell erreichbar sind. Die negativen Wirkungen einer zunehmenden Verstädterung sind allerdings erheblich. So bewirkt die Ausweitung von Bauflächen einen zunehmenden Bodenverbrauch, steigendes Verkehrsaufkommen und einen Rückgang landwirtschaftlicher Flächen. Traditionell liegen Siedlungsgebiete dort, wo sich die produktivsten Böden befinden. Im Stadtumland findet Bodenversiegelung dann oft auf landwirtschaftlich sehr wertvollen Flächen statt, die in der Folge dauerhaft nicht mehr für die Nahrungsmittelproduktion zur Verfügung stehen.

Mit zunehmender Bodenversiegelung gehen wichtige Bodenfunktionen (wie Wasser- und CO2-Speicherung, Filterfunktionen, Lebensraum für Pflanzen und Tiere) verloren. Auch das Verkehrsaufkommen und die damit einhergehenden Emissionen von Lärm und Treibhausgasen nehmen zu. In stadtfernen peripheren Räumen kann es hingegen dazu kommen, dass mit abnehmender Bevölkerungszahl vorhandene Infrastruktur nicht mehr vollständig ausgenutzt wird, diese mit einem laufend geringer werdenden Gemeinde-Budget erhalten oder rückgebaut werden muss, was die Lebensqualität für die Menschen weiter verschlechtert.

Ländliche Räume sind Lebens-, Erholungs- und Wirtschaftsräume für Menschen in der Stadt und am Land. Die verschiedenen Ansprüche und die Nutzungskonkurrenz von unterschiedlichen Gruppen sind so zu moderieren, dass ländliche und urbane Räume ihre Funktionen wechselseitig ergänzend erfüllen und gleichermaßen lebenswert sind.

Die Vermeidung der negativen Konsequenzen von Landflucht und Verstädterung ist eine große Herausforderung an die Politik. Sie muss mit geeigneten Maßnahmen dazu beitragen, dass nicht nur städtische Zentren, sondern auch ländliche Räume attraktiv für die Ansiedlung von Menschen und regionalen Unternehmen sind. Diese sollten möglichst bodensparend durchgeführt werden. Priorität hat daher die Attraktivierung der Ortskerne durch Leerstands(um)nutzung, Förderung von Nachnutzungen und verdichteter Bauweise.

Raumplanerisch ist abzusichern, dass Bodenverbrauch, soweit nicht grundsätzlich vermeidbar, gesteuert und möglichst reduziert wird. Auf diese Weise ist zu gewährleisten, dass land- und forstwirtschaftliche, aber auch für den Naturschutz wertvolle Flächen umfangreich erhalten bleiben – etwa durch die Definition von Vorrangflächen, erhaltenswerten Landschaftsteilen oder Siedlungsgrenzen – und ländliche Räume damit weiter ihre Versorgungs-, Entsorgungs- und Erholungsfunktionen sowie ihre ökologischen und kulturhistorischen Funktionen (auch für städtische Räume) erhalten. Auch bei der Bereitstellung von Erneuerbarer Energie bzw. zur Steigerung der Energieeffizienz von Siedlungsräumen kann die Raumplanung (Stichwort Energieraumplanung) eine wichtige Rolle spielen. Die Bewältigung des Klimawandels wird ohne eine stärkere politische Nutzung der Raumordnungsinstrumente nicht möglich sein. Raumordnung muss daher noch mehr als bisher über Gemeindegrenzen hinweg betrachtet und gesteuert werden.

Ein Dorf der kurzen Wege stellt ein umfangreiches, wohnortnahes Angebot an Arbeits- und Ausbildungsplätzen sowie Infrastruktur zur Deckung des täglichen Bedarfs, wie beispielsweise auch Nahversorgung, Telekommunikations- oder Mobilitätsdienstleistungen oder medizinische Versorgung, zur Verfügung. Eine wesentliche Bedeutung dürfte dabei der Digitalisierung zukommen, die auch auf diesem Feld zahlreiche innovative Entwicklungsmöglichkeiten bietet. Grundsätzlich ist darauf zu achten, dass ländlich Räume für alle Bevölkerungsschichten attraktiv gestaltet werden. Derzeit ziehen häufig junge Frauen aus den ländlichen Regionen weg. Besonders ihnen und jungen Familien müssen ländliche Räume langfristig eine attraktive Perspektive zum Wohnen und Arbeiten sowie auch für die Kinderbetreuung bieten. Entwicklungschancen in Stadt und Land sollen für die Menschen grundsätzlich gleichwertig sein.