Arbeit – sowohl Erwerbsarbeit als auch unbezahlte beispielsweise Pflegearbeit – ist Ausdruck menschlicher Lebensgestaltung, die einerseits als sinnstiftend und bereichernd, andererseits auch als belastend empfunden werden kann. In der Arbeitswelt vollziehen sich derzeit weitreichende Transformationen, allen voran durch die Digitalisierung und Automatisierung von Arbeitsprozessen. Die Automatisierung hat einerseits das Potenzial zur Humanisierung der Arbeit (monotone Tätigkeiten können maschinell verrichtet und die Arbeitskräfte für interessantere, weniger eintönige Tätigkeiten eingesetzt werden), andererseits besteht durch höhere Transparenz auch die Gefahr der weitreichenden Überwachung und des zunehmenden Leistungsdrucks. Bestimmten Beschäftigungsgruppen droht der Verlust des Arbeitsplatzes einerseits wegen mangelnder Qualifikationen, andererseits durch die Globalisierung digitalisierter Arbeit. Eine weitere wichtige Transformation betrifft die Notwendigkeit, Arbeitsprozesse und Produkte und Dienstleistungen umweltverträglicher zu gestalten, etwa in der Energieproduktion oder in der Automobilindustrie.
Die voranschreitende Digitalisierung und dringende Ökologisierung betrifft nicht nur die Erwerbsarbeitswelt, sondern hat auch Auswirkungen auf die Arbeitsleistungen in den privaten Haushalten. Legt man einen nicht nur erwerbsarbeitsorientierten Arbeitsbegriff zugrunde, so sind auch die überwiegend von Frauen unentgeltlich erbrachten Haushalts- und Pflegetätigkeiten als gesellschaftlich notwendige Arbeit anzusehen. Durch die zunehmende Erwerbsbeteiligung von Frauen und das Infragestellen tradierter Geschlechterrollen gerät die Erledigung und Organisation dieser Arbeiten zunehmend unter Druck. Die Doppelbelastung durch Beruf und Familie ist für viele erwerbstätige Frauen (und Männer) immer noch sehr hoch. Auch durch familiäre und außerfamiliäre (oft auf prekäre Arbeitsverhältnisse basierende) Unterstützung bleibt Pflege bis heute weiblich konnotiert, unterbezahlt und basiert teilweise auf globaler sozialer Ungleichheit. Aber nicht nur die Frage der Verteilung bezahlter und unbezahlter Arbeit (zwischen den Geschlechtern), sondern auch die Frage nach der Finanzierung sozialer Absicherung ist im Licht demographischer Veränderungen und flexiblerer Arbeitsformen neu zu beantworten. Derzeit fußt diese in erster Linie auf der Besteuerung und Abgabenleistungen von Erwerbsarbeit.
Ebenso ist zu berücksichtigen, dass die Einkommensverteilung entlang von anderen Ungleichheiten wie Geschlecht, Herkunft und Qualifikationsniveau zunehmend polarisiert. Nicht zuletzt wird dies auch durch das zeitliche Ausmaß der Beschäftigung beeinflusst (Stichwort „Teilzeitfalle“ bei Frauen). Auch lässt sich infolge der Flexibilisierung und Verdichtung sowie der Subjektivierung von Arbeit ein Wandel der Arbeitsbelastungen hin zu hohen psychischen Beeinträchtigungen (Burnout) feststellen. Seit einigen Jahren wird den Zusammenhängen von Arbeit und nachhaltiger Entwicklung wieder mehr wissenschaftliche Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei wird deutlich, dass die Themen formelle Erwerbsarbeit und private, alltägliche Lebensführung unmittelbar miteinander verknüpft sind. Eine soziale und ökologische Transformation muss daher asymmetrische Beziehungen sowie unterschiedliche Zugänge zu Macht und Einfluss auf unterschiedlichen Ebenen (betrieblich, national und international) thematisieren.
Um die gegenwärtig dominanten Arbeitsstrukturen und die damit zusammenhängenden Absicherungsmechanismen an die gegenwärtigen und zukünftigen sozialen und ökologischen Herausforderungen anzupassen, muss an vielen Stellschrauben gleichzeitig gedreht werden. Bildungseinrichtungen sollten die Jugend und auch Ältere auf eine sich ständig verändernde Arbeits- und Lebenswelt vorbereiten. Gleichzeitig muss die soziale Absicherung (Pension, Arbeitslosigkeit, Betreuungs- und Bildungskarenz, Krankheit) an gesellschaftliche Veränderungen angepasst und auf eine neue Finanzierungsbasis gestellt werden. Anstehende Veränderungen sind zum Beispiel eine längere Lebenserwartung, eine größere Gruppe an älteren Menschen im Vergleich zu Jungen, sich ändernde Geschlechterrollen, neue Krankheitsbilder durch Klimawandel oder negative Umwelteinflüsse, neue gesundheitliche Belastungen und neue Arbeitsformen sowie die Zunahme atypischer Beschäftigungsverhältnisse (unter dem Schlagwort „Gig Economy“ wird beispielsweise der wachsende Teil des Arbeitsmarktes verstanden, bei dem kleine Aufträge wie Essenslieferungen oder Beförderungsdienste kurzfristig an unabhängige Selbständige vergeben werden). Die Lebensarbeitszeit, die bezahlte Erwerbsarbeit und unbezahlte Familien- und Freiwilligenarbeit (Work-Life-Balance) werden sich anders verteilen müssen – was eine Neubewertung von Arbeit voraussetzt. Letzteres bedarf eines Diskurses über die Bedeutung, Bewertung und (Um-)Verteilung von Arbeit im weitesten Sinn.
Diese Veränderungen zu moderieren und vor dem Hintergrund aktueller Machtverschiebungen neue Verteilungen auszuhandeln, ist ein schwieriger demokratischer Prozess, der auf einer breiten Basis erfolgen muss und die gesamten Alltagspraktiken der Lebensführung zu berücksichtigen hat. Unternehmerinnen und Unternehmer, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Engagierte in Interessenvertretungen und Gewerkschaften sind gleichzeitig auch Bürgerinnen und Bürger, Konsumentinnen und Konsumenten. Bei der Gestaltung von Transformationsprozessen sind sie in ihren unterschiedlichen Rollen mit teilweise widersprüchlichen Interessen gefordert.