Durch die globale Klimaerwärmung und damit verbunden häufiger werdenden Extremwetterereignissen, Meeresspiegelanstieg, Begünstigung von Krankheiten sowie Biodiversitätsverlust und Umweltverschmutzung aufgrund von Flächendruck und Abholzung ist die Menschheit mit großen Veränderungen konfrontiert. Notwendig ist in dieser Situation eine rasche Reduktion des Treibhausgas- Ausstoßes mindestens gemäß dem Pariser Klimaabkommen („netto null“ im Jahr 2050). Dies soll durch die Umstellung auf CO2-sparende Produktionsmethoden, Konsumgewohnheiten und Lebensweisen erfolgen, die dazu führen, dass die negativen Auswirkungen des Klimawandels möglichst gering gehalten werden. Gleichzeitig sind Anpassungsmaßnahmen zu treffen, die nicht mehr vermeidbare negative klimatische Veränderungen abfedern können.
Ein ökosozialer und demokratischer Rechtsstaat schafft Rahmenbedingungen, die ein friedliches Miteinander ermöglichen, das auf persönlicher Freiheit und Selbstbestimmung der Einzelnen beruht, aber die Freiheit anderer – in anderen Teilen der Welt und auch nachfolgender Generationen – nicht einschränkt. Eine Solidarität heutiger und zukünftiger Generationen sowie zwischen den heute lebenden Generationen steht in Einklang mit den Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals – SDGs) der Vereinten Nationen (Agenda 2030) und strebt nach Fairness und einem guten Leben für alle – weltweit und auf Dauer. Die Umwelt, das Soziale und die Wirtschaft sind dabei ins Gleichgewicht zu bringen. Ein ökosozialer Ordnungsrahmen baut auf diesem Ausgleich zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Notwendigkeiten auf. Dies setzt ein Abwägen von Interessen und demokratische Aushandelsprozesse voraus und ist nicht immer einfach.
Primärer Allokationsmechanismus einer Ökosozialen Gesellschaft ist der Markt. Dieser soll so organisiert und geregelt sein, dass Preise auch die tatsächlichen ökologischen und sozialen Kosten widerspiegeln und den Verursachern in Rechnung gestellt werden. Gleichzeitig werden konzentrierte Marktmacht wie (Quasi-)Monopole oder Kartelle verhindert. Die Rahmenbedingungen für Wirtschaftsprozesse stellen dies sicher und erlauben innerhalb dieses Rahmens einen fairen Wettbewerb. Die Leitgedanken dahinter sind wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Chancengerechtigkeit und soziale Absicherung, ein berechenbarer Ordnungsrahmen und Subsidiarität, Fortschritt und Umweltschutz, Eigentum und Verantwortung – diese gilt es zu vereinen.
Ökosozial Wirtschaften heißt Wirtschaften mit Verantwortung. Konkret geht es unter anderem darum, fossile Energie durch erneuerbare Energien zu ersetzen, das ökologische und soziale Unternehmertum zu stärken, das Steuersystem leistungs- und umweltfreundlicher zu gestalten, faire Rahmenbedingungen für internationale Investments einzurichten, den öffentlichen Verkehr auszubauen und Forschungsaktivitäten zu fördern. Eine Ökosoziale Gesellschaft fußt auf einer umfassenden Bildung der Bevölkerung. Zur Förderung von ökosozialem und Wirtschaftswissen fließen wichtige Forschungserkenntnisse direkt in die pädagogische Aus- und Weiterbildung ein. Dabei wird sowohl Fakten- als auch Handlungs- und Orientierungswissen vermittelt sowie für aktuelle und mögliche künftige Problemstellungen sensibilisiert.
In Tradition der Sozialen Marktwirtschaft stehend handelt es sich bei der Ökosozialen Marktwirtschaft um einen ordnungspolitischen Ansatz. Marktwirtschaft soll die Wertschöpfungsfähigkeit der Wirtschaft verbessern und innovatives Unternehmertum fördern. Ein funktionierender Markt braucht Transparenz und klare Regeln sowie Haftungsmechanismen. In den folgenden Kapiteln wird beschrieben, was die Forderung nach einer ökosozialen Entwicklung für unterschiedliche gesellschaftliche Handlungsfelder bedeutet. Dabei geht es nicht um detaillierte Maßnahmenbeschreibungen oder tagespolitische Forderungen –, sondern um Grundsatzfragen, die für die Lebensqualität und Nachhaltigkeit unserer Gesellschaft von entscheidender Bedeutung sind.
Im Grundsatzpapier des Ökosozialen Forums anlässlich von 30 Jahren Ökosozialer Marktwirtschaft werden keine einfachen Lösungen für komplexe Probleme vorgelegt. Stattdessen wird anhand von der Themen: Internationalität, Wachstum, Demographie, Arbeit, Verteilung, Ressourcen, Energie, Raum, Ernährung und Landwirtschaft, Wissenschaft, Bildung, Digitalisierung und Governance aufgezeigt, wie das Leitbild einer Ökosozialen Marktwirtschaft zu einer angemessenen Balance wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Ziele beitragen kann. Dabei wird deutlich: Josef Rieglers Idee einer Ökosozialen Marktwirtschaft „wirkt“ – und ist aktueller denn je.
Wegweiser für die Generation Klimawandel.
Grundsatzpapier – 30 Jahre Ökosoziale Marktwirtschaft, hg. vom Ökosozialen Forum Österreich & Europa, unter der Mitwirkung von Christoph Badelt, Heinz Faßmann, Bettina Fuhrmann, Jochen Kantelhardt, Angela Köppl, Beate Littig, Fred Luks, Nebojsa Nakicenovic, Marianne Penker, Christiane Spiel und Michael Staudinger, Wien 2019