Wir essen immer mehr Fisch. In den vergangenen 50 Jahren hat sich der Pro-Kopf-Verbrauch von Fisch weltweit verdoppelt. Die globale Fischproduktion beläuft sich mittlerweile auf 171 Millionen Tonnen jährlich. Rund ein Drittel der internationalen Fischbestände gelten bereits als überfischt. Auf Einladung des Ökosozialen Forums Europa, des Centre for Development Research der BOKU und des Instituts für Umwelt, Friede und Entwicklung diskutierten renommierte ExpertInnen aus unterschiedlichen Bereichen über die heutigen Möglichkeiten für nachhaltige Fischproduktion, die Auswirkungen auf die Welternährung sowie den Konsum in Österreich und der Welt. Die Veranstaltung wurde von der Austrian Development Agency unterstützt.
Rebecca Metzner, die zuständige Leiterin in der FAO, wies auf die hohe Bedeutung von Fischerei für die Existenzsicherung in vielen Teilen der Welt hin. Einer von zehn Menschen weltweit bestreitet seinen Lebensunterhalt auf Basis von Fischerei oder Aquakultur. Eine große Herausforderung sieht Metzner in der Verhinderung von Überfischung in jenen Regionen, in denen politische und gesellschaftliche Steuerungsstrukturen und Rechtsstaatlichkeit schwach ausgeprägt sind. Angesichts der Ressourcen-Knappheiten kann es nicht darum gehen, möglichst viele Fische aus den Gewässern zu holen. Viel mehr muss die Wertschöpfung für die zur Verfügung stehende Menge an Fischen gesteigert werden. Um diese Neudefinition von ökonomischer Effizienz zu verankern, empfiehlt die FAO-Expertin einen Peer-to-peer-Ansatz. Metzner strich die Bedeutung von Fisch als Blaupause für die Wechselwirkungen der einzelnen UN-Nachhaltigkeitsziele heraus: „Nirgendwo ist die richtige Balance zwischen der Ernährung der Menschen, der wirtschaftlichen Entwicklung und den ökologischen Kapazitäten unseres Planeten eine größere Herausforderung als in unseren Flüssen, Seen und Meeren.“
50 % aller Wirbeltierarten weltweit sind Fische. Das sind 25.000 Arten, rund 60 % davon leben im Süßwasser, obwohl zwei Drittel unseres Planeten mit Meeren bedeckt sind. Fische sind gute Summenparameter für aquatische Ökosysteme. Wenn etwas nicht passt, kollabiert die Population. Besonders sensibel sind die tropischen Gebiete, führte der Professor für Hydrobiologie und Gewässermanagement Herwig Waidbacher aus. Fischwirtschaft in Österreich finde nur in „homöopathischen Dosen“ statt. Es wäre machbar, alles auf Biostandard zu produzieren. Antibiotikaeinsatz war ein Problem der 1990er Jahre, heute werden Fische geimpft, sodass der großflächige Einsatz von Antibiotika selbst in großen Aquakulturen nicht mehr nötig ist. Waidbacher strich die Bedeutung einer kleinstrukturierten Fischwirtschaft in Afrika heraus. Vor allem dort, wo Logistik und Kühlketten ein Problem darstellen, ist eine kontinuierliche Versorgung mit überschaubaren Mengenschwankungen anzustreben.
Laura Hundscheid, Studentin an der BOKU und Mitarbeiterin im Projekt SUSFISH in Burkina Faso, betonte die Wichtigkeit von Fisch in Burkina Faso. Aufgrund von Trockenheit wurden vor rund 50 Jahren Bewässerungssysteme angelegt, dadurch wurde Fischproduktion erst möglich. Heute entfallen zwei Prozent des burkinischen BIPs auf Fisch, die Bedeutung geht vor allem durch Subsistenzwirtschaft und Nebenerwerbstätigkeiten noch darüber hinaus. Wenn die nachgelagerten Bereiche wie Verarbeitung und Verkauf berücksichtigt werden, stellen Frauen die Mehrheit der Beschäftigten. Während in manchen Regionen im globalen Süden Menschen auf Fisch für die Nährstoffversorgung angewiesen sind, ist Fisch bei uns ein Luxusgut. Alternativ könnte im Norden beispielsweise auf Algen oder proteinreiche pflanzliche Produkte zurückgegriffen werden.
Die Tourismusobfrau vom Weißensee Almut Knaller appellierte an die KonsumentInnen, doch öfter in der Gastronomie nachzufragen, wo die Fische auf ihren Tellern herkommen. Fisch ist ein Luxusgut, dss selten, aber dafür bewusst genossen werden sollte. Der Fisch ist für den Tourismus von großer Bedeutung, nicht zuletzt in Orten am Wasser. Anzunehmen, dass in einem Lokal am See oder am Meer automatisch regionaler Fisch serviert wird, ist aber falsch. Auch wenn KonsumentInnen nur eine beschränkte Marktmacht haben, sollten sie diese nutzen. Am Weißensee sind von den acht autochtonen Fischarten nur mehr vier vorhanden. Um den Angeltouristen das gesuchte Erlebnis bieten zu können, werden Fische in die Seen gesetzt.
Fischereimeister Marc Mößmer, Mitbegründer der ARGE Biofisch, wies auf die Unterschiede der heimischen Fischarten hin. In Österreich besteht hauptsächlich Nachfrage nach Raubfischen wie Wels, Zander oder Hecht. Um ein Kilogramm Raubfisch zu produzieren, sind zehn Kilogramm Futterfische nötig. Andere Fischarten, die weiter unten in der Nahrungskette im Wasser stehen, werden einfach nicht gekauft, auch wenn sie produziert werden. Das hält man als Verkäufer dauerhaft nicht durch. Die ÖsterreicherInnen sind Gewohnheitstiere und traditionell keine Fischesser, nur wenige wissen, wie unterschiedliche Fisch zubereitet werden können, deswegen werden auch meist dieselben Fische und häufig Filetstücke gekauft. Hier müsste mehr Wissen vermittelt werden, damit der KonsumentInnen wissen, was sie mit Fisch alles machen können. In Österreich ist Fisch Sache von kleinen Betrieben, dennoch produzieren wir genauso viel Biofisch wie ganz Deutschland.
(c)Ökosoziales Forum/Dorothea Neubauer
v.l.n.r.: Hans Mayrhofer (Ökosoziales Forum), Rosana Kral (Centre for Development Research), Laura Hundscheid, Almut Knaller, Andreas Melcher (Centre for Development Research), Rebecca Metzner, Herwig Waidbacher, Marc Mößmer, Moderatorin Maiada Hadaia und Florian Leregger (Institut für Umwelt, Friede und Entwicklung).
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Fisch und UN-Nachhaltigkeitsziele in globaler Perspektive