Wald ist in den Köpfen vieler Menschen ein Ort, der mit Ursprünglichkeit, Naturerlebnis, Freizeit und Erholung gleichgesetzt wird. Wald ist aber vieles mehr, er ist Lebens- und Wirtschaftsraum und hat entscheidende Bedeutung für das ökologische Gleichgewicht auf unserem Planeten. Bei der Diskussionsveranstaltung „Sind wir auf dem Holzweg? Der Wald und die UN-Nachhaltigkeitsziele in globaler Perspektive“ an der Universität Wien beschäftigen sich hochkarätige ExpertInnen mit den Funktionen des Waldes in verschiedenen Weltregionen. Dabei wurden auch diskutiert, welche Rolle der Wald bei der Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele spielt und welche Wechselwirkungen und Zielkonflikte zu beachten sind. Die Diskussion wurde vom Ökosozialen Forum Europa in Kooperation mit dem Institut für Umwelt, Friede und Entwicklung und der Kooperationsplattform Forst-Holz-Papier organisiert und von der Austrian Development Agency gefördert.
Nutzungskonflikte zwischen Landwirtschaft und Wald beachten
30,6 % der Landfläche unseres Planeten sind mit Wald bedeckt. In den vergangenen 25 Jahren ging weltweit eine Waldfläche von insgesamt 1,28 Millionen Quadratkilometer verloren. Der Nettoverlust von Wald konnte in den vergangenen Jahren verlangsamt werden. Das verbuchte der Programm Koordinator für Nachhaltige Landwirtschaft der FAO, Ewald Rametsteiner, als wichtigen Erfolg. Dennoch sind wir von dem Nachhaltigkeitsziel SDG 15 „Leben an Land“ noch weit entfernt. Grund dafür ist die Landdegradierung, die von einer nicht nachhaltigen Landwirtschaft verursacht wird. „Ob wir SDG 15 in den Griff bekommen, hängt maßgeblich von der Frage ab, was wir essen und wie Landwirte es erzeugen“, brachtet Rametsteiner den Zusammenhang von Landwirtschaft und Wald auf den Punkt.
Degradation ist eine tickende Zeitbombe
„Ohne Wald hätten wir auf unserem Globus eine 30 % höhere CO2-Konzentration“, strich der Professor für Waldökosystemmanagement und Rektor der Universität für Bodenkultur hervor. Das Ökosystem Wald ist weit mehr als bloß eine Ansammlung von Bäumen und maßgeblich für den CO2- wie auch für den Wasserkreislauf verantwortlich. Auch Hasenauer wies auf Landnutzungskonflikte als entscheidendes Kriterium bei der Erreichung von SDG 15 hin. Eine steigende Weltbevölkerung braucht Landwirtschaft zur Nahrungsmittelproduktion und Siedlungsraum. Dies erzeugt Druck auf den Wald, wobei der Untergrund hier eine maßgebliche Rolle spielt. Wenn Wald auf sensiblen Böden für die landwirtschaftliche Nutzung umgebrochen wird, kommt es zu Nährstoffausträgen und damit, je nach Untergrund, zu massiven Produktivitätsverlusten, die dann in weiterer Folge zu einer weiteren Ausdehnung von landwirtschaftliche Flächen führen. Eine Rehabilitation degradierter Böden durch Wiederbewaldung kann bis zu 500 bis 1000 Jahre dauern. Das ist eine tickende Zeitbombe.
Mehr Akzeptanz für die Wirtschafsfunktion des Waldes nötig
Hans Grieshofer, Leiter für Ressourcenpolitik bei Austropapier, derVereinigung der Österreichischen Papierindustrie, strich die Bedeutung des Ansatzes „Schützen durch Nützen“ hervor. Die Herausforderung ist, Holz sorgsam und nachhaltig zu nutzen. Dabei kommt auch aber der Verwendung von Altpapier eine große Bedeutung zu. Österreich ist mit einer Recyclingquote von 72 % Vorreiter, ebenso wie Deutschland. Aufholbedarf gäbe es in Europa vor allem in Polen und auf dem Balkan, aber auch in Großbritannien. Grieshofer beklagte darüber hinaus eine Entfremdung der Gesellschaft, die Zusammenhänge nicht sehe: „Der Wald ist gut, Holz ist auch gut. Und dazwischen steht der Baummörder. Das ist absurd.“ Die Wirtschaftsfunktion des Waldes wird zu wenig anerkannt. Wald ist nicht nur Erholungsraum. Hier gibt es bei der Sensibilisierung der Bevölkerung Aufholbedarf.
Bäume zentral für den Klimaschutz, aber kein Allheilmittel
Die Botschafterin für Klimagerechtigkeit der international tätigen Initiative Plant-for-the-Planet, Sarah Hadj Ammar, wies auf die Wechselwirkungen von SDG 15 „Leben an Land“ und SDG 7 „Bezahlbare und saubere Energie“ in Hinblick auf den Wald hin. „Es darf nicht sein, dass sich in manchen Ländern die Leute entscheiden müssen, ob ihr Kind friert oder hungert.“ Ziel von Plant-for-the-Planet ist es eine Million Bäume weltweit zu pflanzen und Kindern die Klimakrise bewusst zu machen. Bäume haben eine wichtige Funktion für das Weltklima. „Bäume-Pflanzen ist kein Allheilmittel. Aber sie geben uns einen Zeitpuffer.“ Dennoch sind Verhaltensänderungen unvermeidlich.
Wertschöpfung muss möglich sein
In diese Kerbe schlägt auch Isabella Ostovary, Projektentwicklerin der Initiative Books-for-Trees.Die Konsumgewohnheiten hierzulande sind ein wichtiger Schlüssel zum Umgang mit Wald in anderen Teilen der Welt, wenn beispielsweise für unseren Fleischkonsum Soja importiert wird. Books-for-Trees startete als Projekt mit der Unterstützung von Schulen in Kenia durch Bücher und Lernmaterialien. Im Gegenzug pflanzten LehrerInnen und SchülerInnen Bäume, um der fortschreitenden Desertifikation entgegenzuwirken. Mittlerweile hat sich das Projekt weiterentwickelt und engagiert sich in der Regionalentwicklung vor Ort. Nur so kann gewährleistet werden, dass Aufforstungen dauerhaft wirken. Den Menschen vor Ort muss auch Wertschöpfung durch Verwendung des Holzes ermöglicht werden. „Die Vorstellung vom afrikanischen Selbstversorger-Bauern ist romantisch, aber in einer kapitalistischen Welt mit globalisierten Produkten muss auch Geld erwirtschaftet werden, um ein gutes Leben zu ermöglichen.“
Vordere Reihe v. l. n. r.: Sarah Hadj Ammar (Plant-for-the-Planet), Isabella Ostovary (Books for Trees), Ewald Rametsteiner (Sustainable Agriculture Programme, FAO), Hans Grieshofer (Austropapier)
Hintere Reihe v. l. n. r.: Hubert Hasenauer (Rektor der Universität für Bodenkultur Wien), Florian Leregger (Institut für Umwelt, Friede und Entwicklung), Moderatorin Brigitte Schuh (Land&Forst Betriebe Österreich), Hermine Hackl (Kooperationsplattform Forst-Holz-Papier), Hans Mayrhofer (Ökosoziales Forum)
Weitere Informationen zum Thema finden Sie auf unserem Factsheet
Der Wald und die UN-Nachhaltigkeitsziele