Diskussion "Schöne neue Arbeitswelt" (v.l.n.r.): Hans Mayrhofer, Christine Mayrhuber, Julia Moreno-Hasenöhrl, Monika Sandberger, Silvia Hofbauer, Johannes Kopf

Schöne neue Arbeitswelt? Wer künftig, was und wie arbeitet

Gesellschaftspolitik Wirtschaft

Bei der Diskussion unter dem Titel „Schöne neue Arbeitswelt?“ am 9. Mai in Wien debattierten AMS-Chef Johannes Kopf, die WIFO-Ökonomin Christine Mayrhuber, die Leiterin der Abteilung Arbeitsmarkt und Integration in der Arbeiterkammer Wien, Silvia Hofbauer, die stv. Leiterin der Abteilung für Sozial- und Gesundheitspolitik in der WKO, Julia Moreno-Hasenöhrl, und zukunft.lehre.österreich-Geschäftsführerin Monika Sandberger über den Arbeitsmarkt der Zukunft und wer künftig, was und wie arbeitet.

Unser Arbeitsmarkt ist rasanten Veränderungen unterworfen, dieser Befund ist alt. Neu sind die aktuellen Vorzeichen. Jahrzehntelang haben wir über das Ende der Arbeit und zunehmende Arbeitslosigkeit diskutiert. Heute fehlen in vielen Bereichen Arbeitskräfte und die bevorstehenden Pensionierungswellen dürften dies noch verstärken. Warteten früher Bewerber und Bewerberinnen für eine offene Stelle auf eine Zu- oder Absage aus der Personalabteilung, können viele ArbeitnehmerInnen heute zwischen verschiedenen Jobangeboten auswählen.

AMS-Chef Johannes Kopf wies darauf hin, dass es noch nie so viele Beschäftigte in Österreich gab (3,9 Mio. Beschäftigte im Jahresdurchschnitt 2022) und gleichzeitig einen Rekord an offenen Stellen (rund 126.000 im Jahresdurchschnitt 2022) zu verzeichnen ist. In zwei Bundesländern (Oberösterreich und Salzburg) gibt es sogar mehr sofort verfügbare offene Stellen als arbeitslos gemeldete Personen. Künftig werden wir flexibler, digitaler, internationaler und ökologischer arbeiten, so der Befund des AMS-Chefs. Während Flexibilität in der Vergangenheit eher von der Arbeitgeberseite diktiert wurde, ist sie heute ein Instrument für ArbeitnehmerInnen, das „Work-Life-Blending“ optimal zu gestalten.

Christine Mayrhuber kritisierte, dass der traditionelle Arbeitsbegriff in der Ökonomie zu kurz greife, wenn er nur auf die Erwerbsarbeit abstellt. Es gelte auch andere Formen von Arbeit wie beispielsweise die Sorgearbeit für sich und andere zu berücksichtigen. Die beobachtbaren strukturellen Veränderungen in allen Sphären des Lebens (Produktions-, Konsumtions-, Arbeitsweisen) brauchen mittel- und langfristige Gestaltungsperspektiven, die von der Politik vorgegeben werden müssen. Häufig lege die Politik aber aufgrund der Wahlzyklen einen zu kurzen Zeithorizont für die Gestaltung von Veränderungen zugrunde, so Mayrhuber.

Julia Moreno-Hasenöhrl wies auf den aktuellen Arbeitskräftemangel hin, der künftig durch die demographischen Entwicklungen noch verstärkt werde. Bis 2040 wird die Altersgruppe der über 65-Jährigen um rund 830.000 Personen ansteigen, parallel mit dem entsprechenden Mehrbedarf an Pflege, Dienstleistungen und Konsum, während die Zahl der potenziell Erwerbstätigen (20-65 Jahre) um ca. 244.000 abnehmen wird. Dafür kann es nicht ein Lösungsinstrument allein geben, sondern es brauche ein Set an Maßnahmen, von Weiterbildung und Qualifizierung über eine flächendeckende Kinderbetreuung und längeres Arbeiten bis zu qualifizierter Zuwanderung.

Silvia Hofbauer wies auf die Bedeutung der Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hin. Es gibt einen hohen Bedarf an Arbeitskräften, aber es müssen auch die Arbeitszeiten und die Entlohnung stimmen. Generell ist zu beobachten, dass die Lohnentwicklung nicht mit dem Arbeitskräftebedarf mithalte. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ebenso ein Thema wie die Erreichbarkeit der Betriebe mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Letzteres ist vor allem auch ein Problem für Frauen. Wenn im ländlichen Raum in der Familie nur ein Auto leistbar ist, ist dieses in der Regel dem Mann vorbehalten.

Auf die Bedeutung der Erreichbarkeit der Betriebe wies auch Monika Sandberger hin. Besonders für Lehrlinge am Land ist dies eine wichtige Frage. Hier könnten innovative Modelle wie die Finanzierung eines Mopedführerscheins für Lehrlinge in Oberösterreich beispielhaft sein. Auch appellierte die zukunft.lehre.österreich-Geschäftsführerin an Eltern, ihre Kinder eine Lehre machen zu lassen. Viele sehen die Lehre immer noch fälschlicherweise als Bildungssackgasse, die Annahme, „Nur mit Matura bist du wer, muss aus den Köpfen der Leute raus”. Auch die Möglichkeit, nach der Matura eine Lehre zu machen, müsse mehr forciert werden. Es gibt über 200 Lehrberufe in Österreich, von der Kunststofftechnikerin bis zum KFZ-Spengler – hier liegt großes Potenzial für die jungen Menschen und die Wirtschaft.  

Einigkeit herrschte am Podium über die Bedeutung der Weiterbildung und Qualifizierung. Diese müsse für alle Gruppen in der Gesellschaft möglich und leistbar sein. Hier wird es künftig vermehrt innovative Ansätze brauchen, auch modulare Angebote zu schaffen. Um die “stille Reserve” der Frauen anzusprechen, muss die Möglichkeit einer Ganztages- und Ganzjahresbetreuuung für Kinder, aber auch das Angebot für außerhäusliche Pflege für ältere Angehörige geben. Ob und wie dieses Angebot genutzt wird, soll dann in den Familien entschieden werden.

Präsentation Johannes Kopf: Wohin entwickelt sich der Arbeitsmarkt?

Präsentation Christine Mayrhuber: Blitzlichter aus einer Makroperspektive