Plastik. Das Thema kommt seit Monaten aus den negativen Schlagzeilen nicht heraus. Wir kennen die Bilder von Walen, Schildkröten und Vögeln, die aufgrund von verschlucktem Plastikmüll verenden oder weil sie sich darin verfangen haben. Die EU hat dieses Jahr durch den gesellschaftlichen Druck eine neue Richtlinie gegen Einwegplastik beschlossen, um die Auswirkungen, die Plastikmüll auf die Umwelt und unsere Gesundheit hat, zu verringern. Über die Gefahren von Plastik, mögliche Alternativen und gesetzliche Initiativen zu Plastikverboten diskutieren der stellvertretende Leiter des Umweltbundesamts, Karl Kienzl, die Toxikologin Maria Uhl, die Juristin Julika Dittrich und der Ökologische Ökonom Clemens Gattringer.

Wie gefährlich ist Plastik für Menschen und Umwelt?

Karl Kienzl: In vielen Bereichen unseres täglichen Lebens sind Kunststoffe nicht mehr wegzudenken. Beispielsweise in der Medizin. Bei Infusionen kommen wir ohne Plastik nicht aus. Das macht Kunststoffe zu wertvollen Rohstoffen, die nicht leichtfertig verschwendet werden sollten. In der Umwelt ist Plastik – egal ob Kunststoffabfälle oder Mikroplastik – ein Problem.

Maria Uhl: Bei unseren Untersuchungen zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Mikroplastik auf die Bevölkerung wurde erstmals Mikroplastik in Stuhlproben nachgewiesen. Welche Langzeitauswirkungen Mikroplastik auf den menschlichen Körper hat, kann man derzeit noch nicht sagen. Mögliche negative Wirkungen auf die menschliche Gesundheit sind Entzündungsreaktionen, die auch winzige Plastikteilchen mit Ecken und Kanten auslösen können. Darüber hinaus werden die sogenannten Additive als problematisch eingestuft – also die Zusatzstoffe, die Plastik bestimmte Eigenschaften verleihen, wie beispielsweise Phthalate, die als Weichmacher genutzt werden und hormonschädigende Eigenschaften besitzen.

Textilbranche gefordert

Wie kommt das Mikroplastik in die Umwelt? Und wie kann das verhindert werden?

Clemens Gattringer: An dem Mikroplastik in den Weltmeeren leisten auch wir in Österreich einen wesentlichen Beitrag. Ein Drittel kommt aus synthetisch hergestellter Kleidung, bei der durch das Waschen winzige Teile abgerieben und über das Waschwasser in die Umwelt freigesetzt werden. Auch der Abrieb von Auto- und LKW-Reifen ist ein problematischer Faktor, diese Partikel landen über die Kanalisation in den Weltmeeren. 28 Prozent des Mikroplastiks in den Weltmeeren sind allein auf Reifenabrieb zurückzuführen.

Karl Kienzl: Vor allem in der Textilbranche muss sich etwas ändern, angefangen bei der Stoffqualität selbst. Wir müssen den Trend zur Wegwerfmode umkehren. Auch könnten vermehrt biobasierte Materialien zum Einsatz kommen. Es gibt heute schon Hersteller, die Stoffnetze aus Lignin für Obst und Gemüse produzieren. Ein kluges Produktdesign kann schon einiges bewirken.

Wären biologisch abbaubare Kunststoffe eine Alternative?

Julika Dittrich: Auch biologisch abbaubares Plastik hat einen ökologischen Fußabdruck. Die Herstellung verbraucht sowohl Energie als auch Wasser. Zudem ist Bio-Plastik nicht gleich Bio-Plastik. Und die Rohstoffe für biobasiertes Plastik stammen häufig aus Monokulturen, die ökologisch problematisch sind. Damit Herkunft und Verwertung von Verpackungen besser nachvollziehbar wird, sollten gesetzliche Rahmenbedingungen für die Kennzeichnung geschaffen werden. Ein einheitliches und transparentes Labeling beispielsweise. Oft ist auch unklar, was unter einem biologischen Kunststoff zu verstehen ist. Und es fehlt das Wissen für den richtigen Umgang und die Entsorgung.

Grenzen für biobasiertes Plastik

Karl Kienzl: Es ist gar nicht möglich, sämtliches petrobasiertes – also aus Erdöl hergestelltes – Plastik durch biobasiertes und biologisch abbaubares Plastik zu ersetzen. Das geht sich mengenmäßig nicht aus! Wenn wir in Österreich alle Kunststoffe, die auf Erdöl basieren, durch solche aus nachwachsenden Rohstoffen ersetzen wollten, bräuchten wir rund drei Millionen Hektar landwirtschaftliche Flächen; derzeit bewirtschaften wir etwa sieben Millionen Hektar.

Mit der Single-Use-Plastics-Richtlinie verbietet die EU bis zum Jahr 2021 zehn Produkte aus Einwegplastik. Bringt das etwas? Fallen diese zehn Produkte ins Gewicht?

Julika Dittrich: Erhebungen haben gezeigt, dass Einweg-Kunststoffprodukte grundsätzlich problematisch sind. Das Verbot ist eine wichtige Sensibilisierungsmaßnahme und in dieser Hinsicht kann die Single-Use-Plastics-Richtlinie als politischer Erfolg gewertet werden. Gesetzliche Vorgaben setzen der Wirtschaft einen klaren Rahmen und sind Anreiz für Innovation. So kann das Innovationspotenzial der Wirtschaft für ökologische Ziele gehoben werden, weil die Hersteller handeln müssen. Da gibt es keine Ausreden mehr.

Wie beurteilen Sie die Anstrengungen Österreichs hinsichtlich der Recycling-Vorgaben?

Julika Dittrich: Es besteht noch eine massive Lücke in der Schließung von Kreisläufen. Eine Studie kam zu dem Schluss, dass die Weltwirtschaft nur 9,1 % zirkulär ist, Österreich steht mit 9,7 % nicht viel besser da. Hier besteht noch Handlungsbedarf. Ein ambitionierter nationaler Plan, wie die EU-Vorgaben und der Übergang in eine Kreislaufwirtschaft zu erreichen sind, ist hier nötig.

Clemens Gattringer: Im Gegensatz zu Metall und Glas, bei denen mehrmaliges Aufbereiten zum Ausgangsmaterial oft ohne Qualitätsverlust möglich ist, ist das Recycling von Kunststoffen weitaus problematischer. Eine erfolgversprechende Strategie wäre daher viel mehr, auf Reduktion der Produktion und Verwendung zu setzen. Die Produktion von immer neuem Plastik aus fossilen Rohstoffen wird – wenn sich die Trends fortsetzen – bis 2050 für ein Sechstel der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sein. Deswegen macht es Sinn, die Themen Plastikverschmutzung und Klimawandel integriert zu denken. Eine Besteuerung von CO2könnte beispielsweise beide Probleme gezielt adressieren und Alternativen fördern.

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