Hochspannungsleitung vor blauem Himmel

Die EU stellt die Weichen in Richtung Energieunion. Was aber bedeutet der Zusammenschluss der europäischen Energiemärkte für die lokale und regionale Energieerzeugung? Über die unterschiedlichen Potenziale in den Bereichen Strom, Wärme und Mobilität sowie notwendige Signale durch den Gesetzgeber, sprach denk.stoff mit dem Präsidenten des Österreichischen Biomasse-Verbands Josef Plank und Peter Traupmann, Geschäftsführer der Österreichischen Energieagentur.

Was hat Ihrer Meinung nach Priorität, die große Energieunion oder die lokale Versorgung?
Josef Plank: Ich denke, dass wir in einem Europa der Vielfalt beides brauchen. Es wäre falsch, nur dort im großen Maßstab Energie zu produzieren, wo die optimalen Produktionsbedingungen herrschen, und dann damit die anderen Regionen versorgt. Das funktioniert vielleicht technisch. Spätestens aber, wenn es um die Akzeptanz der Kraftwerke und zusätzlich notwendiger Leitungen geht, scheitert die politischen Umsetzbarkeit. Die europäische Energieversorgung braucht einen Mix aus größeren und kleineren Einheiten. Und beim Ausbau der Erneuerbaren ergeben sich speziell Chancen für kleine regionale Anlagen – bei allen zur Verfügung stehenden Technologien.

Es ist noch nicht endgültig entschieden, ob die Erneuerbaren als stabilisierender Faktor wahrgenommen werden oder als unangenehme Konkurrenten. Realistisch gesehen, wenn es die Akzeptanz von den von Bürgerinnen und Bürgern und von den regional Verantwortlichen braucht, wird es große und kleine Einheiten geben müssen sowie ein vernünftiges Netz. Die Grundausrichtung sollte jedenfalls in die Richtung gehen, Versorgung und Verbrauch stärker zu bündeln.

Peter Traupmann: Es soll und wird für alle Platz sein, für große und kleine Anlagen. Auch hinsichtlich der Verbraucherstruktur haben wir ein sehr heterogenes Umfeld: vom klassischen Haushalt bis zum Industriebetrieb, der völlig andere Anforderungen hinsichtlich Kontinuität und Stabilität stellt. Es wird also ein Zusammenspiel brauchen. Derzeit nimmt die Zahl der Kleinanlagen, die von Einzel- und Gemeinschaftsinitiativen getragen werden, rasant zu. Sie sind oft schneller unterwegs als die Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden. Das sieht man beispielsweise im Baubereich, wo effizienter gebaut wird als so manche Bauordnung das vorschreibt. So wird es auch im Energiebereich sein. Leute tendieren dazu, sich selbst zu versorgen. Das wird nicht überall hundertprozentig gehen. Da werden Backup-Systeme in Form von Leitungen benötigt. Speziell in der Standortpolitik wird darauf zu achten sein, den Firmen, die sich ansiedeln bzw. ausbauen wollen, die nötige Stabilität zur Verfügung zu stellen. Das Zusammenspiel vieler kleiner und großer Erzeuger mit den Verteilnetzen und der Infrastruktur und dem zunehmenden Speicherpotenzial wird sich wunderbar ergänzen.

Heißt das, dass in jedem Fall große Leitungskapazitäten nötig sind?
Peter Traupmann: Die Diskussion begegnet uns immer wieder im Bereich der E-Mobilität. Wenn man die zukünftigen Möglichkeiten der Digitalisierung nützt, um die Netze noch stärker zu optimieren, und die Erzeuger und Speicher intelligent miteinander verbindet, kann man in Zukunft vielleicht auf die eine oder andere große Überlandleitung verzichten.

Josef Plank: Die Rolle des Stromnetzes ist in der künftigen Entwicklung von hoher Bedeutung. Trotz Unbundling (der Trennung von Netz und Vertrieb) haben wir eigentümerseitig immer noch eine gewisse Nähe bei Netz und großer Erzeugung. Künftig wird man das autonom führen müssen, weil Stromnetze sind eine wichtige Infrastruktur zur täglichen Bedarfssicherung. Sie müssen daher möglichst neutral und gut steuerbar sein. Hier liegt ein Schlüssel zur Frage, ob die künftige Entwicklung im Energiesektor unterstützt oder gebremst wird. Hier ist der Gesetzgeber gefordert.

Peter Traupmann: Die Netzstabilität hat absolute Priorität. Moderne Maschinen oder Steuerungen im Gewerbe reagieren oft empfindlich auf kleinste Schwankungen – das spielt sich Millisekunden-Bereich ab, die Steuerungen zu Fall bringen. Man kann es sich nicht leisten, dadurch ganze Industrie-Cluster lahmzulegen. Daher brauchen wir im übergeordneten Übertragungsnetz Ringschlüsse, damit die Netzstabilität gewährleistet wird und auch in Hinblick auf neue Erzeugungsanlagen der entsprechende Platz vorhanden ist.

Josef Plank: Die Stabilität des Stromnetzes und die Stabilität der EDV-Infrastruktur müssen Hand in Hand gehen. Das ist eine Herausforderung, das System krisensicher zu machen und vor Hackerangriffen zu schützen. Hier sind beachtliche Investitionen nötig.

Für welche Verwendung sind regionale Strukturen besonders geeignet?
Peter Traupmann: Wärme ist nur bedingt transportierbar. Daher stoßen große Fernwärmenetze auf Grund der Verluste beim Transport an ihre Grenzen. Darüber hinaus ist der Heizwärmebedarf im Neubau sehr gering. Daher lohnt es sich oft nicht Neubauten anzuschließen, da sich die Investitionen über den Wärmeabsatz nicht finanzieren lassen. Wenn der Bedarf über Kombisysteme mit Wärmepumpe, PV-Anlage und Speicher gedeckt wird, wird das Netz oft nur noch als Backup-System gesehen. Dafür ist aber die derzeitige Tarifstruktur – im Speziellen die Netztarife – nicht ausgerichtet, und wird in Zukunft einer grundlegenden Überarbeitung bedürfen.

Josef Plank: Die Wärmeversorgung steht im Wesentlichen auf zwei Beinen: einerseits die direkte Verbrennung biogener und fossiler Rohstoffe oder zweitens als Koppelprodukt aus der Stromerzeugung. Wärme als Koppelprodukt der Stromproduktion aus Gas wird noch weiter eine Perspektive haben, v. a. im Ballungsraum. Das wegdiskutieren zu wollen bringt wenig. Im regionalen Bereich aber sind biogene Rohstoffe vor Ort vorhanden, die wir mit verschiedenen Technologien gut nutzen können und die darüber hinaus ein ausgezeichnetes Image haben. Wir wären schlecht beraten, das nicht zu nutzen. Biogene Rohstoffe in der Wärmeversorgung einzusetzen ist sinnvoll. Abgesehen davon bleibt das Geld dort, wo der Rohstoff herkommt. Dafür setzen wir uns massiv ein. Heizsysteme mit Holz haben große Vorteile. Wärmepumpen haben andererseits beachtliche Fortschritte gemacht Das Grundproblem ist weiterhin, dass im Winter – dann, wann wir die Wärme am meisten brauchen, der Stromverbrauch zusätzlich angeheizt wird. Dabei heißt das zu dieser Zeit: Mehrimport von Kohle- und Atomstrom. Wenn manche meinen, Biogene raus aus der Wärmeversorgung, muss man klar sagen: Das heißt dann unter den derzeitigen Vorzeichen Fossile und Kernenergie rein. Und das kann ja nicht das Ziel sein. Biomasse ist heute bei der grünen Wärmenutzung die absolute Nummer eins. Selbstverständlich muss die Bioenergie auch in der Kleinenergienutzung noch effizienter werden. Aber die österreichische Wirtschaft hat gute Voraussetzungen, um hier einen Beitrag zu leisten.

Und wie sieht es bei der Mobilität aus?
Peter Traupmann: Beim Nahverkehr ist damit zu rechnen, dass sich die E-Mobilität durchsetzt. Hier haben wir immer Netz-Kapazitäten in der Nacht und am Wochenende. Für das Aufladen der E-Fahrzeuge wird es Sinn machen, vorhandene Schwachlastzeiten – wie in der Nacht oder am Wochenende – zu nutzen, sodass die Infrastruktur nicht unbedingt verstärkt werden muss und es keine großen Investitionen benötigt. Auch Smart Meter sind dabei nützlich, da sie Aufschluss über das Nutzungsverhalten geben können. Ein intelligentes Lademanagement sollte es möglich machen, diese Schwachlastzeiten entsprechend zu nutzen und so keine zusätzlichen Probleme im Netz auszulösen. Smart Meter geben Aufschluss über das Lastmanagement beim Endverbraucher.

Josef Plank: Bei der Mobilität kommt man rasch zu der grundsätzlichen Fragestellung, ob der Verbrennungsmotor noch Zukunft hat. Rechnet man die Produktion des Motors, Produktion und Transport des Treibstoffs und die unnötige Wärme des Motors hinzu, kommen wir auf Wirkungsgrade unter 10%. Da müsste man heute eigentlich sagen, vergessen wir das, das ist ineffizient. Die aktuelle Diskussion kratzt erst an der Oberfläche, aber langsam nähern wir uns dem zentralen Argument an, dass der Verbrennungsmotor nicht nur aufgrund der Abgase, sondern aufgrund des Verpulverns von Energie nicht zukunftsfähig ist. Die Frage nach den Alternativen sehe ich noch nicht beantwortet. Die E-Mobilität muss noch die Herausforderung von Tankzeiten und Reichweiten klären, vielleicht hat auch die Brennstoffzelle einen großen Durchbruch. Wie auch immer, für mich steht fest: Der Verbrennungsmotor, wie wir ihn kennen, ist ein Auslaufmodell.

Wie kann der Gesetzgeber diese Entwicklung unterstützen? Manche Länder planen Verbote nach 2030. Gibt es andere Möglichkeiten?
Peter Traupmann: Ich würde mich nicht zu sehr auf den Gesetzgeber verlassen. Es hat auch kein Politiker entschieden, dass heute Mobiltelefone keine Tasten haben. Das hat der Markt entschieden. Und so wird es auch bei der E-Mobilität sein. Die großen Automobilkonzerne beschäftigen sich intensiv mit der Entwicklung. Die Absatzzahlen werden steigen wie bei den E-Bikes. Dann werden sich auch E-Mopeds und kleinere Autos in einem preislich vernünftigen Segment ansiedeln und die Reichweiten werden steigen. Steuerliche Vorteile können das unterstützen. Wenn die Reichweiten größer werden, ist E-Mobilität auch bei Dienstfahrzeugen ein Thema. Die Betriebskosten sind geringer als bei Verbrennungsmotor und so wird es sukzessive zur Marktdurchdringung kommen. Man darf nur in Europa nicht die Entwicklung verschlafen, in Asien wird massiv geforscht. Nicht unbedingt aus Umweltgründen, aber aus der Not heraus, um die Luftverschmutzung in den Griff zu bekommen.

Josef Plank: Ich sehe das differenzierter. Mit dem Klimavertrag wurde ein Signal gesetzt. Die Politik muss in wesentlichen Entscheidungen den Rahmen setzen. Jetzt kann man diskutieren, ob der Verbrennungsmotor dazugehört oder nicht. Aber um ein Ziel zu erreichen, wird es notwendig sein zu lenken, deswegen haben wir die Politik. Je früher desto rascher wird Industrie und Wirtschaft die Antworten geben. Wir brauchen Instrumente wie CO2-Steuern oder Abgaben, sonst werden wir unglaubwürdig. Wenn die Politik weiterhin indifferente Signale setzt, tut sich die Wirtschaft schwer. Die muss sich aber sicher sein, dass sich Forschungsinvestitionen rechnen und kein Slalom bei den Regelungen gefahren wird. Je früher geklärt wird, wo die Reise hingeht, umso leichter tun sich alle. Gerade im ländlichen Raum hat diese Frage natürlich auch eine soziale Komponente.

Peter Traupmann: CO2-Steuern werden in der nächsten Legislaturperiode ein Muss sein. Das wird im österreichischen Alleingang auf Grund der Wettbewerbssituation jedoch schwierig.

Josef Plank: Schweden ist ein gutes Beispiel. Die haben 120 Euro pro Tonne CO2. Da wurde die exportorientierte Wirtschaft ausgenommen und heute sind die Schweden weit weg davon, die Exportwirtschaft umzubringen. Ist nur eine Frage wie man es macht.

Peter Traupmann. Wir müssen uns jedenfalls von einem System verabschieden, in dem die Kilowattstunde egal wo sie herkommt – mit den gleichen Abgaben belastet wird. Derzeit wird Wasserkraft, Kohle oder importierter Atomstrom gleich behandelt. Das kann es nicht sein, da muss man differenzieren. Wir wissen, wo der Strom herkommt, wir haben die Herkunftskennzeichnung. Daher wird es möglich sein, auch die Kilowattstunde unterschiedlich zu belasten. Digitale Abrechnungssysteme bieten dabei entsprechende Möglichkeiten.