Rapsfeld/Lupe

Ziel der europäischen Energieunion ist eine sichere, ökologische und leistbare Energieversorgung für Menschen und Unternehmen. Ein wichtiger Schlüssel dazu liegt in der Dezentralisierung auf Basis erneuerbarer Energieträger.

Fürs Kochen, fürs Heizen, fürs Fahren, für Arbeit und Freizeit für alles brauchen wir Energie. Eine ständige und verlässliche Energieversorgung ist für unsere Gesellschaft und Wirtschaft heute ebenso selbstverständlich wie notwendig. Die meisten beschäftigen sich nur dann mit Energiefragen, wenn das Benzin an der Tankstelle wieder teurer geworden ist oder eine unerwartet hohe Strom- oder Gasrechnung ins Haus flattert.

Überlegungen, wie die Sicherheit unserer Energieversorgung garantiert wird bzw. welche Auswirkungen Energieerzeugung hat, ist eine Sache für Spezialisten – aus sehr verschiedenen Sparten. Meist wird der Fokus entweder auf Versorgungssicherheit gelegt oder auf den Preis oder auf Klima- und Umweltfragen. Eine Zusammenschau der verschiedenen Gesichtspunkte ist alles andere als einfach.

Mit der Energieunion zielt die EU genau darauf ab. Sie soll sichere, bezahlbare und klimafreundliche Energie für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen in der EU gewährleisten. Die Energie soll frei über die Grenzen fließen können. Neue Technologien, Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und neue Infrastrukturen sollen die Haushalte entlasten, neue Jobs schaffen sowie Wachstum und Exporte fördern.

Das klingt wie die Quadratur des Kreises. Auch angesichts der Tatsache, dass die sich aus dem Vertrag von Paris ergebenden Ziele für 2030 ambitioniert sind: Die Treibhausgasemissionen sollen um 40 Prozent gesenkt werden, mindestens 27 Prozent der Energie sollen aus erneuerbaren Quellen stammen und die Energieeffizienz ist um 27 bis 30 Prozent zu steigern. Bis Mitte dieses Jahrhunderts ist geplant, die Treibhausgasemissionen sogar um 80 bis 95 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 zu verringern.

Einige Schritte auf diesem Weg haben die Mitgliedsstaaten schon gemacht. In den Ländern Europas wird im Vergleich zu vor zehn Jahren weniger Energie verbraucht. Auch ist Europa heute weniger von fossilen Brennstoffen abhängig. Aber immer noch sind diese die vorherrschende Energiequelle in Europa. Auch kommt nach wie vor mehr als ein Viertel des erzeugten Stroms aus Kernkraftwerken. Auch wenn in Österreich kein Atomstrom produziert wird, verbrauchen wir ihn trotzdem. Knapp ein Drittel des österreichischen Stroms kommt aus dem Ausland und davon sind wiederum 22 Prozent Atomstrom.

Spannungsfeld Effizienz – Resilienz

Aus dem Plan, was die Energieunion leisten soll, ergeben sich auch andere Zielkonflikte. Der Direktor des Instituts für Transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) in Potsdam, Ortwin Renn, weist auf das Spannungsfeld von kurzfristiger Effizienz und langfristiger Resilienz hin. Er analysierte die verschiedenen Gefahren, die die Energieversorgung unterbrechen oder die Energiewende ins Stocken bringen könnten. Dazu gehören Hackerangriffe auf digitale Energieinfrastruktur, aber etwa auch Wetterextreme, Engpässe bei Rohstoffen, fehlende Akzeptanz und mangelnde Investitionen durch ungünstige Rahmenbedingungen. Eine Lösung, um diesen Gefahren zu begegnen, ist Redundanz: „Das bedeutet, dass es alle wichtigen Elemente im Energiesystem öfter gibt als für den Normalbetrieb nötig – wie im Sprichwort: Doppelt hält besser.“

Genau das kostet Geld. Dass sich Sicherheitsmaßnahmen im Ernstfall rechnen, leuchtet ein. Eine US-amerikanische Studie zur „Rendite“ von Schutzmaßnahmen gegen Stürme, Fluten oder Erdbeben kommt zum Ergebnis, dass jeder dafür investierte Dollar später Schäden in Höhe von ungefähr vier Dollar verhindert hat.

Dezentrale Strukturen für mehr Sicherheit

Die Internationale Energieagentur definiert Energiesicherheit als ununterbrochene Verfügbarkeit von Energie zu einem vernünftigen Preis. Friedbert Pflüger, der Direktor des European Centre for Energy and Resource Security am King’s College in London, sieht dies am besten durch ein System gewährleistet, das auf mehreren Beinen steht. Unter anderem empfiehlt er Diversifikation bei den Energieträgern und das Setzen auf heimische Produktion sowie dezentrale Versorgungssysteme: „Dazu eignen sich in erster Linie die regenerativen Energien: Windkraft, Photovoltaik, Solarthermie, Biomasse, Geothermie und nicht zuletzt Wasserkraft. Da die erneuerbaren Energien jedoch eine hohe Leistungsfluktuation aufweisen, benötigen sie – jedenfalls solange die Speichertechniken noch unzureichend sind – das Back-up durch konventionelle Energieträger.“