Der Label-Dschungel auf unseren Lebensmittel-Verpackungen wird häufig kritisiert. Trotz der Unübersichtlichkeit und der unterschiedlichen Standards zeigt der Trend zum Öko-Label doch, dass Nachhaltigkeit ein Verkaufsargument ist.

Nachhaltigkeitslabels gibt es mittlerweile für Pensionskassen und Hydrauliköle, Windeln und Möbel, Campingplätze und Schulen. Der Ecolabel Index listet weltweit 463 Umweltzeichen in 199 Ländern und 25 Wirtschaftssektoren. Bei einem Blick auf die Zusammenstellung für Österreich werden wohl den meisten aus dem Stand noch sehr viele weitere einfallen, die gar nicht aufgelistet sind.

Ein großer Teil der Marken- und Gütezeichen für Nachhaltigkeit entfällt auf den Lebensmittelbereich. Nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen ist, ob es sich bei einer Kennzeichnung um eine Marke, ein Siegel oder eine Zertifizierung handelt. Noch weniger, welche Kriterien dahinterstehen.

Umwelt-Kriterien im Mittelpunkt

Die drei Säulen der Nachhaltigkeit haben bei den Auszeichnungen sehr unterschiedlichen Stellenwert. Die ökonomische Nachhaltigkeit spielt dabei als Anspruch kaum eine Rolle – hier besteht offenbar das Vertrauen, dass alles, was sich nicht rechnet, ohnehin nicht lange am Markt hält. Die soziale Nachhaltigkeit steht dann bei Kriterien des fairen
Handels im Blickpunkt der Auszeichnung. Diese sind vor allem dann von Bedeutung, wenn wichtige Bestandteile nicht aus Europa kommen. Die ökologische Nachhaltigkeit hingegen ist bei weitem der Hauptfokus der Kennzeichnungen bei Lebensmitteln, wobei auch hier unterschiedliche Blickwinkel gewählt werden: von Bioqualität und CO2-Ausstoß über Tierwohl-Standards bis Biodiversität.

Die Website bewusstkaufen.at des Umweltministeriums listet 95 Labels allein in der Kategorie Essen und Trinken auf. Von Kontroll- und Gütezeichen über Handels- und Eigenmarken bis zu Verbandszeichen und Managementlabels. Davon werden lediglich drei als nicht empfehlenswert und vier als nur eingeschränkt empfehlenswert eingestuft. Der überwiegende Teil der Auszeichnungen hat also einen gewissen Mehr- bzw. Informationswert – wenn auch in sehr unterschiedlichem (nicht immer vergleichbaren) Ausmaß. Heute ist Umweltschutz ein Bekenntnis – wie immer es sich dann tatsächlich in der Praxis niederschlägt –, ohne das ein Unternehmen kaum mehr auskommt. Für Lebensmittel gilt dies im Besonderen. So wirken Gütesiegel einerseits als Verkaufsargument nach außen, andererseits hat sich in der Unternehmenslandschaft durch die Bedeutungssteigerung von unternehmerischer Verantwortung tatsächlich auch etwas getan und viele Unternehmen setzen Initiativen in Richtung Nachhaltigkeit.

Im Label-Dschungel

Von Konsumentenschutzseite wird häufig das Problem der Unzahl an Labels kritisiert. Label und Dschungel erscheinen in diesem Zusammenhang schon als natürliches Begriffspaar. Auch von Seiten der Umweltschutzorganisationen wird diese Unübersichtlichkeit kritisiert – und natürlich die Tatsache, dass sehr unterschiedliche und manchmal kaum nachvollziehbare Kriterien hinter den Auszeichnungen stehen. Um den Konsumentinnen und Konsumenten den Überblick zu erleichtern, werden zahlreiche Wegweiser durch das Label-Dickicht angeboten. Meist wird eine kurze Beschreibung angeboten, wer das Label vergibt und welche Aspekte bzw. Regelungen es umfasst. Wichtig ist häufig wie ambitioniert die Kriterien sind und ob die Einhaltung von unabhängigen Prüfinstanzen kontrolliert wird. Um den Nutzen solcher Bewertungen zu steigern, wird oft auch ein Ampelsystem als abschließende Bewertung angeboten. Ein Vergleich dieser Vergleiche zeigt: Nicht immer sind die Schlüsse daraus auch dieselben.

Dies verwundert wohl auch nicht weiter. Vieles hängt von Gewichtungen und Einschätzungen ab, was eine wichtige Information ist und was nicht. So blenden manche Kennzeichen österreichischer Lebensmittel beispielsweise die Sozialkomponente aus. Aufgrund der im internationalen Vergleich hohen arbeitsrechtlichen und Sozial-Standards in Österreich würde eine gesonderte Bewertung kaum einen Informationsgewinn bedeuten. In einem einfachen Ampelsystem ist eine solche Relativierung dann aber wieder schwieriger.

Labels in privater Hand

Das erste nationale Umweltzeichen weltweit war der Blaue Engel, der 1978 in Deutschland eingeführt wurde. Um 1990 wurden dann in allen OECD-Ländern und darüber hinaus Umweltzeichen eingeführt. Die ersten ausgezeichneten Produkte waren Farben, Lacke und Recyclingpapier. Mittlerweile machen staatliche Labels aber nur mehr einen kleinen Teil der Auszeichnungen aus. Ein Großteil der Labels, die wir heute auf unseren Lebensmittelverpackungen finden, wurde von nichtstaatlichen Akteuren ins Leben gerufen – von Handels-Unternehmen, die ihre eigenen Produkte und die ihrer Lieferanten auszeichnen. Oder die Siegel von Verbänden, vor allem die verschiedenen Bioverbände, stellen hier eine große Gruppe dar.

Der Aufwand für Prüfungen und Vermarktung ist mitunter erheblich. Je ambitionierter die Ziele und je besser kontrolliert, desto stärker muss auch die Integration entlang der Kette sein, um die Vorgaben einhalten zu können. Zum Teil wird damit auch de facto eine langfristige Bindung an den Handelspartner erzeugt. Flexibler sind alle Akteure bei einer wenig ambitionierten Zieldefinition oder weniger Aufwand bei der Kontrolle. Die Grenze zum Greenwashing ist dann aber häufig auch eher schmal.