Erdkugel mit Messer und Gabel auf einem Teller

Klima und Landwirtschaft sind untrennbar miteinander verbunden. Unsere Lebensmittelversorgung ist unmittelbar vom Wetter abhängig. Aktuell treten immer mehr Extremwetterlagen auf, die bei Pflanzen und Tieren zu Stress führen und damit die sichere Versorgung mit Lebensmitteln gefährden können. ZAMG-Direktor Michael Staudinger, der Agrarökonom Martin Schönhart und die Ernährungswissenschafterin Marlies Gruber diskutieren über die Auswirkungen des Klimawandels auf unser Essen und welche Anpassungen Bauern und Konsumenten vornehmen können.

Welche Auswirkungen hat die Klimaerwärmung auf die heimische Landwirtschaft?

Michael Staudinger: Klimaänderung aus meteorologischer Sicht bedeutet nicht, dass es gleichmäßig wärmer wird, sondern dass sich die Häufigkeit einzelner Wetterlagen ändert. Wir beobachten bereits, dass es im Süden von Österreich trockener, im Norden feuchter wird. Diese Tendenz wird sich fortsetzen. Im Sommer haben die Hitzetage deutlich zugenommen. Die Dauer der Vegetationsperiode verlängert sich – besonders im Osten und Norden. Dies ermöglicht in den niedrigen Lagen einen früheren Anbau, aber mit der Gefahr von Spätfrösten. Die Apfelblüte beginnt auf einer Seehöhe, wo bei uns typischerweise Obstbau betrieben wird, in den letzten Jahren deutlich früher. Mit einer Kaltfront zu den Eisheiligen führte die frühe Blüte bereits dazu, dass je nach Sorte oder Region Ertragseinbußen bis zu zwei Drittel zu verzeichnen waren. Insgesamt nimmt die Zahl der Frosttage ab. Wir brauchen dadurch weniger Heizenergie. Bei den Schädlingen hat dies aber einen negativen Effekt, weil Borkenkäfer oder invasive Arten leichter überleben können.

Martin Schönhart: Der Klimawandel ist kein eindeutig beschreibbares Phänomen. Unsere Projektionen sind Kombinationen von unterschiedlichen Annahmen, die wir über die Zukunft treffen, – mit einer enormen Bandbreite. Der Klimawandel wirkt zudem regional sehr heterogen. Die Südoststeiermark und das Marchfeld sind in mehreren Szenarien negativ betroffen, andere Regionen Österreichs haben eine größere Chance auf mittelfristig positive Effekte. Der Klimawandel hat mittelfristig nicht nur negative Folgen für die Landwirtschaft in unseren Breitengraden. Verlängerte Vegetationsperioden können vor allem im Alpenraum, wo die Temperatur ein limitierender Faktor ist, positiv zu Buche schlagen. Auch der CO2-Düngungseffekt kann positiv wirken. Für viele Menschen ist dies überraschend: Das, was den Klimawandel antreibt, ist auch ein Pflanzennährstoff. Es ist ein Paradoxon, je mehr CO2 wir emittieren, desto besser für das Pflanzenwachstum – wenn auch nur bis zu einem gewissen Grad und unterschiedlich wirkend je nach Pflanzenart. Potenziell negativ wirken Hitzestress, Wasserstress und dadurch wiederum verkürzte Vegetationsperioden, Überflutungen, Versalzung. Dies führt zu erschwerten Produktionsbedingungen, geringeren Erträgen und zu geringeren Ertragsqualitäten mit Gefahren für die langfristigen Produktionsgrundlagen – etwa durch Bodenerosion. Ein noch wenig erforschtes Feld sind die Folgen des Klimawandels für Krankheiten und Schädlingen wie auch Nützlinge bei Kulturpflanzen und Nutztieren.

Michael Staudinger: Die stärkste Erwärmung wird in den Polgebieten stattfinden. Das ist ein sich selbst verstärkender Effekt. Schnee und Eis reflektieren rund 90 % der Sonnenenergie. Wenn aufgrund der Erwärmung an der Oberfläche Wasser ist, werden nur 15 bis 20 % reflektiert. Die Differenz ist als Wärme verfügbar, was wiederum das gesamte System erwärmt. Wenn sich die Temperaturunterschiede zwischen arktischen (+ 8 Grad) und den tropischen Gebieten (+1-2 Grad) massiv ändern, hat das starke Auswirkungen auf die Zirkulationsmuster, die wiederum das Wetter stark beeinflussen. Blockierende Wetterlagen bleiben länger, wie die Hitzewelle von 2003 mit über 40 Grad über 4 bis 5 Wochen. Wir sind in Österreich gerade am Beginn einer Entwicklung. Die Hitzewellen, die wir als belastend empfinden, sind ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird. Selbst wenn sich im Mittel nicht dramatisch viel ändert, ist das für den einzelnen Bauern keine Erleichterung. Er kann nicht einfach übersiedeln. Anpassungsmaßnahmen in der Landwirtschaft sind alles andere als trivial. Der Klimawandel bringt auch Chancen mit sich, aber global ist er ein Riesenproblem. Im globalen Süden ist damit zu rechnen, dass Dürreperioden länger dauern und häufiger werden.

Martin Schönhart: Es gibt unterschiedliche prognostizierte Zukünfte mit bis zu 6 Grad Erwärmung. Die gesellschaftliche Wahl des Emissionspfades ist entscheidend für die Auswirkungen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Der Pferdefuß ist, dass die meisten Studien nur bis 2050 reichen. Langfristige Auswirkungen sind gravierender, tendenziell negativer und werden dadurch eher unterschätzt. Studien zeigen bis 2050 aufgrund von globalen Ertragsabnahmen einen Mehrbedarf von rund 10 % Ackerflächen. Je nach sozioökonomischen Szenarien wie Bevölkerungswachstum und Wirtschaftsentwicklung sind bis zu 20 % höhere Preise zu erwarten. Das ist vor allem in anderen Weltgegenden ein Problem. Bei uns geben die Menschen etwa 13 % des Haushaltseinkommens für Nahrungsmittel aus. Dieser Wert ist in anderen Teilen der Welt viel höher und ein entscheidender Faktor für die Verwundbarkeit ärmerer Bevölkerungsgruppen. Es gibt Prognosen, dass Mikronährstoffe und Proteingehalte in den Lebensmitteln sinken werden. Da muss man diskutieren, wie man das ausgleichen kann, z. B. durch Züchtungen. Aufgrund der stärkeren Schwankungen der Erntemengen werden Lagerkapazitäten in Zukunft eine größere Rolle spielen. Solche Entscheidungen müssen wir heute treffen, Anpassungsstrategien brauchen Zeit.

Was bedeutet das alles für unser Essen?

Marlies Gruber: Insgesamt geht etwa ein Fünftel der CO2-Emissionen auf unseren Nahrungsmittelkonsum zurück. Veränderungen im Essverhalten können daher durchaus Auswirkungen auf die Umwelt haben. So machen 10 % unseres Haushaltsabfalls noch essbare Lebensmittel aus – 19 Kilogramm im Wert von 300 Euro wirft jeder Einzelne von uns jedes Jahr in die Mülltonne. Diese Ressourcen müssen wir anbauen und über die gesamte Wertschöpfungskette produzieren. Hier brauchen wir mehr Information und mehr Bewusstsein, dass es sich bei Lebensmittelverschwendung nicht nur um die Vergeudung eigener finanzieller Mittel handelt, sondern damit auch ökologische Folgen verbunden sind. Es geht also um besser planen, besser lagern und überlegter einkaufen. Zudem ist mehr Aufklärung über das Mindesthaltbarkeitsdatum wesentlich. Man muss ein Lebensmittel nicht automatisch wegschmeißen, nur weil das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist. Man kann seine Sinne nutzen, um zu überprüfen, ob es noch genießbar ist. Suffizienz ist generell ein Stichwort. Wir können beispielsweise Obst und Gemüse von der Schale bis zum Kern sowie bei Fleisch alle Teile des Tieres nutzen. Und überhaupt den Fleischkonsum einschränken. Dieser liegt derzeit bei mehr als dem Doppelten der ernährungsphysiologisch und ökologisch empfohlenen Menge.

Image