Zukunftsprognosen gibt es wie Sand am Meer. Manche sind reines Kaffeesudlesen, andere mit fundierten wissenschaftlichen Modellrechnungen hinterlegt. Dabei geht es weniger um die Frage, wer dann letztlich recht gehabt hat. Wichtiger ist, wie faktenbasierte Zukunftsszenarien informiertes Handeln in der Gegenwart anleiten können.
Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Diese Erkenntnis ist hinlänglich bekannt. Allen Unsicherheiten zum Trotz müssen Zukunftsentscheidungen dennoch nicht im völlig luftleeren Raum getroffen werden – und sollten das auch nicht, weder in privaten und schon gar nicht in gesellschaftlichen Belangen.
Auf erwartbare und auf nicht-erwartbare Zukunft vorbereiten
Am Eröffnungstag der diesjährigen Wintertagung appellierte der Genetiker Markus Hengstschläger: Wir müssen uns als Gesellschaft auf die erwartbare, aber gleichzeitig auch auf die nicht-erwartbare Zukunft vorbereiten. Dieser Auftrag beinhaltet eine Beschäftigung mit den aktuellen Trends und ihre (mögliche) Fortschreibung in die Zukunft. Das ist das Tagesgeschäft der Trend- bzw. Zukunftsforschung. Gleichzeitig können abrupte Veränderungen nicht seriös vorausgesagt werden. Für diese unerwartbaren Ereignisse braucht es eine Vorbereitung, wenn auch diese nicht gezielt stattfinden könne, sondern eine gewisse inhaltliche Breite (und auch parallele Strukturen) und Sicherheitsnetze voraussetzt.
Ende der 1990er Jahre wurde Maturantinnen und Maturanten noch von einer Lehrerausbildung und auch vom Medizinstudium abgeraten – heute suchen wir in Österreich händeringend nach Lehrern und Ärzten. Mit einem Blick auf die damaligen Altersstrukturen dieser Berufsgruppen wäre die Pensionierungswelle der vergangenen Jahre – auch ohne komplizierte Modellrechnungen – nicht völlig überraschend gekommen. Weniger erwartbar war, dass sich nach 9/11 Orientalisten mit entsprechenden Sprachkenntnissen zahlreiche neue Jobaussichten eröffneten.
Die Welt im Jahre 2050 wird anders aussehen als wir das heute prognostizieren. Aber sich auf Basis von Szenarien darauf vorzubereiten, unerwünschte Entwicklungen möglichst zu vermeiden und gleichzeitig Sicherheitsschleifen für unerwartbare Entwicklungen vorzusehen wäre klug.
Die Entwicklung, die seit Jahren verstärkt Aufmerksamkeit genießt, ist der Klimawandel. Anfangs ein Thema für Ökologiebewegte ist er mittlerweile auf der Agenda von Invest-mentbanken, Versicherungen, Architekturbüros, Medizinern. Und dies hat seine Berechtigung. Sollte die Erderwärmung über 1,5 Grad steigen, könnten laut IPCC Extremwetterereignisse massiv zunehmen. Naturkatastrophen kosteten die Versicherungswirtschaft nach Berechnungen der Münchner Rück schon 2017 rund 330 Mrd. US-Dollar. Ein steigender Meeresspiegel wird auch an der Bewertung von Strandimmobilien nicht spurlos verbeigehen. Längere Hitzeperioden stellen die Stadtplanung vor neue Herausforderungen und manche gewohnte Bauweise in Frage – große Südfenster ohne Beschattung könnten künftig für die „Generation Klimawandel“ an Attraktivität verlieren.
Rascher technologischer Wandel
Der Klimawandel und die mit ihm einhergehenden Veränderungen sind nicht die einzige Herausforderung, die auf die nächste Generation zukommt. Die Arbeitswelt war durch die Digitalisierung schon in den vergangenen Jahren großen Veränderungen unterworfen. Einerseits werden in Europa weniger Menschen geboren, die dann in den Arbeitsmarkt nachrücken, andererseits sehen viele durch Big Data, Robotik, Künstliche Intelligenz, Internet of Things, Cloud Computing etc. auch hochqualifizierte Jobs gefährdet. Was diese Entwicklungen in ihrer Gesamtheit für die Gesellschaft bedeuten, darüber gehen die Einschätzungen weit auseinander, hängen sie doch von vielen verschiedenen Faktoren ab.
In einer Studie zur Zukunft der Arbeit hat die Bertelsmann Stiftung mehrere hundert Experten interviewt. Überwiegend einig sind sie sich, dass der technologische Wandel rasch voranschreitet (und zwar eher rascher, als es heute viele annehmen) und dass sich dadurch Arbeit radikal verändert. Zum einen, weil menschliche Arbeit ersetzt wird, aber auch, weil künftig andere Fähigkeiten als heute gefragt sind und die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine enger wird.
Das Millennium Project des American Council der United Nations University hat zum Ziel, die großen Herausforderungen der Zukunft zu identifizieren. Und diese sind vielfältig: Sie reichen vom Klimawandel über Demographie, Demokratie und neue Sicherheitsstrategien, Kriminalität, neue Krankheiten bis zu Fragen, wie ethische Überlegungen globale Entscheidungen leiten können. Es geht aber nicht nur um eine Beschreibung der Herausforderungen, gleichzeitig sollen Handlungsanleitungen beschrieben werden, wie wir mit diesen Herausforderungen hier und jetzt umgehen können.
Und das ist letztlich auch der Sinn von Prognosen und Szenarien: informierte Entscheidungen treffen und umsetzen. In dieser Hinsicht ist ein verstärkter Austausch zwischen Wissenschaft und Politik und ein Diskurs, wo wir als Gesellschaft hinwollen, ein erster Schritt in eine lebenswerte Zukunft.