In ihrem Einleitungsreferat führte Barbara Bendandi von der UN-Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD) aus, dass Migration dem Klimawandel ein Gesicht gibt. Der Zusammenhang zwischen Ressourcenmangel und Migration wird durch den Klimawandel in zweifacher Weise beeinflusst. Einerseits direkt, durch die Zunahme von Naturkatastrophen (Veränderung der Niederschlagshäufigkeit, vermehrt Dürren und Extremwetterereignisse) und indirekt durch die Abnahme der landwirtschaftlichen Produktivität mit Auswirkungen auf die Haushaltseinkommen und die Marktpreise für Lebensmittel.
Regionen unterschiedlich betroffen
Die Auswirkungen sind in unterschiedlichen Regionen sehr verschieden. In Zentral-, Süd- und Südost-Asien wird die Frischwasserverfügbarkeit bis 2050 drastisch zurückgehen. In den Küstengebieten in Süd- und Südost-Asien werden sich Überflutungen häufen. Manche kleine Inselstaaten wie Tuvalu planen bereits die Umsiedelung ihrer Bevölkerung.
In Afrika werden bis 2020 zwischen 75 und 250 Mio. Menschen durch zunehmenden Wassermangel betroffen sein. Bis zu 80 % der Menschen leben unmittelbar von der Landwirtschaft und übernutzen bereits fragile Böden, um ihr Leben bestreiten zu können. Der Klimawandel verschlechtert die Bodendegradation noch zusätzlich. Schlechtes Landmanagement gepaart mit den Auswirkungen des Klimawandels werden die landwirtschaftliche Produktion etwa in Burkina Faso um 13 % reduzieren, im Sudan um 50 %, so die Prognosen. Der Temperaturanstieg in Lateinamerika wird langfristig in manchen Gebieten den Regelwald in Savanne verwandeln. Die Andenregion wird unter zunehmenden Überflutungen, Vermurungen und Stürmen leiden. Mexiko wird vermehrt mit Dürren zu kämpfen haben.
Aufgrund der hohen Bedeutung der Landwirtschaft für Entwicklungsländer ist die Sanierung von degradierten Flächen ein wichtiger Schlüssel, weil dadurch jungen Menschen eine Jobperspektive geboten werden kann. In zehn Jahren leben 2,4 Mrd. Menschen in dürregefährdeten Regionen Mariam Traore von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) wies darauf hin, dass Menschen, die vor den Auswirkungen des Klimawandels fliehen, nicht Flüchtlinge im Verständnis der Genfer Konvention sind. Es gibt zwar Bestrebungen, „Klimaflüchtlinge” in den Schutz der Flüchtlingskonvention zu stellen, in naher Zukunft zeichnet sich dies aber nicht.
Mobilität ist ein Produkt aus Resilienz und Verwundbarkeit und muss differenziert betrachtet werden. Während MigrantInnen Marginalisierung und Risiken in Kauf nehmen, kann sich gleichzeitig durch Mobilität die Sicherheit erhöhen. Während in den Herkunftsregionen ein Verlust von Humankapital ein großes Problem darstellt und zu demographischem Ungleichgewicht führen kann, besteht die Möglichkeit, aufgrund von Geldsendungen die Lebensbedingungen der zurückbleibenden Angehörigen zu verbessern. Während in den Zielländern die kommunalen Services verstärkt beansprucht und mehr Umweltressourcen verbraucht werden, erhöht sich gleichzeitig die kulturelle Diversität und die Wirtschaft kann profitieren. Am verwundbarsten sind jene Gruppen, die nicht einmal die Möglichkeit zur Migration haben, die so genannten „trapped people”. Migration findet in der Regel zunächst in die nahe gelegenen urbanen Regionen statt.
Nach Schätzungen des IOM wurden zwischen 2008 und 2013 etwa 165 Mio. Menschen aufgrund von Naturkatastrophen vertrieben. Bis 2025 werden bis zu 2,4 Mrd. Menschen in dürregefährdeten Regionen leben, 50 Millionen in Gegenden, die von Wüstenbildung betroffen sind. Weltweit liegen 50 Metropolen in Küstenregionen unter 10 Meter über dem Meeresspiegel, dort leben rund 10 % der Weltbevölkerung. Der Anstieg des Meeresspiegels trifft diese Regionen unmittelbar.
Ziele muss es in folgender Reihenfolge sein:
1. Erzwungene Migration aufgrund von Klimwandel und Umweltveränderungen zu minimieren.
2. Wenn Migration erzwungen wird, MigrantInnen und soziale Gemeinschaften zu unterstützen.
3. Migration zu managen, um Verwundbarkeiten zu reduzieren und Migration als mögliche Anpassungsstrategie an Umweltveränderungen und Klimawandel zu ermöglichen.
Klimaschutz internationale Aufgabe
In der anschließenden Diskussion, die von brainbows-Chefin Monika Langthaler moderiert wurde, pflichtete die Präsidentin des Ökosozialen Forums Elisabeth Köstinger EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei, wenn er feststellt, dass es Europa an Union mangelt und der Union an Europa. Die Flüchtlingsfrage ist seit über einem Jahr das brennendste Thema auf der Agenda der EU und stellt die Union vor eine Zerreißprobe. So ist in der Vergangenheit nur um Geld gestritten worden. Nun aber geht es um Menschen. Die europäischen Staaten verhalten sich in dieser Frage sehr unterschiedlich. Die Aufgabe ist lösbar, aber weltweit müssen dafür die Kräfte gebündelt werden. Europa muss Vorbild bei der Bekämpfung des Klimawandels sein und Verantwortung übernehmen, weil viele auf Europa schauen. Aber den Kampf gegen den Klimawandel kann Europa mit 10 % des globalen CO2-Ausstoßes nicht alleine gewinnen.
Die Migrationsforscherin Daniela Paredes wies darauf hin, dass abseits von juristischen Definitionen die zentralen Fragen sind: „Wer braucht Schutz?” und „Warum verlassen Menschen ihre Heimat?” Es gibt unterschiedliche Ursachen von Migration, wirtschaftliche Gründe kann auch bedeuten, dass Frauen aufgrund von geschlechtsspezifischer Benachteiligung keine Möglichkeit haben, ein ökonomisch unabhängiges, selbstbestimmtes Leben zu führen, was bis hin zu Gewalt gegenüber Frauen reichen kann.
Hilfe zur Selbsthilfe
Die Diskutantinnen waren sich einig, dass es angesichts der durch den Klimawandel verursachten Migration mehr Bewusstseinsbildung in der breiten Öffentlichkeit brauche. Auch die Hilfe zur Selbsthilfe in den besonders betroffenen Ländern ist von enormer Bedeutung. Menschen brauchen in ihren Heimatländern Perspektiven. Um Jobs zu schaffen, müssen die internationale Gemeinschaft, die jeweiligen Regierungen und der private Sektor zusammenarbeiten. In vielen Ländern ist Landbesitz und dessen Absicherung für Kleinbauern eine wichtige Frage.
Hier finden Sie weitere Informationen zum Thema. 20150919_Factsheet_Klimaflucht