Landkarte mit Pins

Leben@Stadt&Land

Gesellschaftspolitik Regionale Entwicklung

Beim Webinar „Leben@Stadt&Land“ am 7. April 2022 beschäftigten wir uns mit Wanderungsbewegungen zwischen Stadt und Land in Österreich, der Lebensqualität in verschiedenen Raumtypen und mit dem Narrativ von Stadt und Land, der mit der Lebensrealität der Menschen häufig nicht viel zu tun hat.

Zu Beginn stellte Geograph und Regionalberater Peter Görgl vom Institut für Geographie und Regionalforschung der Universität Wien drei Thesen zur vor: 1. Die Pandemie ist eine Entscheidungsbeschleunigerin, 2. die Pandemie ist kein Wunderheilmittel für vernachlässigte Peripherien und 3. die Pandemie kann für findige Klein- und Mittelstädte durchaus einen Entwicklungsschub bieten. Wanderungsbewegungen sind auch in Krisensituationen relativ. Der Trend, dass junge Menschen in die Städte wandern, während es junge Familien in die suburbanen Regionen zieht, wurde durch die Pandemie nicht verändert. Für innovative Gemeinden können die jüngsten Veränderungen aber durchaus Chancen bieten.

Peter Görgl

Marianne Penker, Professorin für Landsoziologie und Ländliche Entwicklung am Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung der Universität für Bodenkultur stellt dar, dass sich in Österreich die gefühlte Lebenszufriedenheit in Stadt und Land nicht maßgeblich unterscheidet. Wo periphere Gebiete Defizite aufweisen, sind u, a, die Bereiche Bildungs- und Internet-Zugang sowie Innovationsstrukturen und Verkehrsanbindung. Der Bodenverbrauch pro Kopf zwischen urbanen und ländlichen Gebieten unterscheidet sich erheblich und während er in der Stadt rückläufig ist, nimmt die Versiegelung am Land zu. Penkers Schlussfolgerung: Multilokalität (also das Leben an verschiedenen Orten etwa über Zweitwohnsitze) darf nicht auf Kosten der Natur und der Lebensqualität aller gehen.

Marianne Penker

Daniela Koller, Obfrau Region Römerland Carnuntum, strich das hohe Engagement aller Beteiligten in der Regionalentwicklung heraus. Diese zeige sich in der Region Römerland Carnuntum beispielsweise auch durch den Bürgerbeteiligungsprozess bei der Entwicklung der Vision bis 2040. Durch den Zukunftsrat sind zahlreiche neue Initiativen und Vereine entstanden, von der Landwirtschaft bis zur Bildung. Solchen Dingen sollte man eine Chance geben. Es ist aber vor allem auch Geduld nötig, weil letztlich alle Initiativen auch an die regionalen Strukturen gebunden sind. So braucht es letztlich nach einem Beschluss noch die Gemeinderatsbeschlüsse in den 33 beteiligten Gemeinden – was entsprechend dauert.

Daniela Koller

Günther Humer, Bodenkulturwissenschafter und Organisationsentwickler bei der Zukunftsakademie des Landes OÖ, stellte das Konzept der Mulitlokalität dar und warnt davor, das Phänomen zu ignorieren. Mulitlokalität betrifft alle Altersgruppen. Es können neun Szenarien unterschieden werden, von den jungen Ausbildungs- oder Beziehungspendler:innen bis zu den älteren Sinnsuchenden oder Abenteuer- und Erholungssuchenden. Diese Unterscheidungen sollen als Basis für die Entwicklung „urbaner Qualität als Chance für ländliche Räume“ (von der Kinderbetreuung über den Internet-Zugang bis zu Möglichkeiten, sich einzubringen, oder Co-Housing und Co-Working-Spaces) genutzt werden.

Günther Humer

Josef Taucher, Vorsitzender des SPÖ-Klubs im Wiener Gemeinderat und Landtag und Vizepräsident des Ökosozialen Forums Österreich & Europa, forderte mehr regionale Governance. Die aktuellen Probleme wie Bodenverbrauch oder Emissionen bekommt man mit den aktuellen Strukturen nur schwer in den Griff. Hier braucht es Mechanismen, die ein Miteinander ermöglichen, und Menschen, die über den Tellerrand und die nächste Wahl hinausschauen.  Ein zukunfts- und prozessorientiertes Handeln ist auch in der Politik nötig, weil nur durch Zusammenarbeit und Kooperation können wie die aktuellen Krisen bewältigen.

Josef Taucher