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Land der Frauen? Weibliche Lebensqualität im ländlichen Raum

Gesellschaftspolitik Regionale Entwicklung


Beim Webinar „Land der Frauen?“ am 14. November 2022 beschäftigten wir uns mit der Lebensqualität von Frauen am Land und in der Stadt sowie mit Wanderungsbewegungen bzw. Mobilitätskonzepten zwischen verschiedenen Raumtypen.

Theresia Oedl-Wieser, Leiterin der Abteilung Ländliche Sozialforschung an der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft und Bergbauernfragen, wies darauf hin, dass die Mobilität zwischen zwischen Räumen (städtisch-stadtnahe-ländlich) Teil der Wahlbiographie junger Menschen ist. Die Binnenabwanderung von ländlichen zu städtischen Räumen ist in der Altersgruppe der 15–29-Jährigen am dynamischsten und Frauen wandern tendenziell früher ab als Männer. Die Rückwanderung als auch Zuwanderung von Frauen können, neben verbesserten Rahmenbedingungen, durch Offenheit in den Regionen und durch die Wertschätzung ihrer (oft versteckten) Potentiale unterstützt werden. Die Gruppe der Rückkehrerinnen zeigt in den Befragungen bei ihrer Rückkehr ein größeres Selbstbewusstsein und mehr Mut zu selbstbestimmten Lebensmodellen als beim Weggehen aus der Herkunftsregion. Auf dieser Basis einer höheren Diversität in den ländlichen Gesellschaften können innovative ländliche Entwicklungsprozesse angestoßen und gestärkt werden.

Theresia Oedl-Wieser

Tatjana Fischer, stellvertretende Leiterin des Instituts für Raumplanung, Umweltplanung und Bodenordnung der Universität für Bodenkultur Wien weist in ihrem Beitrag auf die  ungenügende Datenlage hin, die wissenschaftlich fundierte Aussagen über den Grad der Raum(typen)bezogenheit der subjektiven Lebensqualität von Frauen in ländlichen Gemeinden nicht  zulässt und daher die Politikberatung erschwert. Die vorhandenen empirischen Befunde zu Österreich jedoch erlauben folgende Aussagen: Die Lebensqualität von Frauen in ländlichen Räumen hängt von der Lebensphase, der individuellen Wanderungsbiographie, der Lebenslage, der Relevanz weiterer Wohnsitze, der Erwerbsbeteiligung und den Fürsorgeaufgaben ab. Generelle alters- und geschlechtsbezogene Zuschreibungen sind daher nicht zulässig. Hinzu kommt, dass die gefühlte Lebensqualität nicht unbedingt mit „objektiven“ Bedingungen wie der Infrastruktur in einer Gemeinde zusammenhängt.

Nicole Zehetner-Grasl, Bürgermeisterin von Hofkirchen im Traunkreis und seit einem Jahr jüngste Ortschefin in Österreich, sieht im ländlichen Raum noch Potenzial für die verstärkte Beschäftigung mit frauenpolitischen Themen. Um hier voranzukommen, sollten Frauen im Leben der Gemeinde und in der Politik stärker eingebunden werden. Dazu müssen Frauen öfter gefragt werden, Ämter anzunehmen und sich zu engagieren, weil sich viele das beim ersten Mal nicht zutrauen. Wenn immer wieder nachgefragt wird, werden sich Frauen auch mehr beteiligen. Wichtig ist dabei, dass auch Frauen als Vorbilder – als Obfrau in Vereinen oder als Bürgermeisterin – vorangehen und diese Vorbildfunktion auch kommuniziert wird.

Nicole Zehetner-Grasl

Veronika Mickel-Göttfert, Vizepräsidentin des Ökosozialen Forums Österreich & Europa und Bezirksvorsteherin-Stv. in der Josefstadt in Wien, streicht heraus, dass strenge Dichotomien und verallgemeinernde Zuschreibungen zur Stadt oder zum Land nicht funktionieren und dass frauenpolitische Themen Frauen in der Stadt und am Land gleichermaßen betreffen. Die Infrastruktur wie beispielsweise Kinderbetreuung ist wichtig. Hier geht es um ein politisches Wollen, aber auch um ein Wollen der Frauen. Wichtige Anliegen müssen von Frauen auch klar eingefordert werden. Um Stadt und Land für Frauen attraktiver zu machen, brauche es eine Atmosphäre der Offenheit, in der verschiedene Lebensentwürfe akzeptiert werden.

Veronika Mickel-Göttfert

Hermine Hackl, Präsidentin des Ökosozialen Forums Niederösterreich, wies auf die Verknüpfungen zwischen Stadt und Land hin. Es gehe – gerade für multilokal lebende Frauen – auch darum, das Beste aus beiden Welten herauszuholen. Tendenziell ist im peripheren ländlichen Raum die Gesellschaft noch etwas stärker männlich dominiert und das Aufbrechen von Geschlechterrollen erzeugt ein wenig mehr Irritation als in der Stadt. Wenn sich aber Frauen im Ehrenamt oder als Unternehmerin engagieren und ihren Job gut machen, wissen Männer auch am Land das zu schätzen. Wichtig ist jedenfalls, der Mut zu selbstbestimmten Lebensentwürfen – in der Stadt und am Land – und die Möglichkeit, diese zu leben. Und zu diesem Mut wollen auch wir im Ökosozialen Forum Niederösterreich beitragen. Darum legen wir unseren Arbeitsschwerpunkt in den kommenden Jahren auf das Thema „Frauen im ländlichen Raum“.

Hermine Hackl