Schweine fressen aus Trog

Fachtag Schweinehaltung 01.02.2018

Wintertagung

Wohin entwickelt sich die österreichische Schweinehaltung und was sind die nächsten großen Herausforderungen? Diesen Fragen ging man beim Fachtag Schweinehaltung in Wels anhand von Entwicklungen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU, Tiergesundheit & Seuchenmanagement oder der Digitalisierung auf den Grund. Nur einige der gewonnenen Erkenntnisse:

  • Herausforderungen müssen global gedacht werden.
  • Die Afrikanische Schweinepest und auch andere Seuchen weisen ein großes Bedrohungspotenzial auf.
  • Vernetzung innerhalb der Branche ist wichtig, um aktuelle Probleme lösen zu können; ebenso wie die Sensibilisierung  von Akteuren anderer Bereiche.
  • Für digitale Lösungen am jeweiligen Betrieb gibt es nur individuelle Antworten.

Agrarpolitik und Markt

Die österreichischen Schweinebauern sehen sich immer mehr mit einem turbulenten Umfeld konfrontiert. Einkommensvolatilität, Marktunsicherheiten, steigende Produktionskosten, zunehmende Wetterextreme und Klimaschwankungen, aber auch sozioökonomische Herausforderungen sind nur einige der Faktoren, die die Branche beeinflussen und deren Auswirkungen auch im Vorschlag der Europäischen Kommission im geplanten Finanzrahmen Niederschlag finden sollen. Ziele der künftigen europäischen Agrarpolitik sind angemessene Einkommenssteigerung, Umwelt- und Klimamaßnahmen oder eine Hofübernahme für Junglandwirte wieder attraktiver zu machen. Jens Schaps, Leiter der Abteilung für Marktordnung der Europäischen Kommission, wünscht sich für die Zukunft einen robusten Agrarsektor, der krisenresistent ist und auch auf neue Technologien setzt. Ideen dafür gibt es bereits: Die Erstellung einer EU-Plattform für Risikomanagement, die Förderung von Rückversicherung, Schulungen und Wissenstransfer sowie die Etablierung von Nährstoffbewirtschaftung und Präzisionslandwirtschaft. Auch sollten vermehrt globale Wertschöpfungsketten und Exportmöglichkeiten genutzt sowie in einen agrarpolitischen Dialog mit Entwicklungsländern investiert werden. Österreich zielt dabei auf eine gute budgetäre Ausstattung, Stärkung der bäuerlichen Familienbetriebe, Wettbewerbsfähigkeit und Förderung von Innovationen. Unklar ist, wie viel Geld für den Landwirtschaftsbereich vorhanden sein wird. Rund 10 Mrd. Euro pro Jahr werden durch den Brexit werden im EU-Budget fehlen. Das Umfeld, in dem die heimischen Schweinebauern wirtschaften, ist nicht nur regional, sondern vor allem auch international – die größten Schweinefleischproduzenten- und Konsumenten der Welt sind derzeit China (50 %), Europa (25 %) und die USA (25 %).  Der Anstieg der Produktion in Deutschland und Spanien setzt doe österreichischen Schweinebauern zunehmend unter Druck. Für Johann Schlederer vom Verband der Veredelungsproduzenten OÖ ist klar: „Wer billig erzeugt, kann auch billig verkaufen“. Während die USA und Brasilien einen unternehmerischen Gewinn erzielen, erreicht Österreich nur eine Vollkostendeckung. Auch die Entwicklung des Dollar/Euro-Wechselkurses drückt auf den Preis. Befürchtet wurden von einigen Teilnehmern auch Auswirkungen zusätzlicher Importe aus Mercosur-Ländern. Auch Russlands Eigenproduktion an Schweinefleisch steigt, was zukünftig für den Weltmarkt bedeutsam sein wird. Für die EU wird 2018 noch ein Anstieg an Schlachtungen prognostiziert. Chancen für Österreich liegen in der Differenzierung, wie durch Gütesiegel. Heftig diskutiert wurde jedoch, dass viele Gütesiegel bereits vom Lebensmitteleinzelhandel entwickelt werden und so verstärkt Druck auf die Produzenten ausgeübt werde. Außerdem würde eine Vielzahl an Gütesiegeln bei den Konsumenten für Verwirrung sorgen. Walter Lederhilger vom Verband Österreichischer Schweinebauern kann sich auch eine Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie vorstellen. Auch wenn es Herausforderungen wie beim Stallbau oder Antibiotikaeinsatz gibt, gilt es Lösungen zu finden, um die heimische Produktion abzusichern. Speziell durch die typischen Familienbetriebe mit der angeschlossenen Kreislaufwirtschaft, das hohe Produktionsniveau und eine stabile und effiziente Struktur an Erzeugergemeinschaften bieten den heimischen Schweinebauern Wettbewerbsvorteile.

Tiergesundheit und Seuchenmanagement in Österreich

Der zweite Block behandelte vor allem die Auswirkungen der Afrikanischen Schweinepest (ASP). Algis Baravykas von der Litauischen Schweineproduzentenvereinigung gab dazu einen nationalen Situationsbericht. Die ASP hat sich in Litauen schleichend ausgebreitet und wird von  Wildschweinen übertragen. Ein große Herausforderung stellt die niedrige Biosicherheit durch die so genannten „Hinterhofschweine“ dar. Probleme ergeben sich auch bei der Schließung von Höfen sowie bei der Ausweisung von Schutzzonen. In Deutschland rechne man damit, dass früher oder später die ASP auch dort ankommen werde. Die großräumige Übertragung des Virus durch beispielsweise Essensreste im Fernverkehr spielt eine große Rolle. In Deutschland wird bereits intensiv an Präventionsmaßnahmen gearbeitet. Jürgen Harlizius vom Schweinegesundheitsdienst Nordrhein-Westfalen appelliert an alle Landwirte, Hygienevorschriften penibel einzuhalten und stuft die Situation als kritisch ein. Weitere Präventivmaßnahmen sind rechtzeitige Früherkennungsuntersuchungen, umfassende Informationen für Hofmitarbeiter, erhöhte Vorsicht bei Transporten und bei der Jagdausübung oder Vorsorge durch Ertragsschadensversicherungen. Konkrete Empfehlungen gibt es auf der Website des Friedrich Loeffler Instituts. Im Anschluss berichtete eine Bäuerin über ihre eigenen Erfahrungen mit einem Brucellose-Fall. Die Schilderungen machten deutlich, welches Ausmaß solch eine Diagnose annehmen kann. Der gesamte Bestand wurde gekeult. Hier war es vor allem die gute Zusammenarbeit mit allen Partnern, die das Überleben dieses Betriebes ermöglichte. Das war auch die Conclusio der darauffolgenden Diskussion. Herausforderungen beim Seuchenmanagement sind fehlende bzw. schwierig herzustellende Impfstoffe oder ein schwer regulierbarer Wildbestand. Ziel ist es daher auch, die Kommunikation mit Jägern, Wald- und Forstarbeitern auszubauen. Litauen hat ein Belohnungssystem für die Meldung jedes toten Wildschweins eingeführt. Oberste Priorität haben jedoch Hygienemaßnahmen am Betrieb selbst.

Digitalisierung und Innovation

Die digitalen Innovationen und ihre Einsetzbarkeit sind vielfältig, schildert Martin Hirt von der LKÖ. Anwendungsgebiete sind etwa die Erfassung von Boden- und Pflanzendaten durch Kamerasysteme oder Lasersensoren, Parallelfahrsysteme und Lenkautomatiken, Fernüberwachung und -steuerung z.B. von Tier-verhalten oder Silotemperatur oder die Automatisierung und Robotisierung wie durch Drohnen. Die Datenaufbereitung erfolgt mittels Farmmanagementsystemen. Herausforderungen sind das Abwägen zwischen Kosten und Nutzen, die fehlende Schnittstelle zwischen unterschiedlichen Anbietern und Systemen, der Breitbandausbau, einfache Ober-flächen und fehlendes Know-How. Johannes Baumgartner von der Veterinärmedizinischen Universität Wien zeigte wie mit elektronischer Managementunterstützung am Betrieb steigenden Anforderungen entgegenwirkt kann. Aufgrund der wachsenden Herdengrößen bleibt immer weniger Zeit für das Einzeltier. Precision Livestock Farming (PFL) soll durch Echtzeitüberwachung Produktionsprozesse verbessern, die tierindividuelle Betreuung verbessern und die Arbeit erleichtern. Dabei werden Tierverhalten, Futteraufnahme, Gewicht oder auch das Stallklima kontrolliert. Herausforderungen dabei sind sicherlich eine positive Kosten-Nutzenrechnung, die Validität und Robustheit der Verfahren, Stallbau und Technik oder das Datenhandling. Obwohl es derzeit wenige PLF-Produkte gibt, werden rasant Entwicklungen mit großem Potential erkannt. Ein Beispiel im Praxischeck ist Wuggl, das eine Form der Schweinewiegung ermöglicht und dem hohen Arbeitsaufwand für den Landwirten sowie dem Stress für die Tiere entgegenwirken soll. Es funktioniert wie ein Handy mit leistungsstarkem Akku und Kamera, um das um das Gewicht durch optische Messung einfach zu bestimmen. Christina Pfeiffer von der BOKU präsentierte ein weiteres innovatives Projekt, nämlich OptiZucht, wel-ches auf eine optimale Wurfgröße mit möglichst vitalen Ferkeln abzielt. Die Diskussion zeigte, dass Digitalisierung auch im Schweinehaltungsbereich Einzug findet, jedoch vor allem für Landwirte eine Übersicht über die praktische Anwendbarkeit hilfreich wäre.