Von Digitalisierung über lückenlose Rückverfolgbarkeit und zertifizierte Nachhaltigkeit bis hin zur Wiederansiedelung großer Beutegreifer in Österreich: Die Branche steht aktuell im Brennpunkt diverser Entwicklungen, die zahlreiche Fragen mit sich bringen. Von welchen digitalen Anwendungen können etwa auch – kleinstrukturierte – österreichische Betriebe profitieren? Wie kann ich den aktuellen Forderungen der KonsumentInnen gerecht werden und dabei selbst gewinnen? Und wie soll sich insbesondere die Almwirtschaft auf die Rückkehr von Wolf und Co. vorbereiten?
- Digitale Anwendungen können die Effizienz auch auf kleinen Betrieben steigern, die Arbeit erleichtern sowie lückenlose Rückverfolgbarkeit ermöglichen. Eine Kosten-Nutzen-Rechnung ist jedenfalls notwendig, eine Übertragung der wichtigsten Entscheidungskompetenzen auf Maschinen keinesfalls sinnvoll.
- Zielorientiertes Marketing mit effizienten Zertifizierungssystemen, nachhaltigen Marken sowie realistischem Storytelling führt neben Bewusstseinsbildung zu einer höheren Zahlungsbereitschaft seitens der KonsumentInnen und folglich zu einer Abgeltung für landwirtschaftliche Zusatzleistungen.
- Die Sicherstellung des Herdenschutzes im Grünland stellt bei Wiederansiedelung des Wolfes eine große finanzielle und organisatorische Herausforderung dar, wobei insbesondere die Existenz kleinstrukturierter Almen gefährdet sein kann.
Zukunft der Grünland- und Viehwirtschaft
Die Anforderungen der KonsumentInnen an die Landwirtschaft steigen – Landwirtschaft soll nicht nur Lebensmittel produzieren, sondern vermehrt Umwelt-, Natur- und Tierschutz betreiben. Gleichzeitig ist die Bereitschaft, für etwaige Zusatzleistungen der Landwirtschaft mehr zu bezahlen, relativ gering, so Georg Strasser, Präsident des Österreichischen Bauernbundes. Um auf die genannten Forderungen reagieren zu können, braucht es gewisse Marktmechanismen wie etwa klare Herkunftskennzeichnungen, die Durchsetzung des Bestbieterprinzips sowie umfassende Initiativen zur Bildung der Verbraucher. Doch auch die Digitalisierung kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, aus dem Wunsch nach mehr Transparenz und einer lückenlosen Rückverfolgbarkeit der heimischen Produkte sowie damit einhergehend nach einer verbesserten Lebensmittelsicherheit, Wirklichkeit zu machen. Nebenbei vermögen digitale Tools, den entsprechenden Aufwand für den Betrieb zu minimieren. Ähnlich verhält es sich mit Verwaltungsprozessen, die aufgrund von Vernetzung vorhandener Datenbestände sowohl betriebsintern als auch in der Berichterstattung an öffentliche Stellen vereinfacht werden können. Dass Produktionsprozesse dank digitaler Tools auf gleiche Weise profitieren können, wurde anhand des Beispiels automatischer Melksysteme deutlich: flexiblere Gestaltung des Arbeitsablaufs und Zeitersparnis können nicht nur zu einer Effizienzsteigerung beitragen, sondern auch die Lebensqualität verbessern – so Franz Steininger, ZuchtData. „Digitalisierung ist immer ein Mehraufwand in den ersten zehn bis 20 Jahren.“, rief dieser auch die Kehrseite ins Bewusstsein. Trotz aller Vorteile sollte in der Diskussion rund um digitale Anwendungen eben nie vergessen werden, dass sich einerseits Gesamtnutzen und -aufwand die Waage halten müssen; andererseits, dass die Verantwortung der BetriebsleiterInnen nicht geschmälert wird und werden darf. Thomas Guggenberger, HBLFA Raumberg-Gumpenstein, gab zu bedenken: „Wesentliche Vorgänge und Entscheidungen dürfen auf keinen Fall an technische Geräte delegiert werden.“
Tierhaltung und Markt
Gerade im Hinblick auf das Tierwohl wird klar, dass der Mensch und nicht die Maschine Träger der Verantwortung bleiben sollte. „Der Mensch muss darauf schauen, dass sich die Tiere wohlfühlen, das kann die Technik nicht übernehmen.“, so Raimund Hager. In der österreichischen Landwirtschaft wird Tierwohl bereits weitestgehend groß geschrieben, doch nur Zertifizierungssysteme vermögen derzeit auch tatsächlich, KonsumentInnenvertrauen in eine tiergerechte Haltung zu schaffen. Digitale Tools sowie Zertifizierungssysteme sind außerdem in der Lage, der KonsumentInnenforderung nach mehr Transparenz und Rückverfolgbarkeit gerecht zu werden. Die Folge: Dank der damit einhergehenden höheren Zahlungsbereitschaft für die Produkte, kann der finanzielle Mehraufwand für tiergerechte, nachhaltige Haltungssysteme sowie für eine hohe Produktqualität auch finanziell entlohnt werden. Zertifizierungen und Markenstrategien, aber auch Storytelling und proaktive Vertrauensbildung sind also auch in der Grünland- und Viehwirtschaft essentielle Wege zum Ziel einer starken regionalen Wertschöpfung und der finanziellen Entgeltung landwirtschaftlicher Mehrleistungen. Großes Potenzial liegt darüberhinaus auch in der besseren Kooperationen zwischen der ProduzentInnen- und der AbnehmerInnenseite.
Düngung und Wasserwirtschaft
Das Aufbringen von Wirtschaftsdünger stellt gemeinsam mit dem Einarbeiten von Ernteresten eine nachhaltige Methode des Düngemanagements dar. Gerade aber bei der Ausbringung von Wirtschaftsdünger gibt es noch viel Potenzial hinsichtlich der Reduktion von Ammoniakemissionen. Im Sinne einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft sollte insbesondere auf den Zukauf von Kraftfutter verzichtet werden, da ohnedies ausreichend Nährstoffe im Kreislauf zirkulieren. Eine nachhaltige Produktion erfordert zudem, die natürlichen Grenzen des Bodens zu beachten, so Karl Buchgraber, HBLFA Raumberg-Gumpenstein. Seine Aufforderung an die Landwirtschaft der Gegenwart: „Nach dem Zeitalter des Verbrauches muss jetzt das Zeitalter der Nachhaltigkeit folgen“.
Präsentation „Die Reine Lungau“
Ein konkretes Projekt, das die Prämissen der Kreislaufwirtschaft bereits realisiert hat, ist die Premiummilchmarke „Die Reine Lungau“. Überwiegend kleinstrukturierte Höfe mit etwa zwölf Kühen pro Hof wirtschaften nach einem strengen Kriterienkatalog und produzieren Milch mit einem Preisaufschlag, der auch tatsächlich bei den LandwirtInnen ankommt. Instrumente wie etwa Farmlife können auch anderen Betrieben dabei helfen, nachhaltiger zu werden und im Einklang mit dem entsprechenden Ökosystem zu wirtschaften. Thomas Guggenberger fasste kritisch zusammen: „Wenn jeder seinen Nutzen erhöhen möchte, geht in Summe etwas schief.“
Große Beutegreifer und gesamtgesellschaftliche Auswirkungen
Der zweite Tag widmete sich insbesondere dem derzeit brandaktuellen Thema rund um die Rückkehr großer Beutegreifer in Europa und speziell in Österreich. Am Truppenübungsplatz Allensteig wurde etwa die Wiederansiedelung von Wölfen genau beobachtet und in Folge analysiert. Neben einer Gesundung des dortigen Wildbestandes wurde aber auch eine Jagdwertminderung von rund 150.000 Euro festgestellt. Auch am Gut Fischhorn wurden zwei Wölfe verifiziert, die großen Schaden verursacht haben. Josef Zandl, Gutsverwaltung Gut Fischhorn relativierte: „Es geht mir nicht um die Ablehnung von großen Raubtieren, sondern um einen realistischen Umgang damit.“ Und dieser umfasst nicht nur mehr Zäune, Hirten, Hütten oder Herdenschutzhunde, sondern auch eine gezielte Überwachung in der Nacht – was mit hohen Kosten einhergeht. Auch Josef Obweger, Obmann des Kärntner Almwirtschaftsvereins, stimmte ein, dass die Kosten von Herdenschutzmaßnahmen auf den kleinstrukturierten Almen Kärntens und Osttirols mitunter sogar den finanziellen Wert des Tierbestands übersteigen können. Konrad Blaas, BMNT, forderte die Öffentlichkeit, die Interesse an der Rückkehr des Wolfs hat, auf, auch den finanziellen Aufwand für Herdenschutzmaßnahmen zu übernehmen. Essentiell ist, die Bewirtschaftung der Almen, die neben Produktions- vor allem auch Naturschutz- und Erholungsfunktion hat, sicherzustellen und die Verunsicherung seitens der bewirtschaftenden Betriebe zu reduzieren.
Futterbasis und Fütterung
Auch der Mastrinderbereich wurde am Fachtag thematisiert; das stets aktuelle Thema der idealen Fütterung stand dabei auf der Tagesordnung. Optimierungspotenziale hinsichtlich der Erhöhung des Futterwerts in einem effizienten Mastbetrieb ergeben sich insbesondere durch die Auswahl der Silomaissorte und ihrem Erntezeitpunkt, die stets umsichtig gewählt werden sollten.
Agrarpolitik für bäuerliche Familienbetriebe und den ländlichen Raum
Ob Mast- oder Milchviehbetrieb – „Der bäuerliche Familienbetrieb ist die gestaltende Kraft am Land.“, so Josef Plank, Generalsekretär des BMNT. Worin liegt aber ihre Stärke im Vergleich zu rein kapitalgetriebenen Unternehmen? Es ist ihre Stabilität, ihre Fähigkeit, Krisen zu absorbieren, so Plank. In der Land- und Forstwirtschaft erzielen Familienbetriebe derzeit einen Umsatz von etwa acht Millionen Euro und sichern damit rund 300.000 Arbeitsplätze. Wenn der österreichische Familienbetrieb auch ein Gegenmodell zur weltweiten Entwicklung darstellt, hat er doch sehr gute Argumente, bei der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik im Mittelpunkt zu stehen und entsprechend gefördert zu werden.
Den gesammelten Tagungsband finden Sie hier:
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