Österreichischer Tiergesundheitsdienst

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als Weiterbildung im Ausmaß von zwei Stunden anerkannt. Haben Sie den Online-Test zur Anerkennung der Weiterbildungsstunden erfolgreich absolviert, senden wir Ihnen bis spätestens 19. Februar ein Zertifikat zu. 


Zur Wintertagungs-Mediathek

Milchkaffee, Bergkäse oder das berühmte Kalbswiener: Darauf möchte die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher nicht verzichten. Etwa 90 Liter Milch, 20 Kilogramm Käse und 12 kg Rind- und Kalbfleisch verspeisen so jede und jeder Einzelne von uns im Jahr. Während der COVID-Krise hat jedoch nicht jedes Glied der Kette optimal funktioniert. Im Zentrum des Fachtags Grünland- und Viehwirtschaft im Rahmen der Wintertagung 2021 des Ökosozialen Forums standen daher die Lehren aus der COVID-Krise sowie Chancen und Perspektiven für die Branche. Am Fachtag Grünland- und Viehwirtschaft waren insgesamt ca. 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmer via Livestream dabei. Zum Thema „Versorgungssicherheit dank standortgerechter Landwirtschaft?!“ stehen zudem in der Wintertagungs-Mediathek Beiträge von Expertinnen und Experten zur Verfügung.

Pernkopf: Braucht Produktion vor der Haustür im Einklang mit Ökologie

Der Präsident des Ökosozialen Forums Österreich & Europa, Stephan Pernkopf, betonte eingangs des letzten Fachtags zu Grünland- und Viehwirtschaft, dass die Gesellschaft durch die Pandemie verwundbar geworden ist: „Die Vergessenskurve ist jedoch sehr hoch, denn wer weiß heute noch, dass im März 2020 die Regale leer und die Grenzen gesperrt waren und dass es Probleme mit der Verfügbarkeit von Impfstoffen gab. Auch das hat mit Verwundbarkeit zu tun. Wir haben eine sehr gute Situation, was die Zukunft bei der europäischen Agrarpolitik anbelangt. Aber wir diskutieren bei der Wintertagung auch seit dem Eröffnungstag, dass wir eine ökologisch vorbildhafte Produktion in Österreich haben wollen, vor allem aber, dass wir eine Produktion haben wollen. Ich bin nicht dafür, dass der Green Deal falsch umgesetzt wird, es dann weniger Produktion in Europa gibt und es zu geringeren Einkommen für die Bäuerinnen und Bauern kommt. Wir brauchen daher eine nachhaltige Intensivierung, also eine Produktion unter höchsten Standards vor der eigenen Haustür. Es macht ja keinen Sinn, wenn in Europa nicht produziert wird und die Billigware dann aus emissionsintensiven Gebieten kommt. Wir stehen zu 100 Prozent dazu. Blühstreifen-Ökologisierung ist gut, aber sie darf nicht dazu führen, dass gleichzeitig die Kondensstreifen mehr werden, weil die Produkte importiert werden müssen. Das Ökosoziale Forum rückt daher den Hausverstand in den Mittelpunkt.“

Köstinger: Qualitätsproduktion in Österreich und Mercosur passen nicht zusammen

Elisabeth Köstinger, Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (BMLRT), gab einen Einblick in die politischen Strategien, die auch künftig eine hohe Versorgungssicherheit gewährleisten sollen. „Denn das Thema Versorgungssicherheit war noch nie so stark in unserem Bewusstsein. Es hat auch noch nie so viel Bewusstsein und Wertschätzung für die Bäuerinnen und Bauern gegeben. Unser Anliegen ist es daher, die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern in den Mittelpunkt zu rücken. Denn insbesondere bei der Fleischproduktion sind wir in Österreich gesegnet. Das zeigt, dass saftige Weiden die perfekte Grundvoraussetzung für Viehhaltung sind. Diejenigen, die dafür verantwortlich sind, dass die Versorgung ausreichend ist, sind dabei unsere bäuerlichen Familienbetriebe, die in ganz Österreich Äcker und Ställe bewirtschaften. Im Bereich der Lebensmittelversorgung sind wir also sicher. Es ist aber auch wichtig, jeden einzelnen Betrieb zu erhalten und dafür zu sorgen, dass jede nachfolgende Generation eine Chance in der produzierenden Landwirtschaft sieht.“

„Die Pandemie hat uns mit voller Härte und hier vor allem im Rindfleischbereich getroffen. Die Branche hat in den letzten Monaten durch den Wegfall von Gastronomie und Hotellerie massive Einbrüche hinnehmen müssen. Bei Rindfleisch kommt hinzu, dass es verstärkt außer Haus konsumiert wird, weil es schwerer zuzubereiten ist als etwa Huhn und Schwein. Hier ist uns eine gemeinsame Strategie gelungen, um den Markt zu entlasten. Statt Lagerhaltung ist es nämlich besser, Geld in die Hand zu nehmen und gemeinsame eine Vermarktungsoffensive zu starten.“

„Wichtig ist, dass die Landwirtschaft nicht nur produziert, sondern dass sie auch Verantwortung für Umwelt, Natur und Klimaschutz trägt. Aber das muss im Einklang mit fairen Preisen und einer Abgeltung der Leistungen passieren. Alles, was aktuell gefordert wird, machen Österreichs Bäuerinnen und Bauern seit Jahrzehnten im Rahmen von ÖPUL und wir haben auf europäischer Ebene alles getan, dass dieser österreichische Weg abgesichert ist. Die Branche scheut sich zudem nie vor einer Diskussion und ist immer bereit, Verbesserungen umzusetzen. Die Bäuerinnen und Bauern haben verstanden und wollen den Weg für mehr Tierwohl gehen. Es braucht jetzt aber die Konsumentinnen und Konsumenten, die bereit sind, auch mehr dafür zu bezahlen. Das wird aber nicht funktionieren, wenn wir gleichzeitig das Mercosur-Abkommen verhandeln. Es kann nicht sein, dass wir die Standards nach oben treiben und dann in rauen Mengen importieren, was nicht unseren Standards entspricht. Daher gibt es hier ein ganz klares Nein.“ 

Hauk: Gastronomie und Handwerk leisten Beitrag für Bio-Wachstum

Peter Hauk, Minister für ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Baden-Württemberg, veranschaulichte Herausforderungen bei der Erreichung eines hohen Bioanteils in der Landwirtschaft und Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit. „Österreich hat stets eine Pionierrolle eingenommen und eine lange Tradition in der Bio-Landwirtschaft. Aktuell gibt es mehr Menschen, die Wert darauflegen, zu wissen, wo und wie Lebensmittel produziert werden. Hinzu kommt der Trend zu mehr regional. Baden-Württemberg hat sich ebenfalls verpflichtet, bis 2030 mindestens 30 Prozent der Fläche ökologisch zu bewirtschaften. Und das wollen wir nicht durch Verbote und Gebote erreichen, sondern durch Anreize und indem wir EU-Mittel mit Landesmitteln ergänzen. Wir wollen damit die Rahmenbedingungen für die ökologische Landwirtschaft verbessern und den Landwirtinnen und Landwirten den Einstieg erleichtern. Der Schlüssel liegt aber in der Nachfrage: Ein angestrebtes Wachstum bei der Biofläche muss ohne Marktverwerfung stattfinden.“

„Die Europäische Kommission hat mit der Farm to Fork- und Biodiversitätsstrategie ambitionierte Ziele bei Umwelt, Klima und Biodiversität gesetzt. Für alle Bäuerinnen und Bauern wird das Anforderungsniveau für Direktzahlungen angehoben. Wir unterstützen den Green Deal, denn ohne nachhaltige Landwirtschaft gibt es keine Ernährung der Menschen und keine Stabilität der Gesellschaften. Wir müssen alles tun, um den Klimawandel und seine Auswirkungen so weit wie möglich zu reduzieren. Der Green Deal hat dabei weitreichende Auswirkungen auf die Agrarpolitik. Neben dem Ausbau des Ökolandbaus braucht es auch eine Weiterentwicklung des konventionellen Anbaus, um den Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln zu reduzieren. Wir wollen auf die gesellschaftliche Forderung eines geringeren Einsatzes mit den neuen Möglichkeiten, die sich uns bieten, eingehen. Die Ziele des Green Deals können wir aber nur umsetzen, wenn wir die Familienbetriebe unterstützen, denn ohne sie gibt es keinen lebendigen ländlichen Raum und keine regionale Produktion.“

„Die Zahl unserer Bio-Musterregionen ist auf 14 angewachsen. Dazu wurden Ideen entwickelt, um Bio regional entlang kurzer Ketten voranzubringen. Außer-Haus-Konsum bietet hier eine große Chance und ist daher ein zentrales Thema des Aktionsplans Bio. Wir müssen die Betreiber so weit bringen, dass auch das Budget erhöht wird, damit auf gute Qualität zurückgegriffen werden kann. Baden-Württemberg setzt dabei auch ganz stark auf das Ernährungshandwerk, also etwa Fleischhauereien und Bäckereien, da wir hier ein großes Potenzial für Wachstum orten.“

Royer: Müssen ehrlicher sein und dürfen uns nicht selbst belügen

Hannes Royer, Obmann der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Grünland- und Viehwirtschaft, zeigte anschließend die Folgen der COVID-Krise für die Milch- und Rindfleischproduktion auf. „Auf die Milch und auf Rindfleisch hatte 2020 katastrophale Auswirkungen: Die Gastronomie hatte geschlossen, der Tourismus war tot und es stellte sich die Frage: Wohin mit der Milch? Die Milchwirtschaft hat es durch gemeinsame Aktionen auch in den Betrieben geschafft, neue Vertriebswege zu erschließen und die Lieferdisziplin einzuhalten. In Spezialsegmenten wie Bio-Milch und Bio-Heumilch ist es sogar so, dass die Nachfrage das Angebot übersteigt. Aber ich warne davor, dass man jetzt sofort auf Bio umstellt. Denn diese Chance bietet sich nur, wenn man authentisch ist und hinter der Bio-Philosophie steht.“

„Anfang 2020 war plötzlich die Kuh Klimasünderin Nummer 1 und von vielen Seiten wurde gefordert, dass sie verschwindet. Das Tragische ist, dass sich in den Berichten in Österreich nicht wiederfindet, dass bei uns die Produktion eine völlig andere ist. Aber jetzt wird uns das Thema nicht mehr auslassen und wir werden uns damit auseinandersetzen müssen. Wir müssen mit der Bevölkerung kommunizieren und sagen: Schaut auf uns und welche Landwirtschaft wir haben, wie wir produzieren und nehmt nicht immer die Welt als Referenz. Dazu wird es auch eine Informationskampagne brauchen.“

„Wenn wir wollen, dass die Konsumentinnen und Konsumenten zu unseren Produkten greifen, dann müssen wir selbst auch ehrlicher werden. Wenn wir beim Füttern ökonomisch argumentieren, werden die Konsumentinnen und Konsumenten auch ökonomisch argumentieren. Österreich gibt es nicht zum billigsten Preis. Wir dürfen stolz sein auf unser Land und unsere Landwirtschaft, aber wir dürfen uns nicht selbst anlügen. Wir sollten uns vielmehr Gedanken machen, wie wir zu uns selbst ehrlich sein können.“


Info-Folder zum Download

ACHTUNG: GEÄNDERTE UHRZEITEN IM LIVE-WEBINAR!
 
Tagungsleitung und Moderation:

Johann Gasteiner
Direktorstv. und Leiter für Forschung & Innovation HBLFA Raumberg-Gumpenstein
Verena Scherfranz
Referentin für Umwelt- und Agrarpolitik, Ökosoziales Forum Österreich & Europa

LIVE-Webinar: Versorgungssicherheit zwischen Krise, Markt und politischen Strategien

13:30 Begrüßung und Einleitung
Johann Gasteiner
Verena Scherfranz

13:40 Grußbotschaft aus dem Ökosozialen Forum
Stephan Pernkopf
Präsident des Ökosozialen Forums Österreich & Europa, Wien

13:45 Reform der Agrarpolitik: Wie wir die Versorgungssicherheit auch in Zukunft garantieren können
Elisabeth Köstinger
Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, Wien

14:05 Mehr Bio in der EU?! Zielerreichung und mögliche Auswirkungen auf Versorgungssicherheit und Markt in Baden-Württemberg
Peter Hauk

Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Baden-Württemberg, Stuttgart

14:25 Globale Krise – nationale Konsequenzen: Wie die COVID-19-Pandemie die österreichische Milch- und Rindfleischproduktion getroffen hat
Hannes Royer

Obmann der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Grünland- und Viehwirtschaft, Irdning-Donnersbachtal, sowie von Land schafft Leben, Schladming

14:45 Podiums- und Publikumsdiskussion: Zwischen Krise und politischen Strategien: Wo liegen unsere Chancen entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette?
Johannes Fankhauser
Leiter der Sektion II: Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, BMLRT, Wien
Werner Habermann

Geschäftsführer der Erzeugergemeinschaft Gut Streitdorf
Helmut Petschar
Präsident der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter, Wien
Andreas Steidl
Geschäftsführer von Ja! Natürlich, Wiener Neudorf
Andrea Wagner

Vizepräsidentin und Vorsitzende des Bio-Ausschusses der Landwirtschaftskammer Österreich, Wien
Hannes Royer (siehe oben)

15:45 Zusammenfassung und Ausblick auf die Vorträge in der Wintertagungs-Mediathek

16:00 Ende des Live-Webinars

In der Mediathek I: Versorgungssicherheit dank standortgerechter Landwirtschaft?!

Standortgerechte Landwirtschaft: Was bedeutet das (für mich)? Und was bringt mir das?
Thomas Guggenberger

Leiter des Insituts für Nutztierforschung, HBLFA Raumberg-Gumpenstein

(Wo) ist die Grünland- und Viehwirtschaft überhaupt standortgerecht? Und (wie) trägt sie zur Ernährungssicherheit bei?
Ulrich Thumm
Pflanzenwissenschaftler am Institut für Kulturpflanzenwissenschaften, Universität Hohenheim, Stuttgart

Wie ich meine Grünlandbewirtschaftung ideal an den Standort anpassen kann
Elisabeth Neureiter

Leiterin des Agrarbereichs, Maschinenring Salzburg, St. Johann im Pongau

Mit standortgerechter Futtermittelproduktion zukunfts- und klimafit: Erkenntnisse aus der Wissen- schaft und Erfahrungen aus der Praxis
Reinhard Resch
Wissenschaftlicher Leiter des Referats Futterkonservierung und Futterbewertung, HBLFA Raumberg-Gumpenstein
Daniela Wintereder
Landwirtin aus Wildendürnbach (Niederösterreich)

In der Mediathek II: Gesunde Tiere – gesunde Lebensmittel: Versorgungssicherheit weiter gedacht

Wie die Züchtung Tierwohl, Tiergesundheit und Versorgungssicherheit vereinen kann
Jörn Bennewitz

Leiter des Fachbereichs für Tiergenetik und Züchtung, Universität Hohenheim, Stuttgart

Klauengesundheit: Eine Grundlage für gesunde Tiere
Christa Egger-Danner

Leiterin des Ausschusses Innovation, Forschung & Entwicklung, Rinderzucht Austria, Wien

D4Dairy: Versorgung mit Daten – Versorgung mit gesunden Tieren?
Peter Klimek

Assistenzprofessor im Bereich Wissenschaft komplexer Systeme, Medizinische Universität Wien, und Mitglied des Complexity Science Hub Vienna

Die Versorgung mit österreichischem Kalbfleisch:

Der Weg österreichischer Kälber – Aktuelle Situation und Strategien für die Zukunft
Simone Steiner

Koordinatorin für veterinäre Angelegenheiten, ZAR, Wien

Mutter- und ammengebundene Kälberaufzucht: Tierwohl, Tiergesundheit und Wirtschaftlichkeit?
Fritz Metzler

Leiter des Bereichs Milchwirtschaft, Landwirtschaftskammer Vorarlberg, Bregenz

Die Versorgung mit (echt) österreichischem Kalbfleisch sicherstellen: Wie könnte es gehen
Andreas Steidl

Geschäftsführer von Ja! Natürlich, Wiener Neudorf