Gemüse in einem Korb

Fachtag Gemüse-, Obst- & Gartenbau 30.01.2018

Wintertagung

Die Obst-, Gemüse- und Gartenbauern stehen enormen Herausforderungen gegenüber. Diese reichen von politischen Entwicklungen wie dem Russland-Embargo über sich ändernde Konsumentenwünsche bis hin zum Klimawandel – sie alle haben massive Auswirkungen auf die Produktionsbedingungen.

  • Rückverfolgbarkeit nur mit normierten Standards. Die Entwicklungen werden von der Branche kritisch verfolgt.
  • Der Klimawandel verschiebt die Vegetationsperiode um zwei Wochen nach vorn. Die Gefahr von Ernteverlusten/-ausfällen durch Spätfröste, Trockenheit und Starkregen nimmt zu
  • Technische Innovationen können Ausfälle reduzieren.
  • Branchenverbände können die Kräfte der Betriebe bündeln, z. B. bei Forschung, Entwicklung und Vermarktung.

Rahmenbedingungen zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Der Vormittag war den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gewidmet, innerhalb derer die Bauern und Bäuerinnen produzieren. Das Russland-Embargo 2014 diente als Beispiel dafür, wie politische Sanktionen die Produktion beeinflussen und zu schwierigen Marktbedingungen führen können. Als der Export nach Russland wegbrach, wurde das überschüssige Obst zum Teil verfüttert, an Bedürftige verteilt oder gar nicht geerntet. Die Interventionsmaßnahmen für Erzeuger laufen mit 30. Juni 2018 aus.

Es ist wichtig, dass nicht an den KundInnen „vorbeiproduziert“ wird. Die KonsumentInnen erwarten Alleinstellungsmerkmale bei den Produkten, auch im Obst- und Gemüsebereich. Da es hier keine Marken gibt, werden die Erzeugnisse schnell austauschbar. Deshalb sollte durch Storytelling eine emotionale Bindung zum Produkt hergestellt werden. Auch die Regionalität als Merkmal muss für KonsumentInnen nachvollziehbarer gestaltet werden. Hier sind vor allem Gastronomie und Handel in die Verantwortung zu nehmen. Es braucht Datenbanken und genormte Standards, die auch durch den Handel eingehalten werden müssen. Und die Attraktivität bestimmter Produkte muss durch gezielte Marketing-Maßnahmen und durch größere Sortenvielfalt erhöht werden.

KonsumentInnen müssen den Produkten jedenfalls vertrauen können. Dafür sind Transparenz und Rückverfolgbarkeit über die gesamte Kette zentrale Punkte. Jährlich erkranken 600 Millionen Menschen an verunreinigten Lebensmitteln. Dies entspricht einem Verlust von 55 Milliarden Euro in Folge von Rückruf und erneuter Ankurbelung der Produktion. Durch die Komplexität der Warenströme ist es schwierig, diese vollständig zurückzurufen – vor allem, wenn es sich um verarbeitete Erzeugnisse handelt – das hat der Fipronil-Skandal gezeigt. 

Nachhaltigkeit zahlt sich auf lange Sicht aus, das verdeutlichte bereits die BSE-Krise. Jene Einzelhändler, die den sich damals schon abzeichnenden Trend in Richtung Nachhaltigkeit nicht erkannt haben, kamen unter Druck. Bei Späteinsteigern wie z. B. Lidl führte dies zu hohen Umsatzeinbußen.

Branchenverbände sollen dafür sorgen, dass kleine Betriebe in diesem Umfeld nicht unter die Räder geraten. Als erfolgreiches Beispiel wurde BelOrta aus Belgien vorgestellt. BelOrta produziert 160 Produktgruppen von Obst und Gemüse. 55 % werden exportiert. Der Branchenverband finanziert Forschung und Entwicklung, vor allem auch in Hinblick auf Haltbarkeit, Krankheiten, Lebensmittelsicherheit, Energieeffizienz neue Sorten, Anwendungen und Verpackungswege, was sich der einzelne Produzent alleine nicht leisten könnte.

Klimaanpassung und Risikomanagement

Am Nachmittag standen die sich ändernden klimatischen Bedingungen und das Risikomanagement des Obst- und Gemüseanbaus im Mittelpunkt. Die Vegetationsperiode hat sich mittlerweile um zwei Wochen nach vorne verschoben. Die ersten Früchte blühen bereits im April – mit entsprechendem Risiko im Fall von späten Temperatureinbrüchen und Schneefall. Die Trockenperioden häufen sich, da kleinere Regenschauer weniger werden. Die starken Niederschlagsklassen häufen sich hingegen und fallen bis zu 30 % heftiger aus.

Mit innovativen Anwendungen wird versucht, praktikable Lösungen zu finden, um Ernteeinbußen so weit wie möglich zu verhindern. Die Wassergenossenschaft in Thallern setzt bei Spätfrösten die Frostberegnung ein. Dabei werden die Pflanzen bei Frostgefahr mit sehr feinen Wassertröpfchen gezielt besprüht. Beim Gefrieren des verteilten Wassers wird auf den Pflanzen Kristallisationswärme freigesetzt, wodurch die Kulturen bei bis zu sechs Grad minus – auch mehrere Nächte am Stück – geschützt werden können. Voraussetzung ist, dass ausreichend Wasser vorhanden ist und dieses die Blüte vollständig benetzt. Zum Frostschutz können alternativ auch Räuchern (hauptsächlich im Weinbau), Bewässern mit warmem Wasser, Mischen von warmer und kalter Luft mittels Helikopter (für Großflächen nicht geeignet) eingesetzt werden.

Eine bedarfsgerechte und wassersparende Beregnung ermöglicht ein Bewässerungssystem, bei dem mit Solarenergie ein Steuerungs- und Pumpsystem betrieben wird. Es misst die Bodenfeuchte, sendet die Informationen an eine zentrale Einheit, wo die Daten online ausgewertet werden. Dieses System kommt ohne Stromanschluss am Feld aus und kann flexibel eingesetzt werden. Die Vorteile sind schonender Wasser- und Düngemitteleinsatz, Lärmreduktion und Sicherung von Ertrag und Qualität.

Der Klimawandel stellt auch Anforderungen an die Sortenwahl. Die Entwicklung neuer Sorten dauert bis zu zehn Jahre, dennoch ist Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet langfristig ein vielversprechender Ansatz zum Umgang mit dem Klimawandel. 

Innovationen und Smart Farming

Im letzten Block wurden, wie schon in den vergangenen Jahren, Best-Practice-Beispiele vorgestellt, die in unterschiedlichen Bereichen den anwesenden Bäuerinnen und Bauern Impulse für ihren eigene Arbeit bieten können. 

Die Plattform „Mein Hof – mein Weg“ ermöglicht es den Betrieben, sich zu vernetzen und Wissen auszutauschen. Das Gerät Firmtech FT7 misst die Festigkeit und den Reifegrad von Obst, was Aufschluss darüber gibt, welche Frucht auf welchem Boden den besten Ertrag bringt. myAcker.com bringt das Computerspiel Farmville auf den Boden und ermöglicht denjenigen, die keinen Garten haben, den Anbau von eigenem Gemüse, um das sie sich online kümmern, während die Tätigkeiten entsprechend am realen Feld durchgeführt werden. Nach der Ernte wird das Gemüse an den Besitzer verschickt. Auch verschiedene erprobte Hacksysteme für Unkraut – auf Basis von Kameras, Real Time Kinematic-Vermessung mithilfe von GPS oder mittels Ultraschall – wurden präsentiert. Zum Abschluss stand der Einfluss von (verschiedenfarbigem) Licht auf den Gemüseanbau am Programm. Ein Rahmen mit einer 50 Watt LED-Lampe optimiert die Erträge.