Jedes Jahr kommt die Geflügelbranche in Hatzendorf zusammen, um sich über aktuelle Trends zu informieren. Gerade die Geflügelwirtschaft hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Veränderungen durchlebt – von Strukturentwicklungen bis hin zu Produktionsvorgaben. Der Selbstversorgungsgrad bei Hühnern lag 2016 bei 67 % und bei Eiern im Jahr zuvor bei 84 %. Ziel der Geflügelwirtschaft ist es, sowohl in der Eierproduktion als auch im Mastbereich Marktanteile zu gewinnen und ausländische Ware durch heimische zu ersetzen. Die Topthemen waren:
- Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln.
- Bestbieterprinzip bei der öffentlichen Beschaffung.
- Moderner Stallbau und Haltungsmethoden.
- Antibiotikaeinsatz.
Geflügelhaltung 2030 – Vision, Weg & Transparenz
Die gesellschaftlichen Anforderungen an die Lebensmittelherstellung steigen. Urbanisierung, Internationalisierung der Märkte oder Wetter- und Klimapapriolen sind weitere Trends, die auch Geflügelhalter beeinflussen. Zwei Schüler und zukünftige Landwirte der LFS Hatzendorf haben sich intensiv damit auseinandergesetzt, was notwendig und entscheidend für eine Betriebsübernahme ist – wie etwa ein vernünftiges Einkommen, um auch eine Familie erhalten zu können. Ob Wertschöpfung in Form von bäuerlicher Landwirtschaft in der Region bleibt, liegt am Konsumenten, aber auch am Produzenten.
LK-Steiermark-Präsident Franz Titschenbacher plädiert für eine „Kultur des Ermöglichens und des Miteinanders“. Das Bevölkerungswachstum kurbelt die Nachfrage nach Fleisch und Eiern an, jedoch unterscheiden sich Produktionsstandards trotz internationalisierter Märkte enorm. Die heimische Geflügelwirtschaft ist in Sachen Tiergesundheit, Lebensmittelsicherheit und Tierwohl Vorreiter. Es sollte daher sichergestellt werden, dass ungekennzeichnete Produkte nicht durch die Hintertür auf die heimischen Teller kommen. „Wichtig wäre eine verpflichtende Kennzeichnung nach Herkunft und Haltungsform, besonders bei Lebensmitteln mit Eiern“, so Robert Wieser von der Zentralen ARGE der Österreichischen Geflügelwirtschaft. „In der Gastronomie sollte es nach dem schweizer Vorbild eine gesetzlich verpflichtende Kennzeichnung bei tierischen Lebensmitteln geben. Konsumenten haben einen klaren Wunsch nach Wahrheit und ein Recht auf ehrliche Information“ Immer mehr Menschen essen außer Haus. Vier Pfoten führte eine Umfrage zu Regionalität unter Gastronomieketten durch. Die Regionalität wird zwar betont, verarbeitet wird jedoch Fleisch aus der ganzen Welt - Preis, Kalkulierbarkeit und Verfügbarkeit großer Mengen stehen im Vordergrund.
Während Frischeier fast ausschließlich aus Österreich kommen, werden verarbeitete Eier häufiger importiert. Laut Wirtschaftskammer achten Konsumenten immer mehr auf Herkunft. „Die Zeiten, in denen es egal war, wo ein Schnitzel herkam, solange es nur groß war, sind vorbei.“ meint Klaus Friedl, Obmann der Fachgruppe Gastronomie der Wirtschaftskammer Steiermark. Die Gastronomie setze verstärkt auf regionale Produkte, doch das sei oft teuer. Auch der hohe bürokratische Aufwand zwingt viele zum Aufgeben – Stichwort „Wirtesterben“. Ebenso diskutiert wurde die Umstellung vom Billigstbieter- zum Bestbieterprinzip bei öffentlichen Ausschreibungen. Wenn der Gesetzgeber für seine Einrichtungen einkaufe, sollte dies zumindest nach den Kriterien geschehen, die er selbst auch für die Produktion vorschreibt.
Beispiele für die Stärkung regionaler Wertschöpfung und Marketing sind Kampagnen wie „Gut zu wissen“ oder die AMA-Kampagne„Federführend“. Erstere verlangt für die Gemeinschaftsverpflegung eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung von Fleisch und Eiern. Restaurants und Gasthäuser können freiwillig teilnehmen. Auch die Stadt Wien versucht durch das Programm „Ökokauf“ die öffentliche Beschaffung anhand nachhaltiger Kriterien zu gestalten. Die Kampagne „Federführend“ verfolgt einen klaren Ansatz: „Der Konsument soll wissen, dass wir das beste Geflügelfleisch erzeugen und mit der Kaufentscheidung verantwortungsvoll handeln.“ Eine Vielzahl an Marketingmethoden wurde dafür eingesetzt.
Haltungsmodelle und Zucht der Zukunft
Ein weiteres Top-Thema waren moderne Stallsysteme. Der Klimawandel bedingt höhere Tagestemperaturen und längere Hitzeperioden. Diese Faktoren müssen bei der Errichtung neuer Ställe miteinbezogen werden. „Der gut geplante Einsatz von Raumheizungen, Lüftungsanlagen, Kühlungen und Fußbodenheizungen sorgt für eine optimierte Luftzirkulation“, meint Eduard Zentner von der HBLFA Raumberg-Gumpenstein. „Das wirkt sich positiv auf die Gesundheit der Tiere und in Verbindung mit richtigem Einstreumanagement auf die unmittelbare Nachbarschaft aus. Es ergeben sich weniger Geruchsemissionen.“ Zentner wies auch auf Hürden im Rahmen der Genehmigungsverfahren bei Stallbauten hin. Viele Bauern wollen innovativ wirtschaften, die Anforderungen sind allerdings hoch.
Auch die Schweiz legt großen Wert auf Tierwohl. 1991 wurde im Tierschutzgesetz ein 3-stufiges Tierwohlprogramm verankert: Mit offener Haltung im Stallinnenraum, Außenklimabereich („Wintergarten“) und Freilandhaltung sorgt man für möglichst viel Tierwohl, betont Ruedi Zweifel, Direktor des Aviforums. Neben Stallbau haben Genetikfortschritte großen Einfluss auf die künftige Geflügelwirtschaft. Dabei gilt es, Chancen und Risiken gegeneinander abzuwiegen. Zuchtziele hängen laut Wolfgang Miko von unterschiedlichen Faktoren wie Ressourcen, politischen Entscheidungen, Wissenschaft, Konsumenten oder den Landwirten ab.
Tiergesundheit und Antibiotikamanagement
Antibiotika sind essenziell in der Krankheitsbekämpfung und kommen heute beispielsweise bei Dottersackinfektionen, Durchfallerkrankungen und Infektionen des Atmungstraktes zum Einsatz. Ein Resistenztest ist Teil der Diagnostik und Grundlage für gezielte Therapie. Zukünftig ist anzunehmen:
- Wir werden weniger Antibiotika einsetzen.
- Die Bestimmung von Resistenzen wird noch rascher gehen.
- Für den Geflügelbereich wird es keine neuen Antibiotika geben.
- Es wird neue Testverfahren geben.
Früher seien Antibiotika als Prophylaxe den Futtermitteln beigemengt oder als antibiotische Leistungsförderer eingesetzt worden. In der EU ist das mittlerweile verboten, in vielen Teilen der Welt allerdings Standard. Antibiotika sind innerhalb der EU nur nach Verschreibung durch einen Tierarzt erhältlich. Die erhebliche Einsatzreduktion führt Michael Hess von der Veterinärmedizinischen Universität Wien auch darauf zurück, dass in der Vergangenheit zu viel verwendet wurde. Auch Harald Schliessnig von der Österreichischen Qualitätsgeflügelvereinigung kommt zu diesem Schluss. Es gibt eine EU-weite Kontrolle über Rückstände im Fleisch sowie ein EU-weites Resistenz-Monitoring. Initiativen wie das ESVAC-Projekt, welches die Vergabe von Antibiotika anhand der Verkaufszahlen in den 30 teilnehmenden Ländern vergleicht, arbeiten an einem nachhaltigen Antibiotikamanagement. AACTING ist ein weiteres Projekt, das auf Datensammlung, Analyse, Benchmark und Kommunikation auf Herdenbasis abzielt. Dabei werden ein Register, Leitlinien und eine Standardisierung erstellt. Aktuell ist ein Ländervergleich schwer, da Systeme nicht harmonisiert sind. International sehe die Situation jedoch weit anders aus.
Block I: Geflügelhaltung 2030 – Vision und Weg
Mario Mayerhofer
Eric Peter Eder
Was brauchen JunglandwirtInnen für eine erfolgreiche Zukunft?
Rudolf Stückler
Federführend – Vorstellung der AMA-Kampagne
Block II: Transparenz und Kennzeichnung
Christian Jochum
Öffentliche Beschaffung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen im Wandel
Martina Pluda
Block III: Haltungsmodelle und Zucht der Zukunft
Ruedi Zweifel
Neue Haltungsmodelle für den Mast- und Legebereich im Praxistest
Eduard Zentner
Wolfgang Miko
Risiken, Reserven und Chancen in der Genetik
Block IV: Tiergesundheit und Antibiotikamanagement
Michael Hess
Klemens Fuchs
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