Zwischen Wunsch und Wirklichkeit – diese Differenz nimmt auch für den Ackerbau stark zu. Denn: Wir alle fordern mehr Innovation, Transparenz und Digitalisierung, mehr Umweltschutz, mehr Zertifikate. Wer aber will mehr für die Leistungen der Ackerbäuerinnen und -bauern zahlen? Oder zahlen sich Digitalisierung, Klimaabkommen, Eiweißstrategie und Nachhaltigkeit letztendlich etwa auch für kleinstrukturierte Ackerbaubetriebe finanziell schlichtweg aus?
- Um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, ist eine nachhaltige Bewirtschaftung unumgänglich.
- Landwirtschaft 4.0 hat hierzulande kaum Einzug gehalten.
- Kleine Betriebe profitieren von überbetrieblicher Zusammenarbeit.
- Nachhaltigkeitszertifikate sollen über die ganze Wertschöpfungskette vereinheitlicht werden.
Perspektiven für Ackerbauregionen
Mit (markt-)politischen Fragestellungen wurde der Ackerbautag eröffnet, um die Zukunftschancen des – wenn auch kleinstrukturierten, qualitativ doch überragenden –Ackerbaus aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. „Die geografischen, die nationalen Grenzen sind im wirtschaftlichen Bereich ausradiert“, so Hermann Schultes, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich. Ein weltweiter Absatzmarkt birgt Chancen, doch damit die österreichische Landwirtschaft als „Global Player“ reüssieren kann, braucht es laut Schultes auch eine Besserstellung im Wettbewerbsrecht sowie eine Weiterführung von Direktzahlungen. Derzeit machen gemäß Frank van Tongeren, OECD, Agrarzahlungen allgemein etwa 40 Prozent des EU-Haushalts aus. Die anstehende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik wird aber wohl auch diesbezüglich Änderungen bringen.
Politik im Umbruch – Klima im Wandel. Neben marktpolitischen Anpassungen muss sich die (Agrar-)Politik zunehmend der Implementierung von Strategien annehmen, um den Klimawandel aufzuhalten. Denn: Extremwetterereignisse nehmen zu – und mit ihnen das Risiko von Produktionseinbußen in der Landwirtschaft. „Das Gute daran: Wir können noch was tun!“, so Günter Liebel, Sektionsleiter im Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus. Und wir müssen etwas tun: Im Pariser Abkommen etwa verpflichtet sich Österreich, alle fünf Jahre klimapolitische Ziele zu setzen, um eine Erhöhung der Durchschnittstemperatur um über zwei Grad Celsius zu vermeiden – und diese Ziele umfassen auch den land- und forstwirtschaftlichen Bereich. Im Vergleich zu 1990 sollen die Treibhausgasemissionen so um mehr als ein Drittel reduziert werden.
Abholzung der Regenwälder, intensivster Einsatz von Agrochemikalien – gerade auch im globalen Sojaanbau wird CO2 in erheblichen Mengen freigesetzt. Die Schließung der europäischen Eiweißlücke hat das Potenzial, in zweierlei Hinsicht positiv zu wirken: Während die Nachfrage nach Soja aus intensivstem und hinsichtlich CO2-Emissionen bedenklichem Anbau ganz im Sinne einer Treibhausgasreduktion zurückgehen kann, stellt der vermehrte Anbau von Eiweißkulturen – wie auch Soja – ebenfalls und gerade in Österreich ein großes Potenzial für die Ackerbauregionen dar. Helmut Feitzlmayr von der Landwirtschaftskammer Österreich betrachtet eine vollständige Eigenversorgung zwar für unrealistisch, doch: „Etwa 82 % des österreichischen Eiweißbedarfs können über die heimischen Felder und Wiesen abgedeckt werden.“ Eine Ausweitung der heimischen Sojaanbauflächen erscheint somit durchaus sinnvoll, immerhin gilt das flächenmäßig kleine Österreich schon jetzt als wichtiger Player im europäischen Sojaanbau. Von dieser Vorreiterrolle können wir nur profitieren, denn die Nachfrage nach gentechnikfreien, europäischen Sojabohnen steigt.
Digitalisierung in der Praxis
Die Nachmittagsblöcke widmeten sich dann vor allem den Praxisthemen. Digitalisierung ist in aller Munde. Doch ist sie bei Weitem noch nicht flächendeckend auf den landwirtschaftlichen Betrieben in Österreich angekommen. Von Sensoren, die Unkraut erkennen und es bei der Überfahrt mit dem Traktor gezielt bekämpfen können („See and Spray“), bis hin zu Robotern, die am Feld einfache Tätigkeiten verrichten: Vieles ist möglich, wenig wird nachgefragt, denn zu hohe Anschaffungskosten schrecken viele Landwirtinnen und Landwirte vor dem Kauf digitaler Tools ab. Dank Maschinengemeinschaften können aber auch kleine Betriebe von modernster Technik profitieren. Dass es sich wohl auch rechnet, zeigt die Zahl der zugelassenen Drohnen, denn diese hat sich in den letzten drei Jahren vervierzigfacht. Digitalisierung ist aber mehr als die Anschaffung innovativer Geräte: Unzählige Datensätze von verschiedenartigsten Sensoren erlauben etwa die Entwicklung zuverlässiger Pflanzenschutzprognosemodelle, die LandwirtInnen rechtzeitig über Befallsrisiken der Pflanzenkulturen informieren und die gezielte Applikation von Pflanzenschutzmitteln ermöglichen. Die Arbeitserleichterung geht so mit einem konkreten Gewinn für die Umwelt einher.
Nachhaltigkeit als Marktchance
Gewinn für die Umwelt – Gewinn für die Gesellschaft. Nicht zuletzt die Gesellschaft wünscht sich zunehmend nachhaltiges Handeln von der Landwirtschaft. Eine Extensivierung in der Bewirtschaftung ist möglich, doch auch sie hat ihren Preis. Dank Zertifizierungsprogrammen erkennen KonsumentInnen nicht nur, wie nachhaltig das Produkt produziert wurde, sondern sind auch vermehrt bereit, für die nachhaltige Produktionsweise zu zahlen. Nachhaltigkeitszertifikate stellen ein Kaufargument dar und schaffen auch Ersatz für das Vertrauen, das man in den Zeiten vor Supermarkt und Co. in den Bauern und die Bäuerin von nebenan hatte. Die Vielzahl an Zertifizierungssystemen mit all ihren Labels führt aber nicht nur zu einer starken Last für die Landwirtschaft, sondern auch zu einer Überforderung der KonsumentInnen. „Ich will keine neue Lösung. Wir brauchen keine neue Lösung. Wir müssen auf den gut funktionierenden Standards aufbauen“, so Siegfried Pöchtrager von der Universität für Bodenkultur Wien. Denn: Zeritifizierungen sind wichtig, doch das Mehr an unterschiedlichen nationalen und internationalen Zertifizierungsprogrammen bringt kein Mehr an Nutzen – weder für ProduzentInnen, noch für KonsumentInnen. Konkret sollte man auf bestehende Systeme aufbauen und diese über die Grenzen hinweg vereinheitlichen, denn nur so ist die Leistung der Landwirtschaft international vergleichbar und für die KonsumentInnen ersichtlich, welches Produkt das nachhaltigste ist. Doch nicht nur der Anbau sollte nachhaltig sein – ein Zertifizierungsprozess entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Transport über Lagerung ist unumgänglich. Und dabei gilt es, nicht nur den ökologischen Aspekt zu berücksichtigen – denn nachhaltig ist eine Landwirtschaft erst dann, wenn sie neben der ökologischen auch soziale und ökonomische Nachhaltigkeit leben kann.
Block I
Hermann Schultes:
Was wir wollen, was wir dürfen – was die Zukunft bringt
Frank van Tongeren:
Agrarpolitische Ansätze im Vergleich
Helmut Feitzlmayr:
Eiweißstrategie – Status quo und Zukunftschance
Wolfgang Geltinger:
Entwicklungen von Eiweißkulturen am Markt
Block II
Wolfgang Weichselbaum:
Überbetriebliche Zusammenarbeit – modernste Technik für kleine Strukturen
Vitore Shala-Mayrhofer:
Vorstellung des LFI-Projekts "Pflanzenschutz-Warndienst"
Claudia Mittemayr und Michael Glösmann:
Drohnen und ihr vielseitiger Einsatz im Ackerbau
Block III
Tanja Dietrich-Hübner:
Nachhaltigkeit als Kaufargument
Ulrich Fischer:
Nachhaltigkeitszertifizierung am Beispiel … Zucker
Ursula Bittner:
Nachhaltigkeitszertifizierung am Beispiel ... Soja
Tagungsleitung & Moderation
Ferdinand Lembacher, Leiter der Abteilung Pflanzenproduktion, Landwirtschaftskammer Niederösterreich, St. Pölten
09:00 Gedankenaustausch bei Kaffee und Kuchen
Block I: Perspektiven für Ackerbauregionen
09:30 Eröffnung und Begrüßung
Hubert Hasenauer, Designierter Rektor der Universität für Bodenkultur Wien
09:40 Was wir wollen, was wir dürfen – was die Zukunft bringt
Hermann Schultes, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, Wien
10:00 Agrarpolitische Ansätze im Vergleich
Frank van Tongeren, Leiter der Abteilung für Handels- und Agrarpolitik, OECD – Organisation for Economic Co-operation and Development, Paris
10:25 Klimaabkommen und resultierende Perspektiven für den Ackerbau – Bioökonomie als Chance
Günter Liebel, Leiter der Sektion I – Umwelt und Klimaschutz, Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, Wien
10:50 Eiweißstrategie – Status quo und Zukunftschance
Helmut Feitzlmayr, Referent für Ackerbau, Landwirtschaftskammer Oberösterreich, Linz
11:10 Entwicklungen von Eiweißkulturen am Markt
Wolfgang Geltinger, Betriebsleiter der ADM Spyck GmbH, Straubing, Deutschland
11:30 Podiums- und Publikumsdiskussion: Erfolgsstrategien für Ackerbaubetriebe
Helmut Feitzlmayr
Wolfgang Gelingen
Günter Liebel
Hermann Schultes
Frank van Tongeren
12:00 Mittagspause
Block II: Digitalisierung in der Praxis
13:15 Digitalisierung – was im Ackerbau möglich ist
Stefan Polly, Leiter des Arbeitskreises Biogas NÖ und Mitarbeiter im Bereich Smart Farming, Landwirtschaftskammer NÖ, St. Pölten
13:35 Überbetriebliche Zusammenarbeit – modernste Technik für kleine Strukturen
Wolfgang Weichselbaum, Leiter der Agrarabteilung, Maschinenring Österreich, Linz
13:50 Vorstellung des LFI-Projekts „Pflanzenschutz-Warndienst“
Vitore Shala-Mayrhofer, Managerin des Projekts Warndienst, Landwirtschaftskammer Österreich, Wien
14:05 Drohnen und ihr vielseitiger Einsatz im Ackerbau
Michael Glösmann, Key Account Manager in der Abteilung Pflanzenschutz, RWA Raiffeisen Ware Austria AG, Wien
Claudia Mittermayr, Leiterin des Bereichs Farming Innovations, RWA Raiffeisen Ware Austria AG, Wien
14:20 Podiums- und Publikumsdiskussion: Digitalisierung auch für meinen Betrieb?
14:40 Kaffeepause
Block III: Nachhaltigkeit als Marktchance
15:00 Können Nachhaltigkeitszertifikate die österreichische Pflanzenproduktion absichern?
Siegfried Pöchtrager, Universitätsdozent am Institut für Marketing und Innovation, Department für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Universität für Bodenkultur Wien
15:15 Nachhaltigkeit als Kaufargument
Tanja Dietrich-Hübner, Leitung Stabsstelle Nachhaltigkeit, REWE International AG, Wr. Neudorf
Nachhaltigkeitszertifizierung am Beispiel ...
15:30 ... Nachhaltige Landwirtschaft
Meike Packeiser, Leiterin des Fachgebiets Nachhaltigkeit und ländliche Räume, Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft, Frankfurt
15:40 ... Zucker
Ulrich Fischer, Leiter der Rohstoffabteilung, Agrana Zucker, Tulln
15:50 ... Soja
Ursula Bittner, Generalsekretärin von Donau Soja, Wien
16:00 Schlussfolgerung: Nachhaltigkeitszertifikate der Verarbeitungsindustrie und ihre Folgen für die Landwirtschaft
Christian Gessl, Leiter der Abteilung Marktordnung und Marktinformation, Agrarmarkt Austria, Wien
16:10 Podiums- und Publikumsdiskussion: Nachhaltigkeitszertifikate – wer kann davon profitieren?
16:30 Ende und Führung durch den Forschungsstandort
Hier können Sie das Programm für den Fachtag Ackerbau downloaden.