In Österreich gibt es viele hoch qualifizierte Frauen. Dennoch sind die Spitzenfunktionenin der Wirtschaft zum überwiegenden Teil mit Männern besetzt. Warum das ein wirtschaftliches Problem ist, erklärte die Norwegerin Marit Hoel bei der Veranstaltung „Quote, Qual und Qualität“ des Ökosozialen Forums Anfang April.

Fast 57 Prozent der Absolventen öffentlicher Universitäten in Österreich sind Frauen und auch bei den Maturanten haben Schülerinnen mit 58 Prozent die Nase vorn. An den Unternehmensführungen im Land ist dieser Trend völlig vorbei gegangen. Die Geschäftsführungen der Top-200-Unternehmen sind zu 94 Prozent in Männerhand. Und in den Aufsichtsräten liegt der Männeranteil bei 86 Prozent.

Für Marit Hoel vom Center for Corporate Diversity in Oslo ist der geringe Anteil von Frauen in den Chefetagen eine ökonomische Frage, Gleichberechtigung ist für sie kein Argument. Innovation ist – das belegen die Erfahrungen der Nordic 500 (der größten 500 Unternehmen in den nordeuropäischen Ländern) – unmittelbar mit der Diversität der Personen in den Führungsebenen verknüpft. Sie vergleicht Diversität mit einem Eisberg: An der sichtbaren Spitze sind Kategorien wie Geschlecht, Alter, ethnische Herkunft, Sprache, die an sich keine Garantie für Innovation darstellen. Jedoch sind erfolgreiche Firmen durch Diversität in den Denkprozessen, Fähigkeiten, Überzeugungen, Talenten, Werten und Perspektiven ihrer Mitarbeiter gekennzeichnet. Diese Charakteristika sind nicht sichtbar, hängen aber statistisch mit den sichtbaren Kategorien zusammen. „Für global agierende Firmen ist Diversität ein entscheidender Erfolgsfaktor. Die norwegischen Unternehmen haben die Wirtschaftskrise auch genau deshalb schneller überwunden als andere.“ Die Vorteile einer höheren Frauenbeteiligung in den Chefetagen sieht auch Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Vorstandsvorsitzende der Austrian Power Grid: „Die Wirtschaft braucht Frauen. Es liegt aber auch an den Frauen, sich in den Kampf um Führungspositionen zu begeben. Denn es ist ein Kampf.“

In Norwegen wurde 2003 gesetzlich vorgeschrieben, dass in den Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen 40 Prozent Frauen sitzen müssen. Der damalige konservative Wirtschaftsminister Ansgar Gabrielsen legte den Gesetzesentwurf vor. Das Parlament stimmte mit großer Mehrheit für die entsprechende Änderung im Aktienrecht, das drastische Sanktionen vorsieht. Bei Nichterfüllen der Quote wird im Extremfall das Unternehmen aufgelöst. Zahlreiche Kommentatoren prophezeiten ein Einbrechen der norwegischen Wirtschaft, den Rückzug der Firmen von der Börse in Oslo und ein Abwandern ins Ausland. Nichts davon ist passiert. Zehn Jahre später ist Norwegen immer noch eines der reichsten Länder, die Wirtschaft wächst und kein einziges Unternehmen wurde aufgelöst. Heute sind Frauen aus den norwegischen Chefetagen nicht mehr wegzudenken. In 85 Prozent aller Aufsichtsräte und in 77 Prozent der Geschäftsführungen der großen norwegischen Unternehmen ist zumindest eine Frau vertreten. Obwohl es in Schweden keine Quoten gibt, ist der dortige Anteil von Frauen in Führungspositionen mit den norwegischen Zahlen vergleichbar. Ein Vergleich mit Österreich löst hingegen bei der Norwegerin Hoel ungläubiges Kopfschütteln aus. „Firmen, die die Ressourcen von Frauen nicht nützen, sind dumm.

Um eine ähnliche Beschleunigung bemüht sich nun auch die deutsche Bundesregierung. Bei Neubesetzungen in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen muss bei unseren Nachbarn ab 2016 einen Frauenanteil von mindestens 30 Prozent erfüllt werden. Wird diese Quote nicht erreicht und der frei gewordene Posten nicht mit einer Frau nachbesetzt, muss er frei bleiben. Derzeit gibt es auch auf europäischer Ebene Vorstöße für eine Frauenquote, die ab 2020 in den Leitungsorganen börsennotierter europäischer Unternehmen einen Frauenanteil von mindestens 40 Prozent verwirklichen soll. Wenn diese Bestrebungen in einer Richtlinie enden, müsste auch Österreich eine Frauenquote festlegen. Wenn nicht, dann prognostiziert Marit Hoel einen weiterhin schleppenden Anstieg von Frauen in wirtschaftlichen Führungspositionen.