Sojakörner

Der globale Sojamarkt und seine Konsequenzen

Entwicklungspolitik Landwirtschaft Wirtschaft

Auf sechs Prozent der globalen landwirtschaftlichen Nutzfläche wird heute Soja angebaut. Die Zuwachsraten in der Vergangenheit waren enorm: Während 1960 17 Millionen Tonnen produziert wurden, waren es 2012 253 Millionen Tonnen. Direkt von Menschen konsumiert werden etwa zwei Prozent der geernteten Sojabohnen. Der überwiegende Anteil der Sojaernte wird einerseits zur Sojaölgewinnung eingesetzt, das vor allem in der Lebensmittelindustrie verwendet wird, aber auch für die Produktion von Biodiesel. Andererseits wird der verbleibende Sojakuchen aufgrund des hohen Eiweißgehalts in der Tierhaltung verfüttert.

Die Sojabohne zählt weltweit zu den wichtigsten Nutzpflanzen. Fast 88 % der gesamten Soja-Produktion finden auf dem amerikanischen Kontinent statt. Hauptproduzent sind die USA mit rund 108 Mio. Tonnen jährlich, gefolgt von Brasilien mit 87 Mio. Tonnen, Argentinien mit 53 Mio. Tonnen, vor der Volksrepublik China mit 12 Mio. Tonnen und Indien mit 11 Mio. Tonnen. Auch im globalen Handel nimmt Soja eine herausragende Stellung ein. Von allen weltweit gehandelten Rohstoffen ist Soja jener mit dem höchsten Umsatz.

Tierhaltung in Europa und China braucht Sojaimporte
Der Agrarjournalist Jan Peters stellte klar, dass die Tierhaltung in Europa ohne Sojaimporte nicht in der derzeitigen Form aufrechterhalten werden könne: Der Fleischpreis würde sich verdoppeln und damit der Fleischkonsum insgesamt sinken – auf ein von der WHO empfohlenes Niveau. Während der Fleischkonsum in Europa rückläufig ist, verändern sich die Ernährungsgewohnheiten in China und passen sich vermehrt einem westlichen Stil an. In den vergangenen 20 Jahren ist der Fleischverbrauch im Land der Mitte um 81 % gestiegen, was einen hohen Einfuhrbedarf an Soja-Futtermittel notwendig macht. Peters verwies auf den Umstand, dass manche Länder aufgrund klimatischer und anderer Bedingungen wesentlich günstiger erzeugen können als andere Länder. Aufgrund der niedrigen Transportkosten verhindern manche Exportprodukte den Aufbau einer entsprechenden Produktion in anderen Ländern. Als Beispiel nannte Peters neuseeländische Milchexporte nach Vietnam. Eine Erhöhung der Transportkosten könnte hier Abhilfe schaffen.

Sojaanbau hat zu Verschiebung innerhalb der Landwirtschaft geführt
Der Projektentwickler, Unternehmensberater und Lateinamerikaspezialist Martin Hubinger wies auf die enorme Bedeutung der landwirtschaftlichen Wertschöpfung für die Länder Lateinamerikas hin. Die Landwirtschaft in Lateinamerika nimmt eine wichtigere Stellung in der Wirtschaftsstruktur ein als in Europa. Wenn man die Wirtschaftssektoren der Länder ansieht, beträgt in Argentinien oder Brasilien der Anteil der Sektoren im Bereich Landwirtschaft 10 %, Industrie 40 % und Dienstleistung 50 % des erwirtschafteten BIP. In der Exportstatistik von Brasilien, machen Sojabohnen 10 % aller Exporte aus. Damit liegen Sojabohnen nach Eisenerz an zweiter Stelle der Exportprodukte mit einen Wert von 23 Mrd. USD liegen. Dazu kommen Exporte von Sojamehl i.d.H.v. ca. 7 Mrd. USD an. Zählt man beides zusammen ist Soja somit das größte Exportgut Brasiliens mit rund 13 % aller Exporte. Von den 10 größten Sojaproduzenten liegen 5 in Lateinamerika: Brasilien an 2. Stelle, an dritter Stelle Argentinien, an 6. Paraguay und an 8. Uruguay. Laut der FAO ist in Paraguay, Uruguay und Argentinien die Soja gemessen an der Gesamtproduktion in Tonnen die am meisten angebaute Pflanze, weit vor Mais oder Zuckerrohr.

Nach Prognosen soll Brasilien 2025 der wichtigste Sojaproduzent sein wird. Wenn man sich die gesamte Anbaufläche in Südamerika und der Karibik ansieht, nimmt Soja laut Daten der OECD mit Abstand den ersten Rang ein. Mit 2015 wurden auf rund 56 Mio. Hektar Soja angebaut. An zweiter Stelle liegt Mais mit ca. 35 Mio. Hektar und gefolgt wieder mit großem Abstand von Zuckerrohr mit ca. 12 Mio. Hektar. Und der Trend in Richtung Soja geht weiter. Im Jahr 2025 wird voraussichtlich auf über 70 Mio. Hektar Soja angebaut. Das verdrängt den Anbau herkömmlicher Pflanzen, treibt die Abholzung des Regenwaldes voran und fördert „Landgrabbing” durch ausländische Investoren.

In Lateinamerika haben wir es mit Ausnahme der Musterschüler Uruguay und Chile mit Demokratien zu tun, die sehr starken Einfluss auf die wirtschaftliche Struktur des Landes nehmen, was teilweise auch mit Korruption einhergeht. Insbesondere im Bereich der Mienenindustrie, im pharmazeutischen Bereich, aber auch in der Agroindustrie wird massives Lobbying betrieben. Außerdem schützen sich die Länder auch gegen ausländische Konkurrenz. Insbesondere Brasilien hat neben extrem hohen Zöllen mit teilweise 100 % oder mehr auch ein Verwaltungsregime, das ausländischen (österreichischen) Firmen den Markteintritt erschwert. Hinsichtlich Einfluss auf die Politik ist die Strukturierung der Landwirtschaft zu beachten. Die Bauern sind wie auch in Europa genossenschaftlich strukturiert, wobei es unterschiedlichste Größen von Genossenschaften gibt. Wir arbeiten in einem Projekt mit einer landwirtschaftlichen Kooperative in Brasilien, die 9.900 assoziierte Bauern hat. Derzeit fehlt es vor allem an Politikkohärenz, einerseits trachtet Wirtschaftspolitik danach, notwendige Rohstoffe zu sichern (landwirtschaftliche, aber auch seltene Erden etc.), andererseits versucht man dann wiederum mittels Entwicklungspolitik, die dadurch entstandenen Probleme zu beseitigen oder Schieflagen auszugleichen.

Preisströme lenken Warenströme
Der Präsident des Ökosozialen Forums Österreich, Stephan Pernkopf, verwies auf die bestehende Eiweißlücke in Europa. Um die benötigte Eiweißversorgung (vor allem für die Fütterung) zu sichern, importiert die EU derzeit Waren, für deren Produktion eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 25 Millionen Hektar notwendig sind (aufgrund der hohen Flächenerträge und der Effizienzsteigerung in der Verarbeitung sind die Zahlen seit 2008 rückläufig). Österreich ist in Europa der fünftgrößte Sojaproduzent, auf rund 44.000 Hektar wird Soja angebaut. Wir produzieren gentechnikfrei, aber die 550.000 Tonnen, die wir importieren kommen aus den USA, Brasilien und Argentinien, dort wird nicht gentechnikfrei produziert. Preisströme lenken Warenströme und Landwirtschaft ist nicht nur Ökologie, sondern auch Ökonomie. Und gentechnikfreies Soja ist auf dem Weltmarkt schwierig zu bekommen. Regionale Kreisläufe sind daher von großer Bedeutung, einerseits für KonsumentInnen, andererseits müsse auch die heimische Sojaproduktion ausgebaut werden.

Globale Partnerschaften mit privatem Sektor
Auf die hohe ökonomische Bedeutung der Landwirtschaft für Afrika wies auch die BOKU-PhD-Studentin Sara Hellen Kaweesa hin. Bis zu 80 % der Wirtschaft hängen von der landwirtschaftlichen Produktion ab. Ohne Landwirtschaft gibt es keinen Wohlstand. Kaweesa fokussiert in ihren Ausführungen vor allem ihr Heimatland Uganda: Die Mehrzahl der Betriebe dient der Eigenversorgung mit Lebensmitteln – viele davon in weiblicher Hand – bewirtschaftet unter 2 Hektar, wobei die Eigentumsrechte sehr kompliziert sind. Zudem handelt es sich in vielen Fällen um sehr fragile Ökosysteme. Der Sojaanbau kann wirtschaftlich nützlich sein, aber auch neue Abhängigkeiten schaffen und zu Verwerfungen in der lokalen Nahrungsmittelversorgung führen (wie in etwa der Baumwollanbau vor 20 Jahren). Kaweesa forderte mehr Solidarität und globale Partnerschaften, die auch den privaten Sektor umfassen.

Hier finden Sie weitere Informationen zum Thema. Factsheet_Soja_10_2016

Diese Veranstaltung des Ökosozialen Forums Europa wurde in Kooperation mit dem Institut für Umwelt, Freude und Entwicklung durchgeführt und von der Austrian Development Agency unterstützt.

Gefördert durch die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit