Erdöl ist allgegenwärtig. Es findet seinen Einsatz in Putzmitteln, Sonnenmilch, Medikamenten oder Fensterrahmen und stellt die Grundlage heutigen Wirtschaftens dar. Die Welt steht aber derzeit vor der dritten Industriellen Revolution: Erdöl soll in all jenen Bereichen, in denen es durch den Einsatz neuer Technologien möglich ist, durch biologische Rohstoffe ersetzt werden.
Nach der ersten Industriellen Revolution, die die Arbeitsproduktivität durch den Einsatz von Dampfkraft und Kohle enorm steigerte und der zweiten, die von Massenfertigung und billiger Energie des schwarzen Goldes geprägt war, werden nun weltweit die Weichen für die Bioökonomie – die biobasierte Kreislaufwirtschaft – gestellt. Bislang standen bei Unternehmensentscheidungen die Faktoren Arbeit und Kapital im Vordergrund, während der Ressourcenproduktivität kaum Bedeutung beigemessen wurde. Aufgrund der Rohstoffknappheit, die sich in beinahe allen Sektoren bemerkbar macht und der stetig stärker werdenden Ressourcenabhängigkeit von teils instabilen Regionen, wird nun massiv in diesen Forschungs- und Innovationsbereich investiert. Allein Deutschland fördert von 2010 bis 2016 entsprechende Forschungsprojekte mit 2,4 Milliarden Euro und hat sowohl eine nationale Forschungsstrategie, an deren Umsetzung vier Ministerien gemeinsam arbeiten, formuliert, als auch ein unabhängiges Beratungsgremium – den Bioökonomierat – eingerichtet.
Die Europäische Kommission präsentierte im Jahr 2012 ihr Strategiepapier für eine Bioökonomie für Europa, in dem sie sowohl die Vorteile eines derartigen strukturellen Wandels als auch konkrete Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels darstellte. Ob die USA, Brasilien, China, Dänemark oder Großbritannien, alle haben das Ziel die Ressourceneffizienz rigoros zu steigern. Der Querschnittscharakter der Bioökonomie bietet die einzigartige Chance, miteinander verknüpfte gesellschaftliche Herausforderungen wie Ernährungssicherheit, Knappheit natürlicher Rohstoffe, Abhängigkeit von fossilen Ressourcen und Klimawandel anzugehen und gleichzeitig ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu erreichen.
Bisher ungenutzte Koppel- und Abfallprodukte sollen in neuen Materialien Verwendung finden, die gleiche bzw. teilweise sogar bessere Eigenschaften aufweisen als die Altbewährten. So wird zum Beispiel auch in Österreich konkret an Leichtbauwerkstoffen aus landwirtschaftlicher Koppelproduktion oder an der Aufarbeitung von Filterrückständen bei der Bierherstellung zur Gewinnung innovativer pharmazeutischer Substanzen gearbeitet. Die Alpenrepublik hat allerdings großen Nachholbedarf, da sie noch keine Bioökonomiestrategie formuliert hat, die klar die notwendigen Innovationsbereiche definiert und den Koordinationsprozess abbildet. Um diese Lücke zu schließen, referierte am 16. Mai Reinhard Hüttl, Mitglied des Deutschen Bioökonomierates, über die Erfahrungen, die Deutschland bei der Entwicklung der Bioökonomiestrategie gemacht hat und wie diese in den österreichischen Ansatz integriert werden können. „Das notwendige Wissen über die Stoffkreisläufe verdanken wir der Spezialisierung. Ich bin ein Anhänger der Methodenentwicklung. Wir müssen in die Tiefe gehen,“ erklärte der Bioökonomie-Experte.