Holzfiguren: Jubelnde Menge und Sprecher

Populismus und die Suche nach Mehrheiten

Gesellschaftspolitik

Die von den Ökosozialen Foren Österreich, Wien und Steiermark organisierte Diskussion “Der kleine Mann und das Mehr” stieß auf reges Interesse der Teilnehmer, auch nach dem offiziellen Ende diskutierten die Podiumsgäste und Publikum intensiv weiter. Angesichts der diesjährigen Wahl- und Abstimmungsergebnisse – allen voran Brexit-Referendum und US-Präsidentschaftswahlen – stand die Frage im Zentrum, inwieweit das Jahr 2016 einen Wendepunkt für die Demokratie darstellt bzw. darstellen kann.

Populismus ist Abgrenzung
Politikberater Florian Hartleb definierte in seinem Vortag Abgrenzung als konstituierendes Element von Populismus, diese erfolgt vertikal „(Wir-gegen-die-da-oben”) und horizontal („Wir-gegen-die-da-draußen”). Er identifizierte vier Dimensionen des Populismus:
die technische Dimension: Populisten setzen sich als selbsternannte Anwälte des Volkes in Gegensatz zum „politischen Establishment”;
die inhaltliche Dimension: das Thema Migration ist von herausragender Bedeutung;
die personelle Dimension: im Vordergrund steht eine charismatische Führerpersönlichkeit;
und die mediale Dimension: Schaffung einer medialen Parallelöffentlichkeit durch die Nutzung sozialer Medien, die sich auch formal durch „Kumpelkommunikation” von etablierten Medien absetzt.
Der bayerische Politologe sieht das „Postfaktische Zeitalter” hereingebrochen, in dem sich Wahrheit und Lüge in der politischen Kommunikation immer mehr vermischen.

Rhetorische Kniffe von Populisten abschauen
Diesem Befund widersprach Motivforscherin Helene Karmasin. Auch Populisten verwenden Fakten, setzen diese jedoch in einen anderen Bedeutungsrahmen. Es gehe nicht in erster Linie um Wahrheit, sondern um Überzeugung. Dazu müssen komplexe Sachverhalte in ein Bild verdichtet werden, das Emotionen hervorruft. Die Reduzierung von Freihandelsabkommen auf „Chlorhühner” war so eine erfolgreiche rhetorische Figur, die ein Abwägen weiterer Argumente überflüssig machte. In dieser Hinsicht fordert Karmasin, sich von Populisten etwas „abzukupfern”. Politik müsse den Menschen das Gefühl geben, zu einer tollen Gruppe zu gehören? „I have a dream” und „Yes, we can” zeigen, dass sich diese rhetorischen Figuren auch für andere Zwecke einsetzen lassen.

Populisten zeichnen das Volk als „moralisch rein” und im Gegensatz zu „korrupten Eliten”. Das Volk hat in dieser Logik immer recht, ist quasi „Gottes Stimme”. Wenn 30 bis 50% der Bevölkerung ihre Stimme den Populisten geben, fragt die Motivforschung, was die Motive der Menschen sind. Den Narrativ „Streng dich an, dann wird es dir und deinen Kindern besser gehen” glauben die Menschen nicht mehr. Und damit haben sie recht. Abstiegsängste sind in bestimmten sozialen Situationen nachvollziehbar.

Populismus ist, wenn Versprechen nicht gehalten werden
Die Bezirkspolitikern Veronika Mickel sieht es als Aufgabe der Politik auf allen Ebenen, dort hinzugehen, wo es schwierig ist, und das direkte Gespräch zu suchen. Es brauche Politiker, die in schwierigen Zeiten unterwegs sind und ihre Politik erklären. Mickels Antrieb, in die Politik zu gehen, war der Optimismus, Dinge zum Besseren verändern zu können. Daher wäre Hoffnung auch ein großartiges Alleinstellungsmerkmal für Parteien und Politiker. Es dauert aber lang, bis eine Botschaft bei der Bevölkerung ankommt, das ist harte Arbeit. Eine akzentuierte Politik ist für die Josefstädter Bezirksvorsteherin noch nicht Populismus. Erst, wenn man Dinge verspricht, die man nachher nicht hält oder halten will, würde Mickel von Populismus sprechen.

Demokratische Beteiligung weiterentwickeln
Der Wiener Landtagsabgeordnete Peko Baxant forderte eine Weiterentwicklung der Demokratie. Die Bevölkerung war noch nie so gut gebildet und so rasch und gut informiert wie heute. Als selbstbewusster Souverän haben die Menschen aber nach wie vor die gleichen Instrumente zur Verfügung wie am Beginn des Zeitalters der Demokratie vor 200 Jahren. Da sei es nicht verwunderlich, wenn sie wütend werden. Um dem entgegenzuwirken wäre ein runder Tisch zum Thema Demokratie sinnvoll, bei dem Zivilgesellschaft, Medien und Politik eine zusätzliche Säule zur parlamentarischen Demokratie entwickeln.