Podiumsdiskussion des Ökosozialen Forums mit Expert:innen des Gesundheitsministeriums, des Bundesamtes für Verbrauchergesundheit und der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit
Österreichische Verbraucher:innen kaufen immer öfter Lebensmittel und andere Produkte des täglichen Bedarfs wie Kosmetik und Nahrungsergänzungsmittel oder Kinderspielzeug im Internet. Billig-Online-Einkäufe können sie allerdings schnell teuer zu stehen kommen und ihre Gesundheit gefährden: Die Gefahren reichen von Kinderspielzeug mit giftigen Weichmachern über Lichterketten, die bei Inbetriebnahme in Flammen aufgehen, bis hin zu Nahrungsergänzungsmitteln mit nicht zugelassenen Inhaltsstoffen. Bei einer Podiumsdiskussion des Ökosozialen Forums diskutierten Expert:innen des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK), des Bundesamtes für Verbrauchergesundheit (BAVG) und der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) neue gesundheitliche Risiken bei Onlinekäufen und wie diese erkannt beziehungsweise vermieden werden können.
„Der Verbraucher:innen-Schutz im Internet umfasst neben der Überwachung des elektronischen Handels (eCommerce) vor allem auch Internetbetrug, Schadsoftware, Datenschutz bis hin zu Sicherheitslücken bei Smartphone-Apps“, betonte Ulrich Herzog, Leiter der Sektion für Konsumentenpolitik und Verbrauchergesundheit im Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK). Als größte Herausforderung für eine effiziente amtlichen Marktüberwachung des Onlinehandels nannte Herzog „die rasant steigende Bestellmenge von Einzelprodukten, die nur mit großem Aufwand geprüft und bei Verstößen abgefangen werden können, sowie die schwierige Rückverfolgbarkeit zum Hersteller.“ Produkte, die als gefährlich oder nicht konform erkannt werden, werden zwar vom Anbieter aus dem Angebot genommen, „tauchen aber unter anderem Namen oder mit neuem Design wieder auf dem Online-Marktplatz auf“, so Herzog.
„Onlinekäufe nehmen massiv zu, 2023 kauften zwei Drittel der Österreicher:innen Waren des täglichen Bedarfs online ein und gerade bei Kinderspielzeug ist dieser Trend stark steigend“, so der Direktor des Bundesamtes für Verbrauchergesundheit (BAVG) und Geschäftsführer der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), Anton Reinl. Die amtliche Kontrolle finde allerdings überwiegend im stationären Handel statt. 2024 wurden vom BAVG in Zusammenarbeit mit der AGES über 140 Kontrollen und Probenziehungen von Spielzeug, Kosmetik und Nahrungsergänzungsmitteln durchgeführt. Unter das Kontrollregime des BAVG fallen dabei auch die großen amerikanischen und chinesischen Online-Plattformen. Die Beanstandungsquote lag 2024 bei Spielzeug wegen Sicherheitsmängeln bzw. Kennzeichnungsmängeln bei über 80 Prozent. Bei Nahrungsergänzungsmitteln wurden teilweise verbotene beziehungsweise nicht zugelassene Inhaltsstoffen wie Lithium oder gesundheitsschädliches Quecksilber gefunden. „Online werden Produkte gekauft, die es in der ganzen EU nicht zu kaufen gibt und die bei stationären Kontrollen nicht gefunden werden. Hier braucht es auch Bewusstseinsbildung für die Gesundheitsgefahren.“
Für AGES-Spielzeugexpertin Daniela Schachner zeigen sich hier große Unterschiede zwischen stationärem und Online-Handel: „Die Beanstandungsquote im stationären Handel ist ungleich niedriger als bei Billig-Angeboten aus dem Internet.“ In der AGES werden jährlich zirka 500 Spielzeugproben untersucht. Bei Sicherheitsmängeln, die ein „ernstes Risiko“ aufweisen, liegt die Beanstandungsquote im langjährigen Durchschnitt bei zirka 4 Prozent. Bei einer aktuellen europaweiten Schwerpunktaktion zu „Aktivitätsspielzeug“ wie Schaukeln, Rutschen oder Klettertürmen mussten 100 Prozent der Produkte wegen Verstößen gegen die strengen Sicherheitsanforderungen der EU-Spielzeugverordnung aus dem Verkehr gezogen werden. „Die Sicherheit unserer Kinder hat oberste Priorität. Achten Sie daher beim Kauf von Spielzeug auf Qualität. Vorsicht bei Billig- und Billigst-Angeboten“, betonte die Spielzeug-Expertin der AGES. Schwerwiegende Sicherheitsmängel sind zum Beispiel ablösbare und verschluckbare Kleinteile bei Spielzeug für Kinder unter 36 Monaten oder bei Magnetspielzeugen und eine zu hohe kinetische Energie bei Geschossspielzeug.
Als typische formale Mängel nannte BMSGPK-Sektionschef Herzog betreffend Produktsicherheit zudem eine fehlerhafte Kennzeichnung oder eine zu Unrecht angebrachte CE-Kennzeichnung. Als „echte Gefahren“ beschrieb Herzog Medikamente mit schwankendem Anteil an Wirkstoffen, Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel mit unbekannten oder verbotenen Inhaltsstoffen, problematische Inhaltsstoffe bei Kosmetika oder eine Belastung von Werkzeuggriffen mit Chemikalien wie etwa Weichmachern, aber auch Materialschwächen bei Fahr-rädern oder unzureichende Schutzvorrichtungen bei Elektrogeräten bzw. Brandgefahr bei Akkus.
Internetkontrolle wird kontinuierlich ausgebaut und behördliche Kooperation verstärkt
In der nationalen und internationalen Vernetzung sehen die Expert:innen den größten Hebel für einen effizienten Ausbau der Kontrolle des Online-Handels: In der Zuständigkeit des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird die Zusammenarbeit in der amtlichen Internet-Kontrolle zwischen AGES, BAVG und des seitens des Ministeriums geförderten gemeinnützigen Österreichischen Instituts für angewandte Telekommunikation (ÖIAT) sowie anderer Behörden kontinuierlich ausgebaut, „um sichere Produkte und Transparenz für Verbraucher:innen analog zum stationären Handel sicherzustellen“, so Sektionschef Herzog. Wichtige „rechtliche Schritte für den Verbraucher:innen-Schutz“ sieht er im „Digital Services Act“ und der neuen EU-Produktsicherheitsverordnung, „dadurch müssen Online-Marktplätze künftig verstärkt mit den Marktüberwachungsbehörden kooperieren“.
Technisch werde seitens der AGES im Rahmen des von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) geförderten Forschungsprojektes „eMarketshield“ bereits der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI-Tools) für risikobasierte Kontrollen eine effiziente der Marktüberwachung im Online-Lebensmittelhandel erprobt, „um die Synergien in Österreich zu nutzen und gemeinsam Lösungen für Online-Recherchen, Kontrollplanung und Probenziehungen zu entwickeln“, so Anton Reinl. Ziel des BAVG sei es, „die Ressourcen für Kontrollen dem Kaufverhalten anzupassen und die Zusammenarbeit aller Marktüberwachungsbehörden inklusive des Zolls zu stärken“.
Gemeinsame Kontrollen und Information der Österreicher:innen sorgen jedenfalls für ein „Mehr an Sicherheit“ und eine insgesamt verbesserte „Bewusstseinsbildung für gefährliche Billig-Einkäufe im Internet“, fasste Hans Mayrhofer, Generalsekretär des Ökosozialen Forums Österreich & Europa, die spannende Podiumsdiskussion über den Verbraucher:innen-Schutz im Internet zusammen. Mayrhofer sieht große Vorteile beim Austausch von Erfahrungen und Knowhow sowie bei der Vernetzung von Präventionsarbeit: „Die neuen Gefahren durch den Onlinehandel können nur gemeinsam bekämpft werden, um gefährliche Produkte vom Markt zu nehmen und Konsument:innen sowie den fairen Wettbewerb zu schützen.“
Weiterführende Links
- BMSGPK: https://www.sozialministerium.at/Themen/Konsumentenschutz/Verbrauchergesundheit.html;
- https://www.sozialministerium.at/Themen/Konsumentenschutz/Produktsicherheit.html
- BAVG: https://www.bavg.gv.at/internetkontrolle/internet-einkauf-in-oesterreich
- AGES-Empfehlungen für Spielzeug:
- Diskussion nachschauen