Um im Klimaschutz voranzukommen, will die österreichische Bundesregierung ab 2022 CO2 Emissionen mit einem Preis belegen. Über die Möglichkeiten der Ausgestaltung, die Vor- und Nachteile verschiedener Rückführungsvarianten und die Akzeptanz der Bevölkerung diskutierten die Umweltökonomin Angela Köppl und der Erfinder der Ökosozialen Marktwirtschaft, Josef Riegler.


Die österreichische Bundesregierung plant Kostenwahrheit bei den CO2-Emissionen herzustellen und diesen ab 2022 einen Preis zu geben.

Warum ist das sinnvoll?

Josef Riegler: Schwere Unwetter mit Hagelstürmen in Salzburg, Oberösterreich und Niederösterreich und Tornados in Tschechien – in diesem Sommer waren wir schon mit hautnahen Bedrohungen konfrontiert. Diese haben Existenzen zerstört und auch Leben gefordert. Klimawandel und Erderwärmung klingen zwar harmlos, aber es handelt sich real um Naturveränderungen, die uns heute schon tatsächlich bedrohen.

Seit Beginn der Industrialisierung haben wir Menschen zusätzliches CO2 in die Atmosphäre ausgestoßen – bis zum Jahr 2000 mehr als eine Milliarde Tonnen über das CO2 aus den natürlichen Kreisläufen hinaus. Und in der kurzen Spanne von 2000 bis 2015 – getrieben etwa von der rasanten Entwicklung in China – haben wir 500 Milliarden Tonnen CO2 emittiert. Das überfordert den natürlichen Puffer unseres Planeten.

Ein Temperaturanstieg von einem oder zwei Grad klingt harmlos, aber es bedeutet, dass mehr Wasser verdampft und das kommt auch wieder runter. Mitunter mit den verheerenden Folgen, die wir in der letzten Zeit erleben mussten. Deshalb ist ein CO2-Preis eine absolute Notwendigkeit. Problematisches Verhalten muss in den Kosten deutlich gemacht werden. Das ist ökologische Kostenwahrheit. Preise müssen den Wert der Umwelt ausdrücken. Und es muss gleichzeitig das Verursacherprinzip gelten. Wer Probleme verursacht, muss dafür einstehen.

Wir brauchen einen intelligenten Umbau bei Steuern, Abgaben und Förderungen. Damit jene Bereiche, die für die Zukunft wertvoll sind, attraktiver werden. Und gleichzeitig jene Bereiche, die Probleme verursachen, in den Kosten deutlich artikuliert werden. Das ist das Anliegen der Ökosozialen Steuerreform. Die Debatte hat eine lange Geschichte – jetzt muss man endlich Nägel mit Köpfen machen.

Angela Köppl: Aktuell fallen die privaten und die gesellschaftlichen Kosten auseinander. Emissionsintensive Produktions- und Konsumprozesse verursachen Kosten, die sich nicht in den Preisen spiegeln und der Gesellschaft auferlegt werden. Ein CO2-Preis soll diese Diskrepanz adressieren. Bei den Klimakosten kommt hinzu, dass heute verursachte Kosten vor allem von nachfolgenden Generationen zu tragen sind. Das macht die Sache noch komplizierter. Heutige Entscheidungen, wie und wo wir z.B. Gebäude erreichten oder in welche Mobilitätsinfrastruktur investiert wird, haben Auswirkungen über mehrere Jahrzehnte in der Zukunft.

Laut ökonomischer Theorie hat eine Lenkungsabgabe wie ein CO2-Preis den Zweck, Verhalten zu steuern. Sie gilt einerseits als ökonomisch effizient, weil es in der Entscheidung des Einzelnen liegt, wie er oder sie darauf reagiert. Da auch die letzte Emissionseinheit einen Preis hat, entsteht ein dynamischer Anreiz für Innovationen. Und andererseits soll sie administrativ leicht umsetzbar sein. In der Regel kann eine CO2-Bepreisung leicht in ein bestehendes Steuersystem integriert werden. Das sind zwei Aspekte, die eindeutig für eine Bepreisung von Emissionen sprechen.

Auf der praktischen Seite stellt sich die Frage der öffentlichen Akzeptanz und wie negative Verteilungseffekte hintangehalten werden können. Aber auch wie der Anpassungsdruck für emissionsintensive Sektoren gestaltet werden kann.

Wie kann eine Umsetzung aussehen?

Köppl: Die Regierung plant eine aufkommensneutrale ökosoziale Steuerreform. Dabei wird eine Ökosteuer in ein reformiertes Steuersystem eingebettet und die Steuereinnahmen fließen nicht in das allgemeine Budget, sondern werden rückverteilt. Dafür gibt es verschiedene Optionen, die jeweils Vor- und Nachteile haben. In der Literatur werden idealtypisch drei Rückverteilungsvarianten genannt: ein Ökobonus, eine Reduktion der Lohnnebenkosten und Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen.

Der Ökobonus ist kurzfristig sozial attraktiv, weil untere Einkommen überproportional profitieren. Langfristig reicht das Ausmaß der Pro-Kopf Rückverteilung vermutlich aber nicht aus, um Investitionen in klimataugliche Alternativen anzustoßen.

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© Alexander Müller
» CO2-Steuern sind ein wichtiges Instrument. Sie können ihre volle Wirkung nur in einem breiteren Instrumentenmix entfalten. «

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© ÖSF
» Wir brauchen einen intelligenten Umbau bei Steuern, Abgaben und Förderungen. Damit jene Bereiche, die für die Zukunft wertvoll sind, attraktiver werden. «

Auch bei einer Verringerung arbeitsbezogener Steuern und Abgaben – die in Österreich sehr hoch sind – stellt sich die Frage, ob dies klimataugliche Investitionen anreizt. Währenddessen kann es bei einer Rückführung über Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen kurzfristig soziale Härtefälle geben, denen mit geeigneten Maßnahmen gegengesteuert wird. Klimaschutzinvestitionen haben aber den Vorteil, dass Emissionen über die gesamte Lebensdauer der Investition vermieden werden. Unabhängig welche Option der Rückverteilung oder welche Kombination man wählt, gilt, dass CO2-Steuern ein wichtiges Instrument der Klimapolitik sind und jedenfalls genutzt werden müssen. Sie können aber ihre volle Wirkung nur in einem breiteren Instrumentenmix entfalten.

Gibt es internationale Vorbilder für eine Umsetzung?

Köppl: Wir tun manchmal so, als wären wir das erste Land, das sich mit einer solchen Fragestellung auseinandersetzt. Tatsächlich gibt es bereits über 60 Initiativen zur CO2-Bepreisung – auf nationalstaatlicher, auf regionaler und auf EU-Ebene. Dabei entfällt etwa die Hälfte auf CO2-Steuern und die andere auf Emissionshandelssysteme. Die Ausgestaltung und das Niveau sind höchst unterschiedlich. Im europäischen Emissionshandel kostet die Tonne CO2 derzeit 50 Euro. Andere Systeme liegen weit darunter.

Zu den Vorreiterländern bei CO2-Steuern in Europa zählt Schweden. Bereits Anfang der 1990er Jahre wurde dort eine CO2-Bepreisung umgesetzt und im Laufe der Zeit die Höhe sukzessive angehoben. Das ist ein wichtiger und sinnvoller Aspekt. Die Einführung einer Bepreisung und diese dann lange Zeit konstant zu halten, hat dauerhaft eine geringere Reduktionswirkung. In Schweden fließen die Einnahmen ins allgemeine Budget, aber es gibt begleitend eine Reihe von Maßnahmen, um den Umstieg von fossilen auf nicht-fossile Rohstoffe zu fördern, vor allem im Wärmebereich.

Ein weiteres Beispiel ist die Schweiz. Auch wenn dort der Verkehrssektor ausgenommen ist – ein bedeutender Verursacher von Emission. Die Schweiz verwendet die Einnahmen für eine Kombination aus Rückverteilung an Private und Unternehmen sowie zum Anstoß klimatauglicher Investitionen.

Die Schweiz ist aber auch ein Beispiel dafür, dass sich die Stimmung in Hinblick auf CO2-Bepreisung ändern kann. In der Volksabstimmung im Juni sprach sich eine Mehrheit – wenn auch knapp – gegen eine Erhöhung des CO2-Preises aus.

Wie kann die nötige Akzeptanz der Bevölkerung erreicht werden?

Riegler: Wir brauchen eine inhaltliche Ausgewogenheit bei der Maßnahmenwahl und müssen Planbarkeit schaffen. Dazu müssen konkrete Zeitpläne vorgelegt und die Bepreisung in Stufen eingeführt werden. Schweden hat 30 Jahre gebraucht, um zu den heute 120 Euro zu kommen. Unternehmen und PKW-Besitzer und die Menschen, die ihre Wohnung und ihr Haus heizen, müssen sich auf die Veränderungen und die steigenden Preise einstellen und ihr Verhalten anpassen können.

Laut Berechnungen des WIFO muss – um einen ökologischen Lenkungseffekt zu erzielen – die Tonne CO2 mindestens 50 Euro kosten, das bedeutet, dass Treibstoff etwa um rund 15 Cent je Liter teurer wird. Die Akzeptanz für einen CO2-Preis kann ich nur mit einem Mix an Maßnahmen absichern. Dazu müssen einerseits Investitionen und Innovation angestoßen werden, aber auch Unternehmen und besonders betroffene Gruppen wie Pendler nicht übermäßig belastet werden. Für sie muss es Kompensationen geben.

Bei einer geplanten Verteuerung sind heftige politische Diskussionen vorprogrammiert. Aber die Konstellation dieser Bundesregierung bietet die Chance, dass wir in der Sache weiterkommen. Das Vorhaben eine Ökosozialen Steuerreform steht im Regierungsprogramm. Ein erster Schritt ist vergangenes Jahr mit ersten Maßnahmen gesetzt worden und der zweite Schritt ist für 2022 vorgesehen. Ziel ist eine aufkommensneutrale wirksame Bepreisung klimaschädlicher Emissionen und gleichzeitig eine sektorale Entlastung von Privaten und Unternehmen.

Eine Bepreisung von Emissionen soll keine Bestrafung sein, sondern Chancen eröffnen. Wir müssen Investitionen in die Zukunft durch entsprechende Anreize sicherstellen. Das kann eine CO2-Bepreisung nicht allein. Es braucht andere Maßnahmen, die in eine ähnliche Richtung gehen. Der europäische Resilienzfonds wird auch in Österreich Investitionen in diese Richtung anstoßen. Österreich hat einen europäischen Spitzenplatz was innovative Technologien und Forschungsvorhaben anbelangt. Wenn wir es richtig machen, können wir durch die Steuerreform als Land stark profitieren.

Wie kann den Menschen erklärt werden, dass sie ab nun für etwas bezahlen sollen, was bisher immer gratis war?

Köppl: Der Klimawandel verursacht jetzt schon Kosten und verschlechtert das Wohlbefinden vieler Menschen. Ein solcher Preis enthält auch wichtige Informationen für den Einzelnen. Er zeigt die tatsächlichen Kosten, also auch die Umweltkosten, auf.

Wenn uns die ökonomische Theorie sagt, dass eine Bepreisung einen Lenkungseffekt erzielt, dann sollte ein solches Instrument jedenfalls in einem Instrumentenkoffer enthalten sein. Aber ich muss auch andere Maßnahmen setzen, um einen gerechten Übergang zu gewährleisten. Wir brauchen Innovationen, um die Mobilität zu ermöglichen – einerseits für den öffentlichen Verkehr, aber auch mit kleinräumigen Angeboten für die „letzte Meile“. Ebenso braucht es Lösungen für die Marktbarrieren bei der Gebäudeinfrastruktur, weil die aktuelle Kostenverteilung zwischen Mieter und Vermieter oft sinnvolle klimaschonende Alternativen verhindert.

Die Auswirkungen von Maßnahmen in Österreich auf das Weltklima sind marginal. Warum soll gerade ein kleines Land in diesem Punkt aktiv werden?

Riegler: Österreich allein wird das Klima nicht retten, aber jedes Land - so auch Österreich – hat seinen Beitrag zu leisten. Durch die internationale Berichterstattung kann gewährleistet sein, dass jeder seine Hausaufgaben erfüllt und andere Länder und Unternehmen ebenfalls Anstrengungen im Klimaschutz setzen.

Köppl: Österreich kann sich nicht als Trittbrettfahrer verhalten. Allein schon durch unseren Konsum sind wir mit den Importen für 60 % höhere Emissionen verantwortlich als durch die heimische Produktion verursacht werden und in den offiziellen Emissionsbilanzen ausgewiesen sind. Diese Emissionen entstehen in anderen Ländern,  weil wir die Produkte importieren.

Durch die Verflechtungen ist Klimaschutz eine nationale, aber auch eine internationale Angelegenheit. Globale Anstrengungen entbinden uns nicht von nationalen Anstrengungen. Zuerst sollten wir uns darum kümmern, was wir innerhalb unserer Grenzen umsetzen können, aber natürlich auch, was wir auf internationaler Ebene oder auf EU-Ebene beitragen können. Ein Bereich, in dem wir dringend ein gemeinsames Vorgehen brauchen, ist die Kerosinsteuer. Es ist ein wichtiges Anliegen, bei der Steuerbefreiung für Flugzeugtreibstoff endlich weiterzukommen. Das kann Österreich jedoch allein nicht sinnvoll umsetzen.

Wie können Wettbewerbsnachteile für eine exportorientierte Wirtschaft verhindert werden?

Riegler: Um fairer Wettbewerb in einer global vernetzten Wirtschaft sicherzustellen, müssen wir Ökodumping oder Sozialdumping verhindern. Aber auch Nicht-Handeln hat kosten. Wenn wir die vorgegebenen Klima-Ziele nicht erreichen, sind hohe Strafzahlungen fällig. Das wird oft vergessen.

Köppl: Wir müssen den Wettbewerb jedenfalls im Blick behalten. Abfederungen für exportorientierte emissionsintensive Sektoren können beispielsweise – wie das bereits im Europäischen Emissionshandel – gemacht wird, über Gratiszertifikate gemacht werden. Schweden zeigt, dass eine CO2-Bepreisung der wirtschaftlichen Entwicklung nicht schadet, wenn es Vergünstigungen für die im internationalen Wettbewerb stehenden Unternehmen gibt und auf die Anreizwirkung für Innovationen nicht vergessen wird.